DIW-Analyse "Rente mit 63" erfüllt nicht ihren Zweck
Eigentlich sollten vor allem Beschäftigte in anstrengenden Berufen nach 45 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Die Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in den Ruhestand zu gehen – oft "Rente mit 63" genannt – wurde eingeführt, um langjährig Beschäftigten einen früheren Renteneintritt zu ermöglichen. Aktuelle Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen jedoch, dass nicht unbedingt diejenigen mit hoher beruflicher Belastung von dieser vorzeitigen Altersrente profitieren.
Wer nutzt die abschlagsfreie Rente nach 45 Jahren?
Laut DIW-Analyse nimmt fast ein Drittel der Neurentner die früher als "Rente mit 63" bekannte vorzeitige Altersrente in Anspruch. Dabei sind es häufig Personen mit geringer körperlicher oder psychischer Arbeitsbelastung, die frühzeitig in Rente gehen. So waren fast 70 Prozent der westdeutschen Männer des Jahrgangs 1957 mit mindestens 45 Versicherungsjahren insgesamt nicht sehr hoch belastet.
Zur Methode
Für die Analyse haben die DIW-Forscher Arbeitsmarktbiografien von knapp 8.000 westdeutschen Männern des Geburtsjahrgangs 1957 ausgewertet. Grundlage waren Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bei der Bundesagentur für Arbeit. Frauen habe man nicht einbeziehen können, da die IAB-Daten keine Informationen zu Kindererziehungszeiten enthalten, die für den Anspruch auf die Rente für besonders langjährig Versicherte aber mitzählen. Auch für Ostdeutsche lagen nicht durchgehend alle relevanten Daten vor.
Warum profitieren nicht die am stärksten Belasteten?
Die aktuelle Regelung basiert ausschließlich auf der Dauer der Versicherungszeit und berücksichtigt nicht die tatsächliche Arbeitsbelastung oder gesundheitliche Einschränkungen. Dadurch können auch Personen mit weniger belastenden Berufen frühzeitig und ohne finanzielle Einbußen in Rente gehen, während stark belastete Arbeitnehmer die erforderlichen 45 Beitragsjahre oft gar nicht erreichen.
"Hohe Belastungen beobachten wir bei kürzeren Erwerbskarrieren anteilig häufiger, während bei längeren Laufbahnen die Bedeutung von Beschäftigungsphasen mit geringeren Belastungen zunimmt", sagt Johannes Geyer, stellvertretender Leiter der Abteilung Staat am DIW.
Was schlagen die Forscher vor?
Das DIW plädiert für eine Reform der Rentenregelung – weg von der Dauer der Erwerbstätigkeit als alleinige Voraussetzung. "Als Kriterium für eine vorgezogene Altersrente wäre ein Instrument, das an der tatsächlichen Beschäftigungsfähigkeit der Versicherten ansetzt, sinnvoller", so Geyer.
Als Beispiel nennt die Studie die sogenannte Schwerarbeitspension aus Österreich, für die Versicherte zwei Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen eine bestimmte Dauer gearbeitet haben und zumindest zeitweise besonders belastenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt gewesen sein. Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass die Schwerarbeitspension stark auf körperliche Belastungen abstelle. Angesichts der Zunahme psychischer Erkrankungen sollten auch mentale Belastungen berücksichtigt werden, sofern man ähnliche Regeln für Deutschland plane.