Großer Knall bei der Bahn Nach Grubes Abgang ist kein Nachfolger in Sicht
Noch sind die Vorgänge im Aufsichtsrat, die Bahnchef Grube hinwerfen ließen, nicht aufgeklärt. Er hinterlässt kein gemachtes Nest.
"Ich bin noch nie hinter meinem Vertrag hergelaufen." Diesen Satz hat Rüdiger Grube seit dem Frühjahr 2016 auffällig oft gesagt, wenn er nach seiner Zukunft als Bahnchef gefragt wurde. Ein bisschen ist der Langstreckenläufer dann wohl doch gejoggt, um länger an der Spitze bleiben zu dürfen. Aber ans Ziel kam er nicht.
Dabei hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), anfangs eher auf Distanz zu Grube, als Vertreter des Eigentümers Bund zuletzt seinen Frieden mit dem Bahnchef gemacht. Gemeinsam zogen beide stolz eine erste Bilanz des neuen, schnellen WLAN-Internetzugangs in den ICE-Zügen. Er freue sich darauf, mit Grube "in den nächsten Jahren noch viele gemeinsame Termine machen zu können", sagte Dobrindt erst vor wenigen Tagen.
"Nicht zu erwartende Wendung"
Nach Grubes Rücktritt erweckte Dobrindt den Eindruck, als habe er damit nichts zu tun. Er sprach von einer "nicht zu erwartenden Wendung". "Dass es am Schluss offensichtlich wenig Einigungsbereitschaft auf beiden Seiten gegeben hat, war so nicht direkt abzusehen." Er ließ offen, wer genau da gegen Grube opponierte.
Der 65-Jährige hatte auf eine Gehaltserhöhung um zehn Prozent, die ihm vorschwebte, verzichtet und auf eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Weggangs, hieß es nach dem großen Knall am Montag aus Kreisen des Aufsichtsrats. Dafür sei ihm zugesichert worden, dass sein Dienstvertrag um drei Jahre bis Ende 2020 verlängert wird. So stand es auch in der Tischvorlage für die Aufsichtsratssitzung, in der der neue Vertrag für den 65-Jährigen besiegelt werden sollte.
Mehrere Aufsichtsräte hätten dann aber darauf bestanden, Grube doch nur zwei Extrajahre einzuräumen, aus welchen Motiven auch immer. Das habe Grube dazu gebracht hinzuschmeißen. Weiter hinterherlaufen wollte er dann nicht mehr. Ob hinter den Geschehnissen Kalkül stand oder sie das emotionale, ungewollte Ergebnis einer Kraftprobe waren, ist noch ungeklärt.
Für Pofalla könnte es zu früh sein
Dobrindt sagte, jetzt gelte es, einen Nachfolger zur finden. Gefragt nach Ronald Pofalla, wich Dobrindt aus. Er wolle erst einmal keinen Namen nennen. Der ehemalige Kanzleramtschef Pofalla, seit Januar wichtiges Vorstandsmitglied für den Bereich Infrastruktur, wird schon länger als Kronprinz Grubes gehandelt. In seinem Umfeld hieß es stets, der nächste Schritt nach ganz oben sei noch zu früh für ihn. Andere ernsthafte Bewerber wurden kurz nach Grubes Rücktritt nicht genannt. "Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt", sagte etwa SPD-Fraktionsvize Sören Bartol.
Grube hinterlässt ein Unternehmen im Umbruch, dem zuletzt zumindest in Teilen wieder ein Aufbruch gelungen war. Im Personenfernverkehr, der prestigeträchtigsten Sparte, kamen wieder mehr Züge pünktlich ans Ziel. Die Fahrgastzahlen zeigten auch dank einer Reihe von Rabattangeboten deutlich nach oben. Mit einem ordentlich funktionierenden WLAN auch in der zweiten Klasse konnte Grube gleich zu Jahresbeginn punkten.
Konzern zuletzt zurück in der Spur
Die Bahn habe sich unter Grubes Führung modernisiert und Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht, bilanzierte Dobrindt. "Von daher ist in der Tat auch eine Dynamik bei der Bahn zu sehen, die von allen auch geteilt wird."
Nach dem Verlustjahr 2015 hat die Bahn wohl 2016 wieder die Gewinnzone erreicht. Zumindest das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) ist wieder positiv, es sind wie 2014 rund 1,8 Milliarden Euro. Sorgenkind ist nach wie vor die defizitäre Güterbahn, für die bislang kein Konzept gefunden ist, das auch von Betriebsrat und Gewerkschaft akzeptiert wird.
Umstrittene Trassenpreise
Der Nachfolger Grubes wird den digitalen Wandel der Bahn weiterführen müssen und das facettenreiche Programm "Zukunft Bahn", das Grube eigentlich zur Chefsache machen wollte. Ein heißes Thema dürften die Trassenpreise werden. Nur eine deutliche Reduzierung dieser Schienenmaut, so die Überzeugung des Bahn-Vorstands, würde der Güterbahn DB Cargo helfen, weil sie dann im Wettbewerb mit dem Lkw Chancen hätte. Die Einnahmen würden jedoch der Infrastruktur-Tochter DB Netz fehlen. Das müsste der Bund ausgleichen. Von dieser Idee müsste der neue Bahnchef den Finanzminister und die Haushaltsexperten des Bundestags überzeugen.