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Corona-Impfstoff von Biontech: Wer steckt hinter dem Konzern?


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Gründer von Biontech
Auf diesem Ehepaar ruht die deutsche Impfstoff-Hoffnung


Aktualisiert am 11.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Uğur Şahin und Özlem Türeci: Das Ehepaar arbeitet an einem Corona-Impfstoff.Vergrößern des Bildes
Uğur Şahin und Özlem Türeci: Das Ehepaar arbeitet an einem Corona-Impfstoff. (Quelle: Sämmer/imago-images-bilder)
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Das deutsche Unternehmen Biontech will noch im November die Zulassung für einen Impfstoff gegen das Coronavirus beantragen. Die Chancen für das Mittel stehen gut. Doch wer steckt hinter dem milliardenschweren Konzern?

Die frohe Botschaft kam zur Mittagszeit: Um kurz vor 13 Uhr verkündete am Montag das deutsche Unternehmen Biontech, noch im November die beschleunigte Zulassung für einen Corona-Impfstoff zu beantragen. Das Mittel, das Biontech gemeinsam mit dem Pharmariesen Pfizer entwickelt, sei zu mehr als 90 Prozent wirksam.

An der Börse sorgte diese Nachricht für Euphorie: Die Aktien der Firma zogen zweistellig an. Der Dax legte um sechs Prozent zu. Viele Aktien kletterten auf ihren höchsten Wert seit März. Endgültig ist aus Biontech damit der Hoffnungsträger der Impfstoffforschung geworden, ein Unternehmen, auf das jetzt die ganze Welt schaut.

Wie ist es dazu gekommen? Und vor allem: Wer sind die Triebkräfte hinter der Firma, die bis vor einem Jahr noch kaum jemand kannte?

Biontech-Gründer ist Sohn türkischer Gastarbeiter

Biontech ist kein klassisches, bekanntes Pharmaunternehmen. Seinen Sitz hat es nicht in einer amerikanischen Millionenstadt, sondern im beschaulichen Mainz. "An der Goldgrube 12" lautet die Adresse der Firma – obwohl nichts in der Nachbarschaft wirklich glanzvoll wirkt: Die Straße teilt sich Biontech mit einem Fahrradgeschäft, einer Postfiliale und einem Dönerimbiss.

Wenig bekannt waren bis zuletzt auch die Köpfe hinter Biontech, die Mediziner Uğur Şahin, 55, und Özlem Türeci, 53. Şahins Eltern kamen aus der Türkei nach Deutschland, da war er gerade vier Jahre alt. Sein Vater arbeitete bei Ford in Köln.

Dort, an der Uniklinik, studierte Şahin nach dem Abitur Medizin. Während seine Freunde nach der Uni nach Hause gingen und ihre Freizeit genossen, arbeitete Şahin noch weiter im Labor, erzählte er einst bei einer Preisverleihung. Bis morgens 4 Uhr habe er manchmal im Labor gestanden, so Şahin.

Seine Frau Özlem Türeci, ebenfalls Ärztin, wuchs die ersten vier Lebensjahre bei ihrem Großvater in Istanbul auf und kam dann nach Cloppenburg, wo ihr Vater als Arzt in einem kleinen katholischen Krankenhaus arbeitete. Bereits als Kleinkind schaute Türeci bei Blinddarmoperationen zu. Von sich selbst sagte sie einst: "Ich bin eine preußische Türkin."

Die beiden, die mittlerweile eine gemeinsame Tochter haben, lernten sich auf der Krebsstation des Krankenhauses im saarländischen Homburg kennen. Şahin arbeitete dort als Arzt, Türeci befand sich in den letzten Zügen ihres Medizinstudiums.

Vor 20 Jahren gründeten sie die erste Firma

2001 zogen die beiden nach Mainz, wo sie zunächst an der Uni arbeiteten. Weil es dort aber nicht genug Geld für ihre Krebsforschung gab, gründeten sie mit Partnern und Investoren ihre erste Firma: Ganymed Pharmaceuticals.

Seinen Namen hatte das Unternehmen dabei nicht aus der griechischen Mythologie – Ganymed, der als "Schönster der Sterblichen" vom Göttervater Zeus geliebt wird. Vielmehr leitet sich die Bezeichnung aus dem Türkischen ab. Ganymed steht für so viel wie "was man sich durch schwere Arbeit erkämpft hat."

Die Firma entwickelte Antikörper gegen Krebszellen – das Spezialgebiet von Şahin und Türeci. 2016 verkauften die beiden das Unternehmen für mehr als 400 Millionen Euro an die japanische Pharmafirma Astellas.

Biontech forscht seit Januar am Impfstoff

Bereits zuvor, im Jahr 2008, gründeten Şahin und Türeci dann Biontech mit (Eigenschreibweise "BioNTech"), ein Unternehmen mit mittlerweile mehr als 1.000 Mitarbeitern, das Immuntherapien gegen Krebs entwickelt. Şahin wurde Vorstandsvorsitzender, Türeci leitet die Abteilung für klinische Entwicklung.

Hier arbeiten die Wissenschaftler vor allem an Medikamenten auf sogenannter mRNA-Basis. Verkürzt gesprochen heißt das: Der Körper soll als "Maschine" genutzt werden, um Antigene gegen Krebs zu produzieren – eine Vorgehensweise, die auch jetzt im Kampf gegen Covid-19 vielversprechend erscheint.

Auf diese Weise lassen sich nämlich nicht nur Tumore therapieren. Auch der Impfstoff, der bald zugelassen werden soll, basiert auf dieser Methode. Als die Pandemie ausbrach, reagierten Şahin und Türeci sofort: Das Ehepaar verlagerte den Fokus ihrer Forschung, seit dem Frühjahr konzentriert sich Biontech auf die Bekämpfung des Coronavirus.

Weltweit 50 Millionen Dosen – noch 2020

Das Mittel mit dem komplizierten Namen "BNT162b2" war von Biontech im Projekt "Lightspeed" (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Januar entwickelt worden. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz soll dann eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht werden.

Ein Vorteil von RNA-Impfstoffen ist, dass sie wesentlich schneller als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen bereitzustellen, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen.

Şahin gehört zu den reichsten Deutschen

Für Şahin, der 18 Prozent des Unternehmens hält, macht sich das auch finanziell bemerkbar. Im Herbst 2019 ging Biontech an die Tech-Börse Nasdaq in den USA – und wurde zunächst mit rund 3,5 Milliarden US-Dollar bewertet. Inzwischen, dank der Forschung zum Coronavirus, ist Biontech rund 20 Milliarden Dollar wert. Im Oktober meldete die "Welt am Sonntag", dass Şahin unter die 100 reichsten Deutschen aufstieg – mit einem Vermögen von 2,4 Milliarden Euro.

Doch darum geht es Şahin und Türeci nicht, sondern um die Wissenschaft. Die beiden haben immer noch ihre Krebspatienten im Blick. "Ich hoffe, dass wir Risikogruppen wie unsere Krebspatienten, die sich teilweise gar nicht mehr auf die Straße trauen, wieder Kontakt zu Mitmenschen ermöglichen", sagte Şahin unlängst.

Als Vorstandsvorsitzender von Biontech gibt sich Şahin bescheiden. Statt Limousine fährt Şahin immer noch Rad. Der Investor von Biontech, Thomas Strüngmann, sagte dem "Handelsblatt", Şahin und Türeci seien "Ausnahmeerscheinungen mit dem, was sie an wissenschaftlichen Grundlagen für die Firma geschaffen haben und mit welcher Passion sie das vorantreiben." Sie hätten nie "die Monetarisierung in den Vordergrund gestellt."

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Bis heute forscht und lehrt Şahin als Professor für experimentelle Onkologie an der Uniklinik. Auch Türeci lehrt noch als Privatdozentin an der Uni Mainz. Die beiden unterrichten Studenten, die mal das werden wollen, was sie einst wurden: Mediziner, die die Forschung in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellen.

Sinnbildlich für dieses Wirken steht eine Anekdote: Am Tage ihrer standesamtlichen Hochzeit standen beide morgens noch im Labor. Und anstatt nach der Hochzeit mit Familie und Freunden zu feiern, kehrten sie anschließend auch wieder dorthin zurück. Die Hoffnung auf einen Corona-Impfstoff – sie könnte dank dieses Ehepaares in Erfüllung gehen.

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