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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Steigende Inflation Diese Notenbanken haben die Zinsen bereits erhöht
EZB-Chefin Christine Lagarde steht unter Druck: Immer mehr Experten fordern wegen der steigenden Inflation höhere Zinsen. Ein Blick in andere Länder zeigt: Mit dem Festhalten an der ultralockeren Geldpolitik steht die EZB zunehmend alleine da.
Die Verbraucherpreise in Deutschland steigen weiter in rasantem Tempo. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag die Inflationsrate im Januar bei 4,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt Anfang dieser Woche mitteilte. Das ist nur etwas weniger als der Wert vom Dezember, als die Preise um durchschnittlich 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zugelegt hatten.
Experten hatten zuvor mit einem deutlicheren Rückgang der Inflation im neuen Jahr gerechnet. Lesen Sie hier mehr dazu. Auch in anderen Ländern zieht die Teuerung seit Monaten an. Als Hüter der Währungen stehen die Notenbanken deshalb weltweit unter Handlungsdruck. Denn sie können der Teuerung Einhalt gebieten, indem sie die Zinsen erhöhen.
Noch jedoch zögern die Europäische Zentralbank (EZB) sowie ihr US-Pendant Federal Reserve (Fed), diesen Schritt zu wagen. Andere Notenbanken sind da schon weiter. So haben etwa die Zentralbanken von Großbritannien, Ungarn oder Russland bereits reagiert. t-online gibt Ihnen einen Überblick.
Warum erhöhen viele Notenbanken die Zinsen?
Wegen der erhöhten Inflation. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern zieht die Teuerung derzeit an, in der Eurozone lag die Inflationsrate im Januar um 5,1 Prozent über dem Niveau vom Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch nach einer ersten Schätzung mitteilte.
In den USA waren die Verbraucherpreise im Dezember sogar um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Das war der höchste Wert seit 1982.
Ein probates Mittel im Kampf gegen steigende Preise ist eine Verringerung der Menge an Geld, das im Umlauf ist. Die Logik dahinter: Zirkuliert weniger Geld, ist der einzelne Euro wertvoller – und Händler und Produzenten von Waren können die Preise nicht mehr so schnell anheben.
Steigende Zinsen könnten Konjunktur abwürgen
Hier kommen die Zentralbanken ins Spiel. Als Währungshüterinnen können sie die Geldmenge auf zwei Arten reduzieren. Einerseits können sie weniger Geld drucken, das sie über den Kauf von Staatsanleihen in den Umlauf bringen; andererseits können sie die Zinsen erhöhen und damit den "Preis" des Geldes.
Denn für Unternehmen und Verbraucher wird es dann unattraktiver, Kredite aufzunehmen und das geborgte Geld über Anschaffungen und Investitionen in den Umlauf zu bringen. Stattdessen parken sie ihr Geld lieber auf Sparkonten, die bei höheren Zinsen wieder Renditen abwerfen. Die Folge: Es zirkuliert weniger Geld, die Preise steigen nicht weiter.
Doch diese Effekte bergen auch Risiken. Erhöhen die Notenbanken die Zinsen zu schnell, könnte das die Konjunktur abwürgen – ein schmaler Grat, auf dem sich EZB-Chefin Christine Lagarde und ihre Kollegen aktuell bewegen.
Welche Notenbanken haben die Zinsen schon erhöht?
Vor der EZB haben bereits eine ganze Reihe an Notenbanken auf die aktuelle Inflation reagiert und ihre Zinsen erhöht. Eine Übersicht:
- Großbritannien: Die Bank of England überraschte im Dezember viele Investoren und erhöhte ihren Leitzins von 0,1 Prozent auf 0,25 Prozent. Am Donnerstag hob sie den Zins erneut an: auf 0,5 Prozent.
- Polen: Die polnische Zentralbank hebt die Zinsen seit Oktober vergangenen Jahres an. Seit Anfang Januar liegt der Leitzins bei 2,25 Prozent – und damit 0,5 Prozentpunkte höher als einen Monat zuvor.
- Ungarn: Seit Juni 2021 erhöht die ungarische Zentralbank den Leitzins stetig. Ende Januar stieg er von 2,4 Prozent auf 2,9 Prozent an und damit deutlich stärker als Experten erwarteten.
- Tschechien: Im Juni 2021 hob die tschechische Notenbank ihren Leitzins das erste Mal in der Pandemie an, damals von 0,25 Prozent auf 0,5 Prozent. Seitdem zieht sie ihn rapide an. Erst kurz vor Weihnachten hob die Zentralbank ihn um 1 Prozentpunkt von 2,75 Prozent auf 3,75 Prozent an, Anfang Februar auf 4,5 Prozent.
- Russland: Auch Russland hat bereits im März 2021 die Zinsen wieder angehoben, nachdem sie in der Corona-Krise gesenkt worden waren. Seitdem passt die Zentralbank den Leitzins regelmäßig an – im Dezember stieg er von 7,5 Prozent im Oktober auf satte 8,5 Prozent.
- Südkorea: Die Bank of Korea hob im Januar bereits zum dritten Mal seit August 2021 ihren Leitzins an, um 0,25 Prozentpunkte. Er liegt damit bei 1,25 Prozent – und damit auf dem Niveau von Oktober 2019.
- Brasilien: Die brasilianische Notenbank erhöht ihre Zinsen seit Juni 2020. Anfang Februar hob sie den Leitzins von 9,25 Prozent auf 10,75 Prozent an, immerhin ein Plus von 1,5 Prozentpunkten.
- Südafrika: Ende November hob die südafrikanische Zentralbank ihren Leitzins erstmals seit Juli 2020 an – um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Zwei Monate später folgte die nächste Anhebung: Der Zinssatz stieg erneut um 0,25 Prozentpunkte auf 4 Prozent.
Die US-Notenbank Fed hat zwar die Zinsen noch nicht erhöht. Jedoch hat Fed-Chef Jerome Powell jüngst eine Straffung der Geldpolitik in Aussicht gestellt.
Er will den Leitzins, der aktuell in einer Spanne von 0,0 bis 0,25 Prozent rangiert, anheben. Angesichts der hohen Inflationsrate und der guten Lage am Arbeitsmarkt werde es "bald angemessen" sein, die Leitzinsen zu erhöhen.
Beachten Sie: Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir betrachten nur die Notenbanken, die die höchste Relevanz haben. Zudem gilt: Nicht jede Notenbank, die in der Übersicht auftaucht, hat einen klassischen Leitzins, sondern teilweise andere Zinssätze, die damit verglichen werden können. Der Einfachheit halber sprechen wir aber von Leitzinsen.
Was macht die EZB?
Aktuell noch nichts. Die EZB rechnet noch mit einem schrittweisen Abklingen des Preisdrucks. Entsprechend hat EZB-Chefin Christine Lagarde bislang einer Zinswende im laufenden Jahr eine Absage erteilt.
Den Leitzins hält die EZB bereits seit März 2016 bei 0,0 Prozent, auch am Donnerstag beließ sie ihn nach Sitzung des EZB-Rates bei dem Niveau. Auch der Einlagesatz, der bei minus 0,5 Prozent liegt, bleibt vorerst unverändert. Damit müssen Finanzinstitute weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Notenbank horten.
Allerdings: Lagarde hat bereits eingeräumt, dass sie die aktuelle Situation beobachtet und im Zweifelsfall die Geldpolitik strafft. Experten rechnen trotzdem nicht mit einer Zinsanhebung noch in diesem Jahr – zumindest bislang.
- Eigene Recherche
- global-rates.com
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters