Sondersitzung EZB verstärkt Kampf gegen Anleihe-Ausverkauf
Der EZB-Rat hat auf einer außerplanmäßigen Sitzung entschieden, das Geld den Corona-Notkaufprogrammen flexibel einzusetzen. An den Märkten kam das gut an.
Als Reaktion auf die jüngste Unruhe an den Finanzmärkten will die Europäische Zentralbank (EZB) Gelder aus dem Ende März ausgelaufenen Corona-Notkaufprogramm PEPP besonders flexibel einsetzen. Das teilte die Notenbank am Mittwoch nach einer Sondersitzung des EZB-Rates mit. Zugleich beauftragte der Rat die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems zusammen mit der EZB, die Fertigstellung eines neuen Kriseninstruments zu beschleunigen.
In den vergangenen Tagen waren die Zinsen an den Kapitalmärkten stark gestiegen, während sich die Stimmung an den Aktienmärkten deutlich verschlechterte. Besonders deutlich stiegen zuletzt die Kapitalmarktzinsen in südeuropäischen Ländern. Ein Grund für diese Entwicklung ist die Ankündigung der EZB, ihre Neukäufe von Staatsanleihen Anfang Juli einzustellen.
- Aktueller Kurs: Wo steht der Dax gerade?
An den Märkten sorgten die Aussagen der EZB für steigende Aktienkurse. Nach sechs Handelstagen mit teils heftigen Verlusten stieg der Leitindex Dax nun um 1,36 Prozent auf 13.485,29 Punkte. Der EuroStoxx 50 als Pendant zur Eurozone baute am Nachmittag ebenfalls seine Gewinne aus und stieg zwischenzeitlich um zwei Prozent.
Experte: Instrumente sind umstritten
Die Entscheidung der EZB wurden von Experten unterschiedlicher Geldhäuser genau beobachtet. Für Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank hatte das Treffen eher "vorbeugenden Charakter". "Die EZB hat bereits ein Instrument, das sie bei der Glättung der Staatsanleihen-Märkte einsetzen könnte, nämlich die Reinvestitionen des bisherigen Anleihekaufprogramms (PEPP). Ob dies allerdings volumenmäßig ausreicht, um in Stressphasen die Risikoaufschläge von Mitgliedstaaten-Anleihen in den Griff zu bekommen, darf bezweifelt werden", so der Experte. Andere Instrumente seien rechtlich und politisch umstritten.
"Das einzige, was man sich hier vorstellen kann, gibt es ebenfalls schon: das OMT-Programm, das noch unter Mario Draghi konzipiert wurde. Hiermit wären allerdings wirtschaftspolitische Auflagen für die begünstigten Länder verbunden", so Kater.
Lage für Italien bleibt schwierig
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, hingegen rechnet damit, dass ein neues Hilfsprogramm aufgesetzt wird. "Ein solches Programm dürfte anders als das OMT-Programm auf Reformauflagen der Staatengemeinschaft verzichten, aber wohl Nettoanleihekäufe vorsehen."
"Dadurch gelangte aber neues Geld in Umlauf, was den Kampf gegen die sehr hohe Inflation behindern würde. Die Lage für italienische Staatsanleihen bleibt schwierig. Es rächt sich nun, dass sich das Land seit Jahren den notwendigen tiefgreifenden Reformen verschließt", so Krämer weiter.
Erst vor wenigen Tagen hatte die EZB angekündigt ihre Anleihekäufe zu beenden und ab Juli den Leitzins anzuheben. Es ist die erste Erhöhung seit elf Jahren. Die US-Notenbank Fed hat unterdessen die Zinswende bereits vollzogen, am Mittwochabend wird eine weitere Zinserhöhung der Amerikaner erwartet.
Experten rechnen mindestens mit einer Anhebung um 0,5 Prozentpunkte. Aber auch ein noch stärkerer Zinsschritt wird zunehmend für möglich gehalten. Laut Experten könnte ein solcher Schritt mit Blick auf den jüngsten Ausverkauf am Aktienmarkt aber bereits in den Kursen eingepreist worden sein.
- Nachrichtenagentur dpa
- Statement Ulrich Kater
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters