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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vonovia-CEO Buch "Enteignungen lösen das Problem hoher Mieten auf Dauer nicht"
Zweimal schon ist Vonovia-Chef Rolf Buch mit der Übernahme des Konkurrenten Deutsche Wohnen gescheitert. Jetzt aber soll alles klappen. Was das für Mieter und Anleger heißt, erklärt er im t-online-Interview.
Das Beben kam nachts und es kam überraschend: Per Pressemitteilung verkündeten am späten Montagabend die Nummer eins unter den deutschen Wohnungsunternehmen, Vonovia, und die Nummer zwei, Deutsche Wohnen, dass sie sich auf einen Zusammenschluss geeinigt hätten. 18 Milliarden Euro will Vonovia ausgeben, um im dritten Übernahme-Anlauf als Mehrheitsaktionär aus bislang zwei Dax-Konzernen einen zu machen.
Klappt alles, glückt die Fusion, würden dem neuen Großkonzern mehr als eine halbe Million Wohnungen in Deutschland gehören. Dafür jedoch müssen zuerst genügend Aktionäre ihre Deutsche-Wohnen-Aktien verkaufen, dann müssen die Kartellbehörden zustimmen. Und auch wenn die Politik bei dem Vorhaben kein Wort mitzusprechen hat – der neue Wohn-Riese ist angesichts der Diskussionen über strengere Gesetze gegen steigende Mieten auch auf einen guten Austausch mit den Regierungen angewiesen.
Entsprechend bemühten sich am Dienstag sowohl Vonovia-Chef Rolf Buch als auch Deutsche-Wohnen-CEO Michael Zahn um gute Stimmung: In Berlin, einem Kernmarkt beider Firmen, wollen Sie die Mieten freiwillig deckeln, 20.000 Wohnungen sollen an den Berliner Senat verkauft werden, bis 2023 sind zudem alle Mitarbeiter vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt.
Warum das alles? Und vor allem: Wieso gerade jetzt? Im Gespräch mit t-online steht Vonovia-Chef Buch Rede und Antwort.
t-online: Herr Buch, als Daimler und Chrysler einst fusionierten, war die Rede von der "Hochzeit im Himmel". Welchen Namen trägt der geplante Zusammenschluss von Vonovia und Deutsche Wohnen?
Rolf Buch: Einen solch knackigen Begriff habe ich mir noch nicht überlegt. Ich würde sagen: Jetzt kommt zusammen, was zusammengehört. Als wir vor sechs Jahren die Übernahme der Deutsche Wohnen anstrebten, war die Situation noch anders. Damals hat die Deutsche Wohnen unter Michael Zahn den Prozess als nicht freundlich empfunden. Das stimmte auch, das war nicht die schlaueste Herangehensweise von mir. Aber jetzt passt alles, jetzt machen wir gemeinsam das, was sinnvoll ist.
Damals scheiterten Sie an den Aktionären. Wie groß ist Ihre Angst, dass dieses Mal die Kartellbehörden Nein sagen?
Da habe ich keine Bedenken.
Sie schließen also aus, dass Sie nach einer Fusion in manchen Städten zu groß, zu mächtig sein könnten, wie es einzelne Ökonomen jetzt schon unken?
Natürlich kann ich nicht für die Behörden sprechen. Es ist auch richtig, dass sie das genau prüfen. Aber selbst in Berlin, dem einzigen für diesen Fall relevanten Einzelmarkt, hätten wir nach dem Zusammenschluss bei Weitem keinen beherrschenden Marktanteil. Da bin ich völlig entspannt.
Warum haben Sie sich eigentlich so lange Zeit gelassen – was macht die Fusion gerade jetzt so attraktiv für beide Unternehmen?
Das lag vor allem daran, dass in Berlin Unklarheit über den Mietendeckel herrschte. Erst jetzt, wo er nicht mehr gilt, konnte die Deutsche Wohnen den Schritt vernünftigerweise wagen, vorher wären die Rahmendaten unklar gewesen. Einerseits bot sich nun also eine Chance. Andererseits sind die Herausforderungen der gesamten Branche so groß, dass wir schnell handeln wollten.
Deutschlands größter Vermieter
Rolf Buch, Jahrgang 1965, ist seit 2013 Chef von Deutschlands größtem Wohnungskonzern Vonovia. Zuvor war er viele Jahre in verschiedenen Führungspositionen für den Bertelsmann-Konzern tätig. Buch führte das Bochumer Unternehmen Vonovia, das früher unter dem Namen Deutsche Annington firmierte, an die Börse und 2015 in die erste deutsche Börsenliga, den Dax. Marktanalysten verbinden den Erfolg des Konzerns unmittelbar mit ihm, Kritiker werfen ihm vor, hohe Mietsteigerungen zugunsten des Firmengewinns durchgedrückt zu haben. Buch ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Was genau meinen Sie damit?
Die Wohnungswirtschaft muss drei zentrale Fragen beantworten: Wie bekämpfen wir den Klimawandel, etwa mit neuen nachhaltigen Heizsystemen und Gebäudemodernisierung? Wie schaffen wir guten Wohnraum für eine Gesellschaft, die immer älter wird? Und wie sorgen wir dafür, dass Wohnen in Deutschland weiterhin bezahlbar bleibt? Diese drei Probleme lassen sich zusammen deutlich besser lösen als allein. Etwa durch gemeinsame Forschung, aber auch dadurch, dass wir zusammen unserer Verantwortung für die Gesellschaft gerecht werden.
Und indem Sie Kosten sparen. Knapp 105 Millionen Euro sollen es jährlich sein. Wie viele Mitarbeiter müssen dafür gehen?
Interessant, dass Sie bei Einsparpotenzialen gleich auf die Mitarbeiter abzielen. Sicher, bei anderen Unternehmen, die sehr personalintensiv sind, liegt das nahe – in unserem Fall aber greift die Frage zu kurz. Die Einsparungen drehen sich bei uns vielmehr um IT-Kosten, Sachkosten, Materialkosten, zum Beispiel beim Einkauf von Baustoffen: Wir investieren zusammen jährlich rund zwei Milliarden Euro, selbst kleine prozentuale Einsparungen machen da schon sehr viel Geld aus.
Warum haben Sie dann überhaupt das Versprechen abgegeben, bis 2023 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten?
Weil wir nicht wollten, dass bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ängste aufkommen, die im Zuge eines solchen Prozesses erst einmal normal sind. Tatsächlich werden wir das Gegenteil erleben: In der Summe werden wir langfristig sogar mehr Menschen beschäftigen als heute. Ein Grund dafür ist, dass Vonovia die Strategie verfolgt, möglichst viel selbst zu machen, statt Aufträge an Externe zu vergeben. Das würde sich dann auch bei der Deutschen Wohnen niederschlagen und zu Einstellungen führen.
Bei Mietern ist der Ruf der Deutschen Wohnen sehr schlecht, der von Vonovia nur wenig besser. Sie betonen nun Ihre Verantwortung für die Mieter, proklamieren einen "Neuanfang". Wie wollen Sie konkret dafür sorgen, dass die Mieten in Deutschland bezahlbar bleiben?
Stark steigende Mieten sind ein riesiges Problem, besonders in den Großstädten. Viele Menschen haben Angst vor steigenden Mieten. Die wollen wir ihnen nehmen. Ich will, dass die Mieter in den Städten keine Angst haben müssen. Konkret haben wir – neben mehr Neubau – für Berlin zugesagt, dass wir die Bestandsmieten in den kommenden drei Jahren nur noch um maximal 1 Prozent jährlich anheben wollen, was weniger ist als die Inflationsrate. Für weitere zwei Jahre orientieren wir uns dann bei den Mieten in Berlin an der Inflation.
Das gilt aber nur bis ins Jahr 2026.
Richtig. Doch auch danach gilt: Die Mieten können auf Dauer nicht schneller steigen als die Löhne. Das geht nicht, das ist nicht nachhaltig.
Ihre Aktionäre, die auf Dividenden schielen, dürften das nicht besonders toll finden. Warum sollte ich als Anleger künftig noch Aktien von Vonovia kaufen?
Weil Sie als Anleger sicherlich sehr genau wissen, dass es für die langfristige Perspektive ein nachhaltiges Geschäftsmodell braucht. Wir müssen sicher sein, dass die Mieten auch in 30 Jahren noch fließen. Und das bedeutet auch, dass die Gesellschaft unser Geschäftsmodell akzeptieren muss. Unsere Aktionäre verstehen das im Übrigen auch.
Bei der Deutsche Wohnen wirkte das in der Vergangenheit anders. Wie viel Überzeugungsarbeit mussten Sie da bei Herrn Zahn leisten?
Nicht besonders viel. Diese Erkenntnis, dass es einen Neustart braucht, ist sowohl bei Michael Zahn als auch bei mir schon lange gereift.
Das heißt, so wie bei Vonovia müssen auch die Berliner Mieter der Deutsche Wohnen die Miete, die sie durch den Mietendeckel gespart haben, nicht mehr zurückzahlen?
Momentan sind beide Unternehmen noch gänzlich selbstständig. Die Entscheidungen, die das Management der Deutsche Wohnen getroffen hat, gelten also uneingeschränkt weiter. Mit Blick nach vorne aber wird sich hier, so der Zusammenschluss klappt, natürlich eine gemeinsame Haltung entwickeln.
Allein aus Imagegründen läge es nahe, wenn Sie sich zudem auch einen neuen gemeinsamen Namen gäben. Wird es die Firma "Deutsche Wohnen" künftig nicht mehr geben?
Für diese Frage ist es jetzt noch zu früh. Das hängt maßgeblich davon ab, wie viele Aktien wir bekommen und was dann weiter passiert. Im Moment gibt es die Aktiengesellschaft Deutsche Wohnen SE – und per Definition ist sie natürlich auch dann noch an der Börse notiert, wenn Vonovia zum Mehrheitsaktionär würde. Alles Weitere muss sich noch zeigen.
Die Initiative "DW Enteignen" muss sich also erst einmal nicht umbenennen. Wollen Sie mit den Initiatoren des Volksbegehrens in Berlin das Gespräch suchen?
Wir sind immer gesprächsbereit. Doch Eines ist klar: Enteignungen lösen das Problem hoher Mieten auf Dauer nicht. Für meine Begriffe ist die Enteignungsdebatte vor allem ein Symptom der Angst, die viele Menschen haben – und die wir ihnen nehmen wollen. Denn mit unserem Versprechen für Berlin stabilisieren wir auch den Mietspiegel in der ganzen Stadt. Dadurch können auch andere Vermieter die Miete nicht mehr so stark anheben. Meine Hoffnung ist, dass das auch die Anhänger des Volksbegehrens verstehen.
Herr Buch, ich danke Ihnen für das Gespräch.
- Telefoninterview mit Vonovia-Chef Rolf Buch