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Rente mit 68? So realistisch ist der umstrittene Vorschlag


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Umstrittener Vorschlag
Wie realistisch ist die Rente mit 68?


Aktualisiert am 08.06.2021Lesedauer: 5 Min.
Eine Seniorin (Symbolbild): Gehen wir künftig deutlich später in Rente?Vergrößern des Bildes
Eine Seniorin (Symbolbild): Gehen wir künftig deutlich später in Rente? (Quelle: Norbert Schmidt/imago-images-bilder)

Ein Expertengremium des Wirtschaftsministeriums hat eine Debatte über die Rente ausgelöst: Künftig sollten die Deutschen später mit dem Arbeiten aufhören. t-online erklärt, was es mit dem Vorschlag auf sich hat.

Wenige Themen polarisieren so stark wie die gesetzliche Rente: Seit Jahren warnen Experten vor einem Kollabieren der Rentenversicherung und fordern deshalb einen Umbau des Systems. Die Politik sträubt sich bislang dagegen.

Nun sorgte ein neuer Vorschlag erneut für eine kontroverse Debatte. Das Brisante: Er kommt nicht irgendwoher, sondern aus von einem Beratergremium des Wirtschaftsministeriums von Peter Altmaier (CDU). Konkret schlagen die Experten vor, das Rentenalter auf 68 anzuheben – und das mitten im aufziehenden Bundestagswahlkampf. t-online erklärt, was die Experten fordern und wie realistisch der Vorschlag überhaupt ist.

Was ist das Problem mit der Rente?

Die gesetzliche Rente ist umlagefinanziert. Das heißt: Heutige Erwerbstätige zahlen mit ihren Beiträgen die Rente der heutigen Senioren. Ihre Rente wird dagegen von den künftigen Arbeitnehmern gezahlt. Das nennt man auch "Generationenvertrag".

Allerdings setzt der demografische Wandel dieses System unter Druck. Auf immer mehr Beitragsempfänger kommen in der Zukunft immer weniger Beitragszahler. Das Problem verschärft sich, wenn in wenigen Jahren die sogenannten Babyboomer in Rente gehen. Das heißt: Dann gibt es Millionen mehr Beitragsempfänger als Rentenzahler.

Die Folge: Die Beiträge drohen zu steigen, während gleichzeitig das Rentenniveau sinken könnte – sofern der Staat das Rentensystem nicht noch stärker als aktuell mit Steuermitteln aus dem Bundeshaushalt unterstützt.

Für Sie als Rentner bedeutet ein Absinken des Rentenniveaus zwar nicht automatisch, dass Ihre individuell gezahlte Rente sinkt. Sie steigt aber langsamer als die Einkünfte der Rentenbeitragszahler. Die Folge: Verglichen mit den Jüngeren können sich Ältere womöglich weniger leisten.


Bis 2025 gilt dabei, dass das Rentenniveau nicht unter 48 Prozent des aktuellen Durchschnittslohns der Deutschen fallen darf. Auch die Beitragshöhe ist bis zu diesem Jahr begrenzt. Hier ist eine Haltelinie eingezogen, weiter als 20 Prozent darf der Satz bis 2025 nicht ansteigen.

Genau das aber sehen Altmaiers Berater kritisch. Mit den Haltelinien beim Rentenniveau und beim Beitragssatz sowie mit zusätzlichen Leistungen wie Mütter- und Grundrente wie auch der Rente mit 63 habe der Bund der Rentenkasse zusätzliche Lasten aufgebürdet. Der Rentenversicherung drohe daher ein "Finanzierungsschock".

Und die Corona-Krise habe der Rentenkasse zusätzlich zugesetzt, sagte der Beiratsvorsitzende Klaus Schmidt bei der Vorstellung des Gutachtens. "Die Pandemie hat dazu geführt, dass der Schock früher einsetzt und dass er stärker ausgeprägt sein wird."

"Es braucht jetzt eine Rentenreform"

Johannes Geyer, Rentenexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), ist ähnlicher Meinung, schränkt jedoch auch ein. "Ich halte die Wortwahl für übertrieben", sagte er t-online. "Ein 'Schock' suggeriert, dass es etwas Unvorhergesehenes ist, das auf uns zukommt. Das ist es nicht, die jetzigen Entwicklungen sehen wir seit Jahren kommen."

Auch die Folgen der Corona-Krise für die Rente hält Geyer für "überschaubar". Im Grunde habe der Beirat jedoch recht, so der Ökonom: "Die Beiträge werden künftig steigen, das Rentenniveau wird sinken. Es braucht jetzt eine Rentenreform."

Was ist der Vorschlag der Experten?

Die Expertinnen und Experten schlagen vor, das Renteneintrittsalter zu verlängern. In Deutschland hängt die Regelaltersgrenze vom Geburtsjahrgang ab. Geht man früher in Rente, muss man in der Regel mit bisweilen hohen Abschlägen auf die Rentenzahlungen rechnen.

