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Commerzbank-Übernahme durch Unicredit: Spekulationen um deutsche Privatbank


Übernahme der Commerzbank?
Kommt jetzt die europäische Großbank?

  • Antje Erhard
MeinungEine Kolumne von Antje Erhard

Aktualisiert am 19.09.2024 - 13:59 UhrLesedauer: 5 Min.
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Commerzbank-Zentrale in Frankfurt am Main: Der Turm prägt die City-Skyline.Vergrößern des Bildes
Commerzbank-Zentrale in Frankfurt am Main: Der Turm prägt die City-Skyline. (Quelle: Thomas Lohnes/getty-images-bilder)

Quasi über Nacht kauft die Unicredit dem Bund beträchtliche Anteile an Commerzbank-Aktien ab. Der Kurs schießt nach oben. Der Bund: in der Kritik. Wie geht es nun weiter?

Kaum hatte die Bundesregierung angekündigt, dass sie ihre Anteile an der Commerzbank allmählich zurückfahren möchte, nutzt die italienische Unicredit die Gelegenheit. Sie sichert sich ohne große Vorwarnung neun Prozent an Deutschlands zweitgrößter Privatbank. Ihr Ziel: eine Übernahme. Wenngleich wohl keine feindliche. Ist das realistisch?

Manche nennen es naiv – andere einen schweren Fehler. Ob sich die Bundesregierung bei dem Verkauf einiger Commerzbank-Anteile übertölpeln ließ oder nicht, sei mal dahingestellt. Fakt ist: Der Bund hatte in einem ersten Schritt 4,5 Prozent seiner Anteile, die er in der Finanzkrise an der Commerzbank erworben hatte, zum Verkauf gestellt. Die Unicredit hat das beste Angebot gemacht. Und ist zum Zug gekommen. Weitere 4,5 Prozent hatte sie sich über die Börse an der Commerzbank gesichert. Damit scheint im politischen Berlin niemand gerechnet zu haben.

Antje Erhard
(Quelle: Rüdiger Jürgensen)

Die Autorin

Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt am Main und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.

Unicredit längst in Stellung, Aktie auf 12-Jahres-Hoch

In der Politik ist der Schock groß. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass die Unicredit ein Interesse an der Commerzbank hat. Solche Pläne zaubert man ja nicht in wenigen Tagen – kaum verkündet eine Regierung Pläne zu Anteilsverkäufen – aus der Schublade. Schon vor einem Jahr wollte Unicredit den Anteil des Bundes an der Commerzbank kaufen – den gesamten, also 16,49 Prozent. Nun sind die Italiener auf anderem Weg zum zweitgrößten Aktionär der Commerzbank aufgestiegen. Und es tobt ein Streit in Berlin darüber, wie das passieren konnte.

Die Börse hat längst ihre eigene Antwort: Die Commerzbank-Aktie ist so teuer wie seit zwölf Jahren nicht. Allein am Tag, als das Unicredit-Angebot bekannt wurde, stieg sie zeitweise um 20 Prozent. Unicredit-Chef Andrea Orcel verspricht naturgemäß einen "erheblichen Mehrwert" für alle Beteiligten. Das hören Aktionäre gern. Machen wir uns an eine differenzierte Betrachtung.

Bankenmarkt auf Konsolidierungskurs

Nicht nur der deutsche Staat, auch andere Regierungen haben in den vergangenen Monaten die Gewinnsituation europäischer Banken genutzt und Anteile verkauft. Die Banken haben mit den gestiegenen Zinsen gut verdient, ihre Aktien sind gestiegen. Viele Staaten, die in der Finanzkrise 2008/09 ihren Geldhäusern beigesprungen waren, wie Deutschland der Commerzbank, fahren dieses Engagement nun zurück. Die meisten – wie auch der deutsche Staat – begrenzen allerdings nur ihre Verluste. Nichtsdestotrotz hat der Trend zum Verkauf Fahrt aufgenommen: Die Niederlande zogen sich teilweise aus der ABN Amro zurück, die griechische Regierung gleich aus mehreren Instituten.

Eine Konsolidierung auf dem Bankenmarkt in Europa, wo es viele Banken gibt, ist ohnehin denkbar und könnte nun einen Gang zulegen. Die Commerzbank ist mittendrin: Sie gilt seit Jahrzehnten als Kandidat, wenn es um Übernahmen im Bankensektor geht. Nahezu jede größere Bank in Europa hat wohl schon entsprechende Szenarien gedanklich durchgespielt. Darunter die Niederländer der ING und ABN Amro sowie französische Banken. Auch die Deutsche Bank als größter deutscher Player. Zuletzt 2019.

