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Kolumne: Warum Versager im Ministersessel Deutschland gut tun


Kolumne zur Wirtschaftspolitik
Warum manche Politikversager Deutschland gut tun

Meinungt-online, Ursula Weidenfeld

12.09.2017Lesedauer: 3 Min.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) ist nicht für ihren Aktionismus bekannt.Vergrößern des Bildes
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) ist nicht für ihren Aktionismus bekannt. (Quelle: Axel Schmidt/Reuters-bilder)

Deutsche Wirtschaftsminister sorgen oft für wenig Furore. Weshalb das für die Industrie gut sein kann, erklärt t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.

Von unseren Wirtschaftsministern erwarten wir Großes. Wer auf dem Stuhl des legendären ersten bundesdeutschen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard Platz nehmen will, hat vor allem drei Aufgaben: Er soll die Marktwirtschaft entschlossen verteidigen, die Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns überlegt definieren, und den Wettbewerb mit Zähnen und Klauen verteidigen.

Unternehmer, Wirtschaftsprofessoren und Industrieverbände verlangen deshalb nach richtungweisenden Persönlichkeiten - und beklagen sich bitter, wenn jemand mit dem Amt betraut wird, der nicht in Erhards Fußstapfen passt. Dumm nur, dass die Daten der jüngeren Vergangenheit eher für die Versager zu sprechen scheinen: Je schwächer der Minister, desto besser die wirtschaftliche Entwicklung.

Kennen Sie noch Bangemann und Haussmann?

Kaum ein Wirtschaftsminister wurde (zu Recht) schneller vergessen als Martin Bangemann (FDP), der in den späten achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts die wirtschaftspolitischen Leitlinien des Landes bestimmen sollte. Er tat sich so schwer auf dem Posten, dass er bald in die EU-Kommission nach Brüssel verbannt wurde.

Ebenso erfolglos war sein Nachfolger, Helmut Haussmann (FDP). Ein anständiger Mann, sagen heute noch viele, aber ein zupackender Wirtschaftsminister? Nein, das sei er nie gewesen. Und doch gelten die Jahre vor 1990 im Rückblick als Zeit anhaltenden Wachstums, niedriger Arbeitslosigkeit und gelungenen sozialen Ausgleichs.

Dasselbe Bild zeigt sich vor den Bundestagswahlen des Jahres 2013. Philipp Rösler (FDP) war Wirtschaftsminister im zweiten Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die FDP scheiterte mit nahezu allen wirtschaftspolitischen Reformvorhaben, abgesehen von der verunglückten Mehrwertsteuerermäßigung für Hotels.

Die Quittung dafür war deutlich: Die Partei scheiterte bei den vergangenen Bundestagswahlen an der Fünfprozenthürde und schied aus dem Bundestag aus. Ökonomisch jedoch stehen die Jahre zwischen 2011 und 2013 für den Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft nach der Finanzkrise und für eine gelungene Konjunkturpolitik.

Aktionismus kann schädlich sein

Und heute? Von Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) ist wenig zu hören. Die frühere Justizministerin war schon auf dem Weg in den Ruhestand, als Sigmar Gabriel im Januar den Ministerposten räumte, weil er lieber das Auswärtige Amt leiten wollte. Zypries rückte auf und verblüfft seitdem Freund und Feind mit ihrer persönlichen Altersteilzeitsregelung.

Der Wirtschaft aber schadet das nicht. Seit Januar zieht die Konjunktur wieder an, die Wachstumserwartungen werden monatlich nach oben korrigiert, die Arbeitslosenquote ist ähnlich niedrig wie vor der Wiedervereinigung.

Politische Erfolglosigkeit hat für die Unternehmen, die Arbeitnehmer und Aktionäre also eine erfreuliche Kehrseite. Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht verändern, müssen keine Extra-Formulare ausgefüllt, keine neuen Kosten kalkuliert, oder Softwareupdates gekauft werden. Die Unternehmen können planen, arbeiten und wachsen. Politischer Aktionismus dagegen stört.

Besonders deutlich wurde das in der Energiepolitik, die seit vier Jahren zum Beritt des Wirtschaftsministers gehört. In der vergangenen Legislaturperiode gab es nahezu jährlich eine Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, jedes Jahr veränderten sich die Investitionsbedingungen und die Preise. Mal wurde Windenergie zum Festpreis gekauft, dann wieder sollte es eine Ausschreibung geben. Mal wurde Biogas gefördert, dann wieder wurde die Förderung für die Energielieferanten vom Land energisch zurückgefahren. Mal plante der Wirtschaftsminister eine Extra-Steuer für Kohlekraftwerke, dann ließ er es doch lieber bleiben. Für die deutsche Industrie waren das schlechte Nachrichten. Die energieintensiven Branchen investieren heute lieber im Ausland. Man weiß ja nie, was dem nächsten Wirtschaftsminister noch einfällt.

Es kommt auf die Rahmenbedingungen an

Ein guter Wirtschaftsminister ist also einer, der gar nichts tut? So einfach ist die Sache leider auch wieder nicht. Wenn die Wirtschaft einbricht und die Arbeitslosigkeit steigt, ist es gut, wenn jemand Minister ist, der etwas von der Sache versteht. Träge Wirtschaftsminister hingegen kann ein Land prima vertragen, wenn es gerade keine anderen Probleme hat.

So wie Deutschland jetzt.

Ursula Weidenfeld, Gründungsmitglied der Financial Times Deutschland und ehemalige Chefredakteurin der Zeitschrift impulse, analysiert in ihrer Kolumne „wirtschaftsweise“ die deutsche Wirtschafts- und Sozialpolitik und deren konkrete Auswirkungen auf die Bürger.

In ihrem neuesten Buch „Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert.“ beschäftigt sich Ursula Weidenfeld mit der deutschen Politik seit 2005.

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