Für alle ab 1964 Geborenen gilt die Regelaltersgrenze von 67 Jahren. Nur für Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1947 geboren wurden, gilt noch die Rente mit 65 Jahren. Für alle Jahrgänge zwischen 1947 und 1964 gilt eine gestaffelte Regelung. Bis jetzt wird die Altersgrenze für die Rente ohne Abschläge bis 2029 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Danach sollte es nach geltender Rechtslage dabei bleiben.


Die Experten warnen nun davor, dass das Renteneintrittsalter langfristig nicht von der Entwicklung der Lebenserwartung abgekoppelt werden könne. "Stattdessen müssen die zusätzlichen Lebensjahre nach einer klaren Regel zwischen mehr arbeiten und länger Rente beziehen aufgeteilt werden."

Im Jahr 2042 Rente mit 68?

Dafür solle es eine "dynamische Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung" geben. Gemäß den derzeitigen Prognosen der Lebenserwartung würde mit einer solchen Regel das Rentenalter im Jahr 2042 mit 68 Jahren erreicht, sagte der Direktor am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München, Axel Börsch-Supan. Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen wollen die Experten davon ausnehmen.

Umgekehrt gebe es aber schon jetzt viele Menschen, die gerne länger arbeiten wollen, dies aber etwa wegen tariflicher Regeln nicht dürften. Deshalb solle ein begrenztes Weiterbeschäftigungsrecht eingeräumt werden, solange nicht betriebliche Gründe dagegensprechen.

Zudem wollen die Experten künftige Rentenerhöhungen begrenzen. Dafür beschreibt das Gremium zwei Wege: Der erste besteht darin, Bestandsrenten weniger stark zu erhöhen als neue Renten.

Als zweiten Weg schlagen die Experten ein Modell vor, das zu einer relativen Aufwertung geringer Renten gegenüber höheren führen soll – und daher die Gefahr von Altersarmut eindämmt.

Wie realistisch ist die Rente mit 68?

Sehr – und zwar unabhängig vom aktuellen Vorschlag der Altmaier-Berater. Denn schon vor ihnen hatten Deutschlands führende Wirtschaftsforscher einen solchen Schritt vorgeschlagen. Jochen Pimpertz, Rentenexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), hält die Pläne für "notwendig und realisierbar".

"Angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels brauchen wir ein späteres Renteneintrittsalter", sagte der Ökonom und stellt auf Deutschlands Nachbarländer ab. "In den Niederlanden liegt das Regelalter bereits heute bei 67 Jahren, in Dänemark soll es bis 2030 auf 68 Jahre steigen, so Pimpertz. Man sollte daher sogar über ein Rentenalter über 68 Jahre hinaus sprechen, sagte er.

Ökonom: "Beamte könnten in der Zukunft in die Rente einzahlen"

Ökonom Geyer sieht den Vorschlag dagegen etwas kritischer. "Die Idee, das Renteneintrittsalter anzuheben, ist nicht neu. Die Lebenserwartung nimmt zu. Das ist ein naheliegender Weg, um die Rente finanziell zu unterstützen." Doch es gelte: "Ob die Rente dauerhaft allein durch ein höheres Rentenalter ohne steigende Beiträge finanziert werden kann, bezweifle ich jedoch."

Hier brauche es weitere Ideen, so Geyer. "Beispielsweise muss man fragen, ob Selbstständige künftig pflichtversichert in der gesetzlichen Rente sind. Auch Beamte könnten in der Zukunft in die Rente einzahlen."

Vorschläge für eine Rentenreform gibt es bereits einige. So schlugen mehrere CDU-Politiker vor, ein individuelles Renteneintrittsalter zu etablieren. Auch die FDP sorgte Anfang 2021 mit dem Vorschlag für Aufsehen, eine Aktienrente als Teil der gesetzlichen Rente einzuführen – und warb dafür, flexibler zu gestalten.

Scholz: "Horrorszenario"

Die CSU lehnt ein späteres Renteneintrittsalter ab. Nötig sei vielmehr eine Diskussion über eine gute Rente im Alter in Kombination mit einer Stabilisierung des Rentenniveaus und einer Stärkung der privaten Vorsorge, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

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Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wehrt sich gegen die Vorschläge. "Ich stehe dafür, dass wir keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters, des gesetzlichen, diskutieren", sagte der Bundesfinanzminister am Dienstag beim SPD-Wirtschaftsforum. Scholz sprach von einem Horrorszenario, das dazu dienen solle, "Rentenkürzungen durchzusetzen, für die es in dieser Zeit keinen Anlass gibt".

Linke: "Das ist der asoziale Oberhammer"

Auch die Linke stemmt sich gegen die Idee. "Das ist der asoziale Oberhammer", sagte Linksparteichefin Susanne Hennig-Wellsow der Deutschen Presse-Agentur. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müsse das entsprechende Gutachten seiner Berater "sofort kassieren", "sonst beginnt morgen der Rentenwahlkampf".

Ökonom Geyer hofft das indes. "Eine Rentenreform ist ein gefährliches Thema: Politiker machen sich damit nicht beliebt. Doch jetzt ist eine Reform notwendig, die mehr als zehn Jahre umfasst."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Wissenschaftlicher Beirat beim BMWi: "Vorschläge für eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung"
  • Gespräch mit Johannes Geyer
  • Gespräch mit Jochen Pimpertz
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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