Braindrain befürchtet

Für die Commerzbank wäre das nicht nur positiv. Mitarbeiter könnten das Weite suchen, denn Übernahmen bedeuten immer Unruhe. Das will nicht jeder. Oft wandern dann vor allem die besten Köpfe ab. Ein sogenannter Braindrain. Doppelstrukturen wie in Verwaltungen und Konzernzentralen dürften gestrichen werden.

Im Falle Unicredit und Commerzbank gäbe es schon einige Überschneidungen im Firmenkundengeschäft. Die Commerzbank ist eine starke Mittelstandsbank – und diese Zielgruppe ist begehrt. Unternehmen, die bei beiden Banken Kunde sind, könnten aber eine dieser Beziehungen kappen und zu anderen Instituten wechseln, um Abhängigkeiten zu verringern. Genossenschaftsbanken und Sparkassen sind hier ebenfalls gut aufgestellt und wären da eine Alternative. Oder andere internationale Player, die längst auf dem deutschen Markt Fuß gefasst haben.

Entsteht ein großer europäischer Player?

Kommt die Unicredit aber bei der Commerzbank zum Zuge, entstünde eine Bank mit einem Marktwert von rund 74 Milliarden Euro. Die Unicredit wirbt mit ihren Erfolgen: Sie hat einst bereits die Hypovereinsbank übernommen. Sie mache, so verkündete es Unicredit-Chef Andrea Orcel selbstbewusst in einem Interview mit dem "Handelsblatt", doppelt so viel Rendite wie die Commerzbank.

Die Unicredit hat in Deutschland zudem viel Erfahrung durch die Übernahme der Hypovereinsbank. Und zwischen dieser und der Commerzbank gäbe es auch nicht allzu viele Überschneidungen: Die HVB ist auf Süddeutschland und den Norden Deutschlands fokussiert, die Commerzbank bundesweit vertreten. Sie konzentriert sich auf Privat- und Firmenkunden, die HBV eher auf das Investmentbanking.

Allerdings sind seit dem Einstieg der Italiener bei den Bayern auch viele Stellen gestrichen worden – das war nicht nur der Finanzkrise und der allgemeinen Konsolidierung geschuldet, sondern die Unicredit gilt mit Andrea Orcel als harter Sanierer. Die Unicredit steht hochprofitabel da, der Aktienkurs steigt und steigt. Die Dividenden auch. Sie kann eine solche Übernahme stemmen.

EZB muss zustimmen

Mitzureden hat auf jeden Fall die Europäische Zentralbank. Die Unicredit will nach Medienberichten schon mal einen Antrag bei der EZB einreichen, bis zu 30 Prozent Aktien der Commerzbank kaufen zu dürfen.

Die Commerzbank selbst will erst einmal Ruhe in die Diskussion bringen und sich sortieren. Ginge es nach ihr, sollte der Bund seine restlichen 12 Prozent an der Commerzbank erst einmal halten. Die Bank stehe wieder auf soliden Beinen.

So hätte der Bund längst einen Plan B entwickeln können und müssen, um nach und nach aus der Commerzbank auszusteigen. Und schließlich hätte das Finanzministerium eine Stückelung beim aktuellen Verkauf der Anteile vorgeben können. Es wäre zum Beispiel denkbar gewesen, dass jeder Bieter nur einen gewissen Prozentanteil bekommt.

Sensibler Umgang gefragt

Nun kann man vergossene Milch bekanntlich nicht trinken, aber bei Fusionen oder Übernahmen gerade von Banken ist besondere Achtung gefragt. Es sind einfach keine normalen Unternehmen. Sie finanzieren Unternehmen. Vor allem in der Krise zeigt sich die Stärke des Bankensystems. Volkswirtschaften mit starken Banken kommen besser durch Krisen, ihre Unternehmen besser an Kredite. Und das ist für eine Volkswirtschaft enorm wichtig. Die letzte Krise hat gezeigt, wie schnell sich Banken auf ihre Heimatmärkte zurückziehen. Da braucht es starke inländische Großbanken.

An der Börse kamen die Gedankenspiele der Unicredit zur Commerzbank sehr gut an – die Aktie stieg am Tag, als die Pläne bekannt wurden, zeitweise um 20 Prozent. Man kann nun trefflich spekulieren, dass sich die Unicredit diesen Deal einiges kosten lassen wird, sprich: dass die Aktionäre einen hohen Preis bekommen. Noch ist die Commerzbank recht günstig bewertet. Weitere Kurssteigerungen sind auf dem Übernahmekarussell denkbar. Allerdings senkt die Europäische Zentralbank bereits wieder die Zinsen, die sie seit 2022 zehnmal angehoben hat. Mit Zinsen verdienen Banken also unter Umständen künftig nicht mehr so viel – was den Kurs drücken könnte.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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