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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Handelskrieg "Das kriegen die Verbraucher voll ab"
Donald Trump setzt in der Außenpolitik auf Zölle. Der EU steht deshalb ein Handelskrieg bevor. So teuer könnte es für Deutschland werden.
Auf dem Schreibtisch von Donald Trump stapeln sich dieser Tage schwarze Mappen voller Dekrete. Seit seiner Amtseinführung hat der neue Präsident per Exekutivanordnung einen rigorosen Kurswechsel der USA eingeleitet. Doch trotz vollmundiger Ankündigungen vor der Wahl hat Trump bislang noch keine Zölle verabschiedet, sondern nur angeordnet, die US-Handelsbeziehungen bis zum Frühling zu überprüfen. Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) findet es bemerkenswert, dass der Präsident nicht sofort Zölle erhoben hat. "Das war anders erwartet worden", sagt der Experte.
Doch Trump hält die Drohung von Zöllen weiterhin aufrecht. "Ich denke, am 1. Februar", antwortete der US-Präsident auf eine Journalistenfrage, wann er Strafzölle von 25 Prozent gegen die beiden Nachbarländer Mexiko und Kanada erheben wolle.
Im Wahlkampf hatte er Zölle bis zu 60 Prozent auf Waren aus China und pauschale Zölle von 10 bis 20 Prozent auf alle Importe in die USA angekündigt. Doch was steckt hinter dem Schritt und wie wäre Deutschland davon betroffen? t-online gibt einen Überblick.
Wie viel exportiert Deutschland in die USA?
Die Vereinigten Staaten sind mit Abstand der wichtigste Exportmarkt für Deutschland. Im Jahr 2023 exportierte Deutschland Waren im Wert von knapp 160 Milliarden Euro in die USA.
Im gleichen Zeitraum importierte Deutschland Waren im Wert von etwa 95 Milliarden Euro aus dem Land. Daraus ergibt sich ein Handelsbilanzüberschuss von etwa 65 Milliarden Euro zugunsten Deutschlands. "Dieses Defizit ist Donald Trump ein Dorn im Auge", sagt Experte Matthes. Daher beabsichtigt Trump, mit den pauschalen Zöllen dagegen vorzugehen.
Welche Unternehmen wären besonders betroffen?
In den vergangenen Jahren hat insbesondere die deutsche Pharmaindustrie vom US-Handel profitiert, fast ein Viertel ihrer Exporte ging in die Vereinigten Staaten. Auch der Maschinenbau liefert große Mengen an Industrieprodukten in die USA. Besonders würde es jedoch wohl die ohnehin schon angeschlagene Automobilbranche treffen. Die Industrie lebt von globaler Arbeitsteilung. Neue Zollschranken hätten schwer zu überblickende Konsequenzen.
So könnten für die drei großen deutschen Automobilhersteller düstere Zeiten anbrechen. Nachdem für VW, BMW und Mercedes zuletzt das Chinageschäft weggebrochen ist, war der US-Markt eine der letzten Absatzregionen, die noch Wachstum versprachen.
Alle drei Konzerne betreiben teils mehrere Autowerke in Mexiko. Dort baut Volkswagen rund 60 Prozent der in Nordamerika verkauften Autos, darunter insbesondere günstige Modelle wie den Jetta. Durch Trumps Zölle gegen das Nachbarland würde dieses Geschäftsmodell wohl nicht mehr funktionieren.
Wer würde von den Zöllen profitieren?
An erster Stelle profitiert wohl Donald Trump selbst. Der US-Präsident nutzt Zolldrohungen als Verhandlungsinstrument, um andere Staats- und Regierungschefs einzuschüchtern und ihnen seinen Willen aufzudrücken. Außerdem: "Zölle sind auch ein Instrument, um etwa Steuersenkungen zu finanzieren", sagt Matthes.
Grundsätzlich sollen Zölle die heimische Wirtschaft schützen, indem sie ausländische Produkte verteuern und inländische Produkte wettbewerbsfähiger machen. Das veranlasst Unternehmen dazu, ihre Produktion vor Ort anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen. Bereits jetzt beschäftigen europäische Unternehmen in den USA 3,5 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner.
Auch die drei großen deutschen Autobauer haben Fabriken in den USA gebaut. Oft befinden sich jedoch noch ein Teil der Vorleistung und ihrer Zulieferer im Ausland, sodass wieder Zölle fällig werden würden. Doch seit einigen Jahren bemühen sich die Unternehmen, ihre Lieferstrukturen zunehmend zu lokalisieren, sagt Matthes.
Deutsche Firmen könnten demnach auch von Zöllen profitieren, wenn sie vor Ort produzieren oder ihre Produktion in die USA verlagern. "Das hilft dann zwar den Unternehmen, aber nicht unserer Wirtschaft", schätzt Matthes. Denn die Gewinne würden wohl eher vor Ort investiert werden, als zurück nach Deutschland zu fließen.
Wer wohl nicht von Zöllen profitieren würde, sind die amerikanischen Verbraucher. "Für die wird es mit Sicherheit teurer", prognostiziert Matthes. So könne die US-Wirtschaft zum Beispiel kaum vergleichbare Maschinenbauprodukte in der Qualität von "Made in Germany" liefern. "Da wird unser Produkt gebraucht. Das kostet dann halt mehr, und die Verbraucher kriegen die Erhöhungen voll ab", sagt Matthes. Die Folge wäre eine angeheizte Inflation.
Dabei hat Trump den amerikanischen Bürgern genau das Gegenteil versprochen. "Inflation war das Gewinnerthema von Trump im Wahlkampf", sagt Matthes. Wenn die Preise nun aufgrund des Handelskriegs wieder kräftig steigen würden, "will ich sehen, wie lange er dabei bleibt", so der IW-Experte. Trump halte Zölle zwar für ein Allheilmittel, "aber das ist ökonomischer Unsinn".
Wie groß wäre der Schaden für die deutsche Wirtschaft?
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ein Szenario anhand von Trumps angedrohten Zöllen aufgestellt und den möglichen Schaden für die deutsche Volkswirtschaft errechnet. "Ein transatlantischer Handelskrieg könnte über die vierjährige Amtszeit Trumps gerechnet einen Verlust von bis zu 180 Milliarden Euro für die deutsche Volkswirtschaft bedeuten", sagt Ökonom Matthes.
Das deutsche Bruttoinlandsprodukt würde somit am Ende seiner Amtszeit um 1,5 Prozent niedriger ausfallen. "Unter dem Strich würde dies den Verlust von 151.000 Arbeitsplätzen bedeuten", so Matthes.
Was können Deutschland und die EU gegen Zölle tun?
Jürgen Matthes kennt das Mittel, mit dem sich Deutschland und die EU gegen Trumps Zölle zu verteidigen suchen: "Eine Strategie von Zuckerbrot und Peitsche". Wenn die USA keine Zölle hochziehen, könnte die EU im Gegenzug mehr Waren aus dem Land kaufen. "Da kommen etwa Öl, Gas, Waffensysteme oder auch Produkte aus dem Agrarbereich infrage", sagt Matthes.
Wenn sich Trump darauf nicht einlassen sollte und doch Zölle erhebt, dann bliebe der EU immer noch die Peitsche: "Die EU könnte Gleiches mit Gleichem vergelten und ebenfalls Zölle einführen", sagt Matthes. Dann befänden sich die Bündnispartner in einem Handelskrieg. In diesem könnte die EU zudem eine Reihe an Maßnahmen und Strafen verhängen, die etwa den Zugang zum Digitalmarkt erheblich erschweren würden. Denn während die EU einen Warenüberschuss mit den Vereinigten Staaten hätte, sei es im Dienstleistungshandel andersherum. "Da sind die USA durchaus verletzlich", sagt Matthes.
Schon während Trumps erster Amtszeit hatte diese Strategie Erfolg. "Es ist damals tatsächlich gelungen, dass die USA keine pauschalen Zölle und auch keine Autozölle gegen die EU erhoben haben, obwohl Trump immer wieder damit gedroht hatte", so Matthes. Am Ende führte Trump nur Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte ein, die EU antwortete mit Zöllen auf Bluejeans. Das Ergebnis war " letztlich nur ein kleinerer Handelskonflikt", so Matthes.
Doch dieses Mal könnte es deutlich schlimmer kommen, befürchtet der Experte. "Er macht vielleicht nicht alle Ankündigungen wahr, aber Trump wird auf Worte am Ende auch Taten folgen lassen müssen", sagt Matthes. Dann sei nur die Frage: "Wer kriegt es ab?"
- Gespräch mit Jürgen Matthes
- spiegel.de: Wie sich Volkswagen, BMW und Mercedes gegen Trumps Zölle wappnen