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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Börsenexperte Schallmayer "Gold ist immer eine gute Wahl"
Aktien, Immobilien oder doch besser Gold? Wie Anleger auf die aktuelle Krise reagieren sollten, erklärt Deka-Experte Joachim Schallmayer im Interview.
Wer in diesen Tagen in sein Wertpapierdepot schaut, braucht starke Nerven. Nicht nur Aktien, auch Anleihen und die meisten Mischfonds haben seit Jahresbeginn deutlich an Wert verloren.
Schuld daran: der russische Angriff auf die Ukraine, die damit verbundenen gestiegenen Energiepreise, die in der Folge hochschnellende Inflation, die wiederum die historisch schnelle Zinswende der Notenbanken nach sich zog.
Und die Aussichten sind düster. Die sonst typische "Jahresendrallye" an den Aktienmärkten haben viele Experten schon jetzt abgeschrieben. Auch Joachim Schallmayer, Chef der Abteilung Kapitalmärkte und Strategie des Sparkassen-Fondshauses Deka, sieht nur wenig Grund für Optimismus.
t-online: Herr Schallmayer, an der Börse läuft es gerade richtig schlecht. Haben Sie schon all ihre Aktien verkauft?
Joachim Schallmayer: Nein, das habe ich nicht, und das werde ich auch nicht tun. Sie haben grundsätzlich recht: Wir erleben gerade ein katastrophales Kapitalmarkt-Jahr. Egal ob Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, überall sind die Kurse zweistellig im Minus. 2022 war bisher ein schreckliches Investmentjahr, da gibt es nichts zu beschönigen.
Allein der Dax ist seit Jahresanfang um fast 20 Prozent gefallen.
Ja, wobei das allein gar nicht so untypisch ist. Im Verlauf eines Jahres sind größere Kursverluste wie diese durchaus normal am Aktienmarkt. Weniger normal allerdings ist, dass alle Anlageklassen gleichzeitig fallen und die Schwankungsintensität, die wir erleben, noch eine Weile so weitergehen dürfte.
- Aktueller Kurs: Wo steht der Dax gerade?
Hätten Sie zu Beginn des Kriegs damit gerechnet, dass die Aktienmärkte so tief fallen?
Davon war im Februar noch nicht auszugehen. Denn zu Beginn des Krieges war nicht absehbar, dass die Gaslieferungen nach Deutschland komplett zum Erliegen kommen würden. Der massive Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise hat wiederum die Inflation wesentlich stärker und länger ansteigen lassen als gedacht und damit die Notenbanken unter Druck gesetzt, mit massiven Zinserhöhungen auf diese Entwicklung reagieren zu müssen. Im Frühjahr gingen wir davon aus, dass der Dax im Fall einer Gasmangellage, also im schlimmsten anzunehmenden Fall, zum Jahresende auf rund 11.500 Punkte fallen könnte.
Und was erwarten Sie jetzt?
Mittlerweile ist genau das unser Basisszenario. Die Jahresendrallye im vierten Quartal fällt aller Voraussicht nach aus. Nach den bereits hinter uns liegenden starken Kursrückgängen seit Jahresanfang sollten Anlegende aber erneute Rückschläge im vierten Quartal nutzen, um schrittweise und antizyklisch zu handeln und Positionen auf- oder auszubauen.
Können Aktienanleger denn wenigstens im neuen Jahr auf steigende Kurse hoffen – oder sollte ich dann doch die meisten meiner Aktien jetzt schnell verkaufen?
Wir sollten uns nicht auf eine v-förmige Kursentwicklung einstellen. Eine Situation wie nach Corona, als die Aktienkurse nach einem rasanten Einbruch ebenso schnell wieder stiegen, ist für das kommende Jahr eher unwahrscheinlich. Selbst wenn alles gut geht und die Energiekrise sich nicht weiter zuspitzt, werden die Aktienkurse wohl nur langsam wieder steigen.
Was heißt das konkret für den Dax?
Beim Dax gehen wir aktuell davon aus, dass er in genau einem Jahr, also im Herbst 2023, bei rund 13.000 Punkten steht.
Das entspricht in etwa dem derzeitigen Punktestand. Das klingt, als sollten Anleger ihr Geld lieber nicht in Aktien allein investieren, sondern einmal mehr lieber in Staats- und Firmenanleihen?
Ja, definitiv. Aktien bleiben zwar weiter der zentrale Baustein für die Geldanlage, aber nicht mehr der Alleinige, wobei ich in dem Punkt etwas ausholen möchte.
Gern.
Die Anleihenmärkte haben in den vergangenen Monaten einen historischen Einbruch der Kurse erlebt. Das liegt einerseits daran, dass wir alle unterschätzt haben, wie schnell die Inflation steigt – und wie die Notenbanken damit umgehen. Die Europäische Zentralbank hat sehr spät reagiert und muss jetzt umso schneller die Zinsen anheben, um die Geldentwertung zu bremsen. Das führt dazu, dass der Wert älterer Anleihen stark fällt, da es für sie kaum Zinsen gibt.
Das heißt, eigentlich sind Anleihen doch keine Alternative zu Aktien?
Doch. Denn jetzt scheint der historische Anleihen-Crash fürs Erste vorbei zu sein. Wenn wir nach vorn blicken, sehen wir bei vielen neu ausgegeben Staats- und Unternehmensanleihen Zinsniveaus, bei denen diese Anlageklasse sehr attraktiv wird. Um hier konkret zu werden: Für die Anleihen eines manchen deutschen Autobauers gibt es je nach Laufzeit und Qualität inzwischen 3 bis 7 Prozent Zinsen pro Jahr. Mit einer solchen Rendite können Sie Ihr Portfolio sehr gut diversifizieren und den Wert Ihres Geldes angesichts der Inflation zumindest erhalten.
Was ist mit anderen Anlageklassen, zum Beispiel Immobilien?
Bei Immobilien müssen wir zweierlei unterscheiden: erstens die Wohnimmobilie, womöglich auch die selbst genutzte. Zweitens Gewerbeimmobilien. Bei der eigenen Wohnung ist es wenig wahrscheinlich, dass der Wert in den kommenden Jahren weiter so stark steigen wird wie zuletzt. Denn wegen der höheren Zinsen können sich weniger Menschen eine Wohnimmobilie leisten, die Nachfrage fällt, wodurch wiederum die Preise kurzfristig nicht mehr so stark anziehen können, punktuell vielleicht sogar fallen werden.
Und wie sieht es bei Bürogebäuden, Hotels und so weiter aus?
Da sind die Rahmenbedingungen noch ein wenig anders. Bei den gewerblichen Immobilien sind die meisten Mietverträge indexiert. Das heißt, die Mieten steigen mit der Inflation, wodurch auch der Wert der Häuser wächst und das Geld der Anleger besser vor der Teuerung schützt.
Das heißt: Raus aus Aktien, rein in Immobilienfonds?
Nein, Aktien bleiben für den langfristigen Vermögensaufbau unverzichtbar und Immobilienfonds sollten schon heute Bestandteil einer ausgewogenen Geldanlage sein. Allerdings gibt es für Anlegende heute, dank des zurückgekommenen Zinses, viel mehr Möglichkeiten, ihr Geld über verschiedene Anlageformen zu verteilen. Das macht die Geldanlage nicht einfacher, allerdings kann man jetzt nicht nur über Aktien der Inflation die Stirn bieten und die Möglichkeit einer besseren Streuung reduziert darüber hinaus Risiken.
Kann dabei auch Gold helfen?
Gold ist immer eine gute Wahl – wenn es einen nicht allzu großen Anteil im Portfolio ausmacht. Zwar hat auch Gold in diesem Jahr bislang deutlich an Wert eingebüßt, prozentual aber nicht so viel wie etwa die Aktienmärkte. Auch im kommenden Jahr kann Gold stabilisierend wirken.
Herr Schallmayer, vielen Dank für dieses Gespräch.
- Video-Interview mit Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie, Dekabank