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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auswertung von Urlaubsportalen Hierhin reisen die Deutschen am liebsten
Wohin reisen die Deutschen? Eine exklusive Analyse zeigt, dass die Küste am beliebtesten ist. Doch eine Region wird von den Deutschen immer häufiger gebucht.
Der Harz ist die Boom-Urlaubsregion der Deutschen. Mehr als 570.000 Übernachtungen wurden im vergangenen Jahr in dem deutschen Mittelgebirge über die Online-Plattformen Airbnb, Booking, Expedia und Tripadvisor gebucht – ein Drittel mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019.
Das zeigt eine Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die t-online exklusiv vorliegt. Das IW hat dafür Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat herangezogen, an die die vier Urlaubswebseiten die entsprechenden Übernachtungszahlen übermittelt haben.
"Vielleicht haben die Deutschen ihre Liebe zum Heimatland und zum Wald wiederentdeckt", sagt IW-Volkswirt Christian Rusche t-online. Ein Grund dafür könnte auch sein, dass sich viele Deutsche nach den Berichten um das Waldsterben wegen der Borkenkäfer den Wald im Harz selbst anschauen wollten. Außerdem ist das Mittelgebirge für Urlauber vergleichsweise günstig.
Der Harz boomt – doch in absoluten Zahlen stehen Ziele am Meer weiterhin ganz vorne auf der Beliebtheitsskala der Deutschen: Sechs der zehn meistgebuchten Reiseorte befinden sich an Nord- und Ostsee. Populärste Urlaubsregion ist dabei der Landkreis Vorpommern-Rügen mit mehr als 1,5 Millionen Übernachtungen von Deutschen.
Berlin, Berlin – immer weniger reisen nach Berlin
Berücksichtigt man zusätzlich die Übernachtungen ausländischer Gäste, liegt derweil Berlin mit knapp 2,6 Millionen Übernachtungen auf Platz eins. Und das, obwohl die Hauptstadt gehörig an Beliebtheit eingebüßt hat: Gegenüber dem Jahr 2019 verzeichnet Berlin in der Analyse des IW einen Buchungsrückgang von 38 Prozent.
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Wichtigster Grund dafür: Insbesondere die ausländischen Gäste reisten im vergangenen Jahr weniger nach Berlin. Besonders hart traf es auch Köln. Die ausländischen Buchungen in der Rheinmetropole sanken im vergangenen Jahr um 50 Prozent.
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Ausländische Touristen reisten zwar eher in die deutschen Großstädte, erklärt Experte Rusche. Allerdings kommen insgesamt weniger Menschen aus anderen Ländern zu uns, die Buchungen sanken 2022 um 18 Prozent. "Einige der ausländischen Reisenden, insbesondere die Chinesen und die Russen fehlen komplett in der Statistik, weil sie nicht nach Deutschland reisen konnten", sagt Rusche.
So hatte etwa China im vergangenen Jahr noch harte Corona-Reisebeschränkungen. Erst seit vergangener Woche erlaubt der autoritäre Staat wieder Gruppenreisen nach Deutschland. Und durch die europäischen Sanktionspakete erhalten Russen weniger Visa für Europa. Hinzu kämen viele Unsicherheiten wegen des Krieges in der Ukraine, die Ausländer von einer Reise nach Deutschland offenbar eher abgehalten haben.
Buchungsplattformen werden bei Deutschen immer beliebter
Einen Teil dieses Rückgangs gleichen die Deutschen der Analyse zufolge dabei aus. Sie buchen häufiger über die vier Übernachtungsplattformen Booking, Airbnb, Expedia und Tripadvisor, statt über das Reisebüro. Booking, Trivago und Expedia sind sogenannte Meta-Hotelsuchen, die Hotels vermitteln und dafür eine Provision kassieren. Airbnb vermittelt vor allem private Wohnungen. Die Plattformen sind marktdominierend.
Airbnb, Booking und Co. haben ihre Zahlen vom Vor-Corona-Niveau bereits wieder übertroffen. Das überrascht, denn die gesamte Tourismusbranche hat mit 451 Millionen Übernachtungen hierzulande neun Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau eingebüßt. Insgesamt buchten die Deutschen im vergangenen Jahr 27,2 Millionen Übernachtungen über die vier Plattformen.
Insbesondere die Pandemie dürfte zum Erfolg der Plattformen beigetragen haben, ist sich Rusche sicher. Die Menschen hätten seit 2020 vermehrt auch nach Alltagsprodukten online gesucht, um sie dort zu kaufen. "Wenn man einmal online Klopapier gekauft hat, werden sich viele gedacht haben: Das hat gut geklappt. Vielleicht klappt das auch gut für eine Ferienunterkunft."
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Airbnb sieht in Deutschland wichtigen Markt
Ein zweiter Grund: Die Plattformen vermitteln die Unterkünfte nur. Damit konnten sie in der Corona-Zeit beispielsweise auch vermehrt Ferienwohnungen oder -zimmer auf dem Land anbieten, während etwa Kongresshotels in Städten einen Rückgang der Buchungen verzeichneten. Wer einmal über die Plattformen gebucht hat und die App noch auf dem Handy hat, werde das in der Tendenz eher wieder tun, ist sich Rusche sicher.
Und so wundert es nicht, dass Airbnb den deutschen Markt im aktuellen Quartalsbericht jüngst als besonders wichtig bezeichnete. Verglichen mit 2019 hätten die Buchungen hierzulande um fast zwei Drittel zugenommen. "Deutschland ist jetzt auf dem Weg, eines der größten Länder der Welt auf Airbnb zu werden", sagte Airbnb-CEO Brian Chesky bei der Vorstellung der Zahlen Anfang August.
Die Zahlen sind nicht nur für das amerikanische Unternehmen ein Erfolg, sondern auch für den hiesigen Tourismusmarkt. "Mit dem Wachstum dürfte Airbnb ein wesentlicher Treiber der Erholung im Vergleich zur Vorpandemiezeit sein", sagt IW-Volkswirt Rusche.
- Gespräch mit Christian Rusche
- IW-Kurzbericht 50/2023: "Die Bedeutung großer Online-Plattformen für den Tourismus in deutschen Kreisen und Städten"
- investors.airbnb.com: "Airbnb Q2 2023 Earning Calls"
- deutschertourismusverