Neue Dimension erreicht Unternehmerin Klatten spendet 100 Millionen Euro
Eigentlich macht sich Susanne Klatten in der Öffentlichkeit rar. Nun hat die milliardenschwere Unternehmerin das Rampenlicht gesucht, um eine in Deutschland wohl beispiellose Spende anzukündigen.
Normalverdiener würden die Summe riesig oder gigantisch nennen, Susanne Klatten aber spricht nüchtern von einem "maßgeblichen Betrag", als sie in Berlin ihre neue Initiative Skala vorstellt. 100 Millionen Euro will die Unternehmerin und Erbin des Quandt-Vermögens (BMW) in den kommenden fünf Jahren an soziale Projekte spenden. Viel Wirkung für die Gesellschaft, wenig Bürokratie, so skizziert Deutschlands reichste Frau ihr Vorhaben.
Der 53-Jährigen, Tochter der 2015 gestorbenen Johanna Quandt, wird ein zurückgezogenes Leben nachgesagt. Sie wirkt vor der Presse äußerst konzentriert, wählt ihre Worte sehr bewusst, den Großteil liest sie ab. Im Kontakt mit Partnern aus den ersten drei geförderten Projekten erscheint sie freundlich und relativ kühl.
Einmalig hohe Summe wird aufgeteilt
Dabei ist mit der Initiative beim öffentlichen Spenden für wohltätige Zwecke in Deutschland wohl eine neue Dimension erreicht. In den vergangenen 30 Jahren habe er von so einer Summe nicht gehört, sagt Hartmut Kopf vom Deutschen Spendenrat. Obwohl die Mittel auf bis zu 100 Projekte aufgeteilt werden, könne damit "ein großes Rad" gedreht werden.
Andere deutsche Superreiche wie SAP-Mitgründer Hasso Plattner konzentrierten sich beim Spenden bisher auf Gebiete wie die Wissenschaft. Oder sie sprechen nicht darüber.
Auch Klatten (geschätztes Vermögen: 18,5 Milliarden Dollar) war schon früher großzügig, eher im Stillen. Sie fördert das junge Unternehmertum an der TU München, hat einen Lehrstuhl für Bildungsforschung gestiftet und ist auch als Parteispenderin bekannt.
Sogwirkung von Buffett und Zuckerberg?
Mit den ganz großen Summen glänzten in der Öffentlichkeit bislang aber eher US-Multimilliardäre: zuletzt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Er kündigte Ende 2015 an, im Laufe seines Lebens sein Vermögen in Höhe von geschätzten 45 Milliarden Dollar zu spenden.
Ähnlich verfuhr im Jahr 2006 der Star-Investor Warren Buffett. Dieses Wirken habe womöglich auf Klatten eine "Sogwirkung" gehabt, vermutet Hartmut Kopf vom Spendenrat.
Vom Stiftungswesen zur Projektförderung
Klatten und ihr Umfeld sprechen vom Versuch, den "gemeinnützigen Aktivitäten angesichts ihrer großen Vielfalt eine neue Klarheit zu verleihen", wie die Herbert-Quandt-Stiftung im Internet informiert. Die Stiftung mit 40 Millionen Euro Kapital steigt Ende 2016 aus der Förderung zu den Themen "Bürger und Gesellschaft" und Zusammenleben verschiedener Kulturen aus und setzt neue Schwerpunkte.
Mit Skala richte sie sich nicht gegen Stiftungen, betonte Klatten nun. Diese hätten mit ihrem "langfristigen Horizont" durchaus ihre Berechtigung. Sie wolle aber einen neuen Raum erproben und Projekte dabei begleiten, professioneller zu werden. Persönlich wolle sie von den Themen, den Menschen und eben "mitten aus dem Leben" lernen.
900.000 Euro für Demenz-Kampagne
Dass die Millionen nun nicht wild über dem sozialen Sektor ausgeschüttet werden, ist allen Beteiligten wichtig zu betonen. Nicht das Gießkannenprinzip, sondern strategische Planung stecke dahinter. Auch wolle man die Projekte nicht "überfördern".
Denn die Zuwendungen der Multimilliardärin kommen unerwartet: "Wir erhalten bisher kleine Spenden, mal 30 Euro, mal 50 Euro oder vielleicht Firmenspenden von 5000 Euro", sagt Sabine Jansen von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Eine Aufklärungskampagne zu Demenz ist eines der ersten drei Projekte, die von der Skala-Initiative Mittel erhalten - mehr als 900.000 Euro.
Klatten wählte Organisationen aus
Bislang ebenfalls kaum denkbar: Klatten und ihr Partner bei der Mittelvergabe, das Beratungshaus Phineo, kamen auf die Organisationen zu. Erst ab 2017 sollen diese sich auch selbst bewerben können.
Mit Skala will Klatten ihre Gelder effektiv und in einem "schlanken Prozess" eingesetzt wissen, wie sie sagt: Statt selbst eine Organisation zu gründen, arbeitet sie mit der gemeinnützigen Aktiengesellschaft Phineo zusammen. Dort analysieren Spezialisten soziale Projekte, machen deren Ansätze für Spender zugänglich. Für Klatten beurteilen sie, soweit bei gesellschaftlichen Vorhaben möglich, ob die Projekte auch wirksam sind. Phineo bekommt dafür drei Prozent der Gesamtsumme - deutlich weniger, als bei anderen Organisationen etwa in Werbung und Verwaltung fließen.
Ein Problem ganz neuer Art
Gilles Duhem vom Gemeinschaftshaus Morus 14 aus Berlin-Neukölln erlebte bislang eine unregelmäßige Förderung. Öffentliche Gelder gab es nur schubweise hin und wieder. Nun brechen neue Zeiten an. Für ein Paten-Projekt zugunsten benachteiligter Kinder erhält der Verein von Frau Klatten ab Sommer rund 370.000 Euro. Duhem hat deshalb jetzt ein Problem ganz neuer Art: Er braucht recht rasch Ehrenamtler für eine ganze Schulklasse.