Nach Drama um Diess So geht es jetzt bei Volkswagen weiter
Die Situation in Wolfsburg ist angespannt. Lieferengpässe und Chipmangel belasten die Produktion bei Volkswagen. Doch auch intern brodelt es. VW-Chef Herbert Diess musste um seinen Posten zittern.
Was ist los im Hexenkessel Wolfsburg? Auch für Volkswagen neigt sich das Jahr bald dem Ende zu. Dass es kein durchweg harmonisches für die Führung des Autogiganten war, zeigte sich im Rahmen der Aufsichtsratssitzung am heutigen Donnerstagnachmittag. Dort waren auch die vergangenen Querelen rund um VW-Chef Herbert Diess Thema.
Nach einem mehrwöchigen Machtkampf mit Teilen des Aufsichtsrats steht jetzt fest, dass Diess sein Amt behalten soll. Zusätzlich wird im neuen Jahr aber der Leiter der Kernmarke Volkswagen, Ralf Brandstätter, in den Vorstand aufrücken. Diess selbst kümmert sich demnach künftig in der größten europäischen Autogruppe vor allem um strategische Themen, etwa um die neue Software-Sparte Cariad.
t-online erklärt, wieso Diess sich in den vergangenen Monaten keine Freunde im Aufsichts- und Betriebsrat gemacht hat und was die aktuellen Entscheidungen für die Zukunft von VW bedeuten.
Was war der Auslöser des Konflikts?
Ende September drückte Diess auf einer Aufsichtsratssitzung seine Sorgen um die Zukunft des Konzerns aus. Sein Blick nach vorne ist vor allem von schneller Transformation zur Elektromobilität geprägt – und hat das US-Innovationsunternehmen Tesla als Blaupause (lesen Sie hier, welche Konzerne Tesla auf den Fersen sind). Während der Sitzung betonte Diess die zu geringe Auslastung im Stammwerk Wolfsburg und warnte vor großen personellen Veränderungen, die dem Konzern dahingehend bevorstünden.
- Aktueller Kurs: Wo steht die VW-Aktie gerade?
Für einen effizienten und temporeichen Modernisierungsprozess des Automobilherstellers zeichnete der VW-Chef dann ein Szenario mit konkreten Zahlen: 30.000 Arbeitsplätze weniger. Nach dieser Aussage breitete sich intern allgemeiner Unmut aus. Wohl auch, weil sie recht unerwartet kam und nicht abgesprochen war. Außerdem seien hinter dem Rücken der Belegschaftsvertretung diverse Spar- und Kürzungsvorschläge durchgerechnet worden.
Warum gibt es Ärger mit dem Betriebsrat?
Später dementierte Diess sein Drohszenario und rudert zurück – das Vertrauensverhältnis zum Betriebsrat schien aber bereits stark angeschlagen zu sein. Das ist nicht das erste Mal. Auch mit dem ehemaligen Betriebsratschef Osterloh gab es zuvor Reibereien, die einer belasteten Beziehung zwischen Nachfolgerin Daniela Cavallo und Herbert Diess wohl den Weg ebneten (lesen Sie hier, wie es zu den Verwerfungen kam).
Mit seinen öffentlichen Aussagen eckte Diess an und riskierte den konzerninternen Rückhalt. Zwar schienen die Wogen nach außen hin geglättet, hinter verschlossenen Türen aber blieb die Lage weiterhin angespannt. So kam ein Vermittlungsausschuss des Aufsichtsrats mehrere Male zusammen, um die zukünftige Rolle des VW-Chefs in der Konzernführung zu beratschlagen. Die Ergebnisse über entscheidende Personalfragen werden nach der heutigen Aufsichtsratssitzung bekanntgegeben.
Muss Herbst Diess gehen?
Nein, Herbert Diess bleibt in der Chefetage von Volkswagen, aber dennoch wird gibt es Veränderungen an der Konzernspitze. VW-Markenchef Ralf Brandstätter rückt zum Jahresanfang in den Konzernvorstand auf und übernimmt das neue Ressort "Volkswagen Pkw". Diess soll im kommenden Jahr zudem die Leitung des wichtigen China-Geschäfts an Brandstätter abgeben. Die Absatzprobleme wirkten sich insbesondere auf die Geschäfte in China aus. Dort sanken die Auslieferungen zuletzt um 41,8 Prozent.
Damit wird Diess sich in Zukunft den Vorstand mit Brandstätter und dem Chefjuristen Manfred Döss teilen. Er selbst behält aber die Verantwortung für die Volumenmarken und wird oberster Chef der Software-Tochter Cariad. Diess muss also in einigen Einflussfeldern abtreten, nicht aber seinen Posten, denn formal bleibt er VW-Chef.
Welche Änderungen stehen VW bevor?
Die Zukunft des Konzerns wird weiterhin auf den Ausbau von Elektromobilität ausgerichtet sein. So wird es eine Zusammenarbeit mit der Recycling- und Materialtechnik-Firma Umicore geben und auch mit dem Start-up 24M werde VW künftig gemeinsame Sache machen.
Der Aufsichtsrat segnete am Donnerstag nach wochenlangem Hin und Her mit dem Betriebsrat ein knapp 160 Milliarden Euro schweres Budget für die kommenden fünf Jahre ab, mit dem Diess den Umbau von Volkswagen zu einem Technologieanbieter nach dem Vorbild des US-Elektroautobauers Tesla beschleunigen kann.
In dem neuen Investitionsplan für die Jahre 2022 bis 2026 machen Zukunftsinvestitionen, in erster Linie für Elektromobilität und Digitalisierung, mit 89 Milliarden Euro erstmals den größten Anteil der Gesamtinvestitionen von 159 Milliarden Euro aus. Volkswagen peilt an, dass im Jahr 2026 jedes vierte verkaufte Fahrzeug einen batterie-elektrischen Antrieb hat.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters