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Nach Bundestagswahl: Bankenverband für schnelle Koalitionsverhandlungen


Bankenverband-Chef
"Das war offenbar kein Ausrutscher"


Aktualisiert am 02.03.2025 - 20:53 UhrLesedauer: 7 Min.
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US-Präsident Donald Trump: Bankenverband-Chef Herkenhoff findet sein Verhalten nicht überraschend. (Quelle: watson)
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Schwächelnde Wirtschaft, Druck aus den USA, Reformstau bei Rente und Bürokratie: Bankenverband-Chef Herkenhoff wirbt für schnelle Koalitionsverhandlungen angesichts der vielen Probleme.

Die Klagen der Wirtschaft sind im Bundestagswahlkampf mit wenig Resonanz verhallt. Nun stehen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD bevor. Hoffnungen und Druck wachsen, dass die neue Regierung dem Abwärtstrend der deutschen Wirtschaft etwas entgegensetzt.

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Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, erklärt im Gespräch mit t-online, welche Probleme eine neue Bundesregierung als Erstes angehen sollte, welche Lösung er für das Rentenproblem sieht und was er mit seiner Forderung nach einem "Enkeltrick-Gipfel" meint.

t-online: Die Bundesbank hat in dieser Woche zum ersten Mal seit den Siebzigern einen Verlust gemeldet. Unsere Wirtschaft befindet sich seit zwei Jahren in einer Rezession. Wann geht es wieder bergauf?

Heiner Herkenhoff: Die Schwächephase der deutschen Wirtschaft hält sogar schon länger an, mindestens seit 2019. Deutschland ist seitdem praktisch nicht gewachsen. Ohne Deutschland hatten die übrigen Länder des Euroraums in diesem Zeitraum ein Wachstum von mehr als sechs, die USA sogar von gut zwölf Prozent. Unsere wirtschaftliche Schwäche hängt folglich mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zusammen. Wenn diese sich verbessern, dann gibt es auch wieder Hoffnung auf Wachstum.

Wie zufrieden sind Sie also mit dem Ergebnis der Bundestagswahl?

Es ist gut, dass eine stabile Regierung mit wenigen Parteien gebildet werden kann. Gleichzeitig ist es besorgniserregend, dass radikale und populistische Parteien eine Sperrminorität haben und so wichtige Entscheidungen blockieren könnten. Es hängt jetzt viel davon ab, dass eine neue Regierung schnell Entscheidungen trifft und Wachstumsbremsen ausräumt.

Ist Merz der Richtige für das Kanzleramt?

Ich denke schon, zumal die Union die mit Abstand meisten Wählerstimmen gewinnen konnte. Jetzt kommt es aber erst einmal darauf an, eine Regierung zu bilden.

Sie haben in den 90er-Jahren das Büro des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl geleitet. Wie viel Kohl steckt denn in Merz?

Merz und Kohl eint ihre Haltung zu Europa. Beide sind, beziehungsweise waren, davon überzeugt, dass die EU der Schlüssel für die Lösung unserer Probleme sein kann. Dieses Denken kam mir in den vergangenen Jahren zu kurz.

Eine Ihrer wichtigsten Forderungen vor der Wahl war der Abbau von Bürokratie und Regulierungen. Glauben Sie, dass das nun umgesetzt wird?

Die Deutschen wollen, dass es in dieser Frage vorangeht. Wir brauchen eine schnelle Regierungsbildung und dann zügig erste Fortschritte. Wir werden nicht alle Probleme mit einem 100-Tage-Plan gelöst bekommen. Aber ich bin optimistisch, dass es zu einer Wirtschaftswende kommt.

(Quelle: Bankenverband)

Zur Person

Heiner Herkenhoff ist seit 2023 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, in dem die deutschen privaten Kreditinstitute zusammengeschlossen sind.
Herkenhoff studierte Politikwissenschaften, Geschichte und Philosophie in Münster und Bonn. Danach war er in der Politik tätig, darunter von 1995 bis 1998 als Büroleiter des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Es folgte eine Station bei KPMG. 2000 wurde er Mitglied der Geschäftsführung des Bankenverbands für den Bereich Presse und Kommunikation. Ab 2009 war er Beauftragter des Vorstands und Bereichsleiter Public Affairs der Commerzbank AG.

Der argentinische Präsident Javier Milei und Trump-Berater Elon Musk treten aktuell als Vorreiter der Deregulierung auf und unterstreichen ihren Durchsetzungswillen auf der Bühne gerne einmal mit einer Kettensäge. Muss Merz auch so rabiat durchgreifen?

Die Kettensäge ist mir zu martialisch, aber wir müssen in Deutschland endlich verstehen, dass die Bürokratie ein wesentlicher Hemmschuh für Wachstum ist. Das gilt auch für die EU. Selbst wenn sofort auf die Bremse getreten würde, stünden allein im Bankensektor noch um die 400 Regulierungsvorhaben aus.

Sollte Merz sich also mit seiner Parteifreundin Ursula von der Leyen in Brüssel anlegen?

Merz sollte auf europäischer Ebene klar Position beziehen. Er muss das sogenannte German vote in Brüssel beenden, also dass Deutschland sich bei Abstimmungen raushält.

Die Union hat im Wahlkampf versprochen, die Schuldenbremse einzuhalten. Nun will Merz noch vor der Regierungsbildung mit Stimmen der alten Ampelkoalition diese anpassen. Was halten Sie davon?

Es gibt künftig einen erheblichen Finanzierungsbedarf – gerade in der Verteidigung. Rund 30 bis 50 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr. Dafür muss es eine Lösung geben.

Wir verstehen Sie richtig: Die Schuldenbremse muss also gelockert werden?

Es ist eine einfache Rechnung. Aus dem laufenden Haushalt sind die zusätzlichen Kosten nicht zu finanzieren. Die Politik wird eine Lösung finden: Eine kluge Reform der Schuldenbremse könnte ein Weg sein, ein komplettes Abschaffen hingegen halte ich für falsch. Denn sie ist auch ein Instrument für Disziplin. Die kommende Bundesregierung wäre gut beraten, Sparmöglichkeiten zu finden.

Woran denken Sie da?

Beim Bürgergeld könnte gespart werden. Ich bin nicht für einen Kahlschlag, aber wir müssen Anreize für Arbeit setzen.

Das dürften dann harte Verhandlungen mit der SPD werden, die mit dem Bürgergeld Hartz IV überwinden wollte.

Das wird nicht einfach. Ich hoffe dennoch, dass sich Koalitionsverhandlungen deswegen nicht unnötig in die Länge ziehen. Drei Monate oder gar länger verhandeln – das kann Deutschland sich nicht leisten. Das wäre eine Katastrophe für die Wirtschaft.

Die schwierige wirtschaftliche Lage wird durch außenpolitische Unsicherheiten weiter verschärft. Ist Deutschland auf Trump vorbereitet?

Trumps Verhalten kommt wenig überraschend. Er konnte sich gut vorbereiten. Und Trump weiß, dass er letztlich anderthalb Jahre Zeit hat, seine wichtigsten Projekte umzusetzen, bevor schon wieder der Wahlkampf für die Midterms losgeht. Die Heftigkeit, mit der vorgegangen wird, besorgt mich allerdings. Die verstörende Rede von Vizepräsident J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz war offenbar kein Ausrutscher. Die jüngsten Ereignisse in Washington zeigen, dass die neue außenpolitische Linie der USA Europa zu mehr Eigenständigkeit zwingt.

Trump hat sich für seine zweite Amtszeit einen ungewöhnlichen Berater an seine Seite geholt: Elon Musk, der reichste Mensch der Welt. Was bedeutet das für die Finanzmärkte?

Die US-Börsen haben zunächst profitiert. Mit Trumps Amtseintritt sind etwa die Aktien amerikanischer Banken deutlich gestiegen. Das liegt eben auch an dem Versprechen, Eigenkapitalrichtlinien wie Basel III nicht umzusetzen. Das stellt infrage, ob wir in Europa mit unseren Regulierungen noch wettbewerbsfähig sind. Ob die positive Börsenentwicklung in den USA angesichts der angekündigten Handelszölle so anhält, ist allerdings fraglich.

Basel III

Mit Basel III werden weltweite Regulierungen bezeichnet, die vom Basler Ausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ausgearbeitet wurden. Damit wurde auf die Liquiditätsprobleme während der Finanzkrise 2008 reagiert.

Etwas, das auch die neue Bundesregierung anstoßen könnte. Ein Thema, das im Wahlkampf kaum vorkam, ist die Rente. Gibt es da etwa keinen Handlungsbedarf mehr?

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Im Gegenteil. Aber die Rente ist ein extrem sensibles Thema. Gerade Union und SPD haben einen sehr großen Wähleranteil bei der älteren Bevölkerung. Klar ist: Die Rente muss dringend modernisiert werden. Es gibt immer mehr Rentner und immer weniger junge Menschen, die die Rente finanzieren. Langfristig werden wir die gesetzliche Rente nur mit einer Kapitaldeckung stabilisieren können. Konkret heißt das: Ein Teil der Rentenbeiträge wird in Aktien angelegt. Nur noch hier sind die notwendigen Renditen zu erreichen. Und das hätte auch andere Vorteile.

Welche?

Wenn wir die Rente zumindest in Teilen durch Aktien und Wertpapiere sichern, fließen so viele Milliarden in den Kapitalmarkt. Das ist sehr wichtig. Denn der Finanzbedarf für den notwendigen Wirtschaftsumbau kann nicht allein staatlich gestemmt werden, es braucht Investitionen und privates Kapital.

Löst der Kapitalmarkt also das Rentenproblem?

Nein, selbst mit diesem Modell werden wir uns von der gesetzlichen Rente allein künftig keinen entspannten Lebensabend leisten können. Wir müssen deshalb auch die private Säule der Altersvorsorge stärken.

Und wie?

Wir schlagen ein Altersvorsorgedepot vor. Dort könnte langfristig mit ETFs und anderen Produkten hineingespart werden, das Ganze ließe sich fördern. Festgelegt wäre dieses Depot bis zum Renteneintritt, ansonsten aber mit wenigen Regulierungen versehen. Eine zweite Riester-Rente darf es nicht geben.

Der Vorschlag für ein solches Depot kam in der letzten Legislaturperiode von der FDP, diese ist im neuen Bundestag nicht mehr vertreten.

Das macht die Idee nicht schlechter. Vielleicht wäre es aber gut, dem Ganzen einen neuen Namen zu geben.

Haben Sie direkt eine Idee?

Spontan würde ich "Rendite-Rente" vorschlagen. Wichtig ist mir: Die Deutschen müssen verstehen, dass sie derzeit ineffizient sparen.

Wieso?

Die Zinsen, die man auf dem Sparbuch bekommt, werden von der Inflation aufgefressen. Deswegen sollten wir künftig stärker auf Wertpapiere setzen. Leider gibt es dafür bislang in Deutschland keine ausgeprägte Kultur, teils sogar Angst. Andere Länder sind da schon viel weiter. Neben einer "Rendite-Rente" brauchen wir dringend mehr finanzielle Bildung, wir sollten besonders in den Schulen ansetzen.

Die Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Können die Deutschen derzeit überhaupt sparen?

Sie haben recht: Der Spielraum ist gering. Viele Menschen können ihre laufenden Kosten kaum noch decken. Aber bereits kleine Beträge können auf lange Sicht helfen.

Wir haben eben über Finanzbildung bei jungen Leuten gesprochen. Gleichzeitig gibt es viele ältere Menschen, die auf Finanzbetrüger hereinfallen. Fehlt es in allen Altersgruppen an Wissen zu Finanzthemen?

Absolut! Wir können mehr tun, um die Menschen vor Betrügereien zu schützen. Wir sehen heute eine Vielzahl von Betrugsmaschen. Diese setzen aber nicht an der IT unserer Banken an, denn da kommen die Betrüger nicht durch. Sie setzen am Faktor Mensch an.

Ein Beispiel sind Anrufe, bei denen Kunden durch verschiedene Methoden dazu verleitet werden, PIN oder vertrauliche Daten weiterzugeben oder Überweisungen vorzunehmen.

Richtig. Diese Betrügereien liegen außerhalb der Möglichkeiten der Banken. Eine Bank kann eine einbruchssichere Infrastruktur bauen. Wenn aber jemand vor dem Computer sitzt und seine Zugangsdaten weitergibt, lässt sich das nicht verhindern.

Ach nein?

Nein. Die Banken und wir als Verband haben allerdings die wichtige Aufgabe, die Menschen zu sensibilisieren. Auch die Medien können einen Beitrag leisten. Ein Bankberater wird niemals anrufen und nach einer PIN fragen. Genauso wenig wird ein Bankberater eine sofortige Überweisung verlangen.

Die Politik sehen Sie also nicht in der Pflicht?

Doch, sie könnte alle Beteiligten an einen Tisch rufen.

Erklären Sie bitte.

Banken arbeiten bereits eng zusammen, es gibt einen intensiven Austausch mit Behörden wie dem BSI, in dem Betrugsfälle analysiert und Informationen geteilt werden. Ein solcher Austausch lässt sich noch weiter ausbauen: Banken, IT- und Medienunternehmen, Social-Media-Plattformen und Telekommunikationsanbieter sollten mit der Politik zusammenkommen. Überspitzt gesagt: Es braucht einen "Enkeltrick-Gipfel". Die Lösung ist aber nicht, die Verantwortung einseitig auf die Banken zu schieben.

Anders sieht es bei der Bedrohung durch Cyberkriminalität aus, die direkt auf die IT-Systeme der Banken abzielt. Wir erleben zunehmend Angriffe, die – so die Einschätzung von Sicherheitskreisen – aus Russland kommen. Ist das nicht die größere Gefahr?

Das ist ein sehr wichtiges Thema. Wir sehen eine hohe Anzahl an Angriffen. Das ist eine ernsthafte Bedrohung, aber derzeit keine akute Gefahr. Banken haben sehr komplexe Sicherheitssysteme und investieren massiv. Es gibt Krisenpläne für verschiedene Szenarien. Doch es ist wie ein Wettlauf: Banken entwickeln ihre Systeme weiter, aber auch die Angriffe werden gezielter. Die Herausforderung ist, den Hackern immer einen Schritt voraus zu sein. Bisher gelingt das gut.

Das heißt, die deutschen Banken könnten diesen Wettlauf gewinnen?

Davon bin ich überzeugt. Denn sie tun sehr viel dafür.

Herr Herkenhoff, vielen Dank für das Gespräch!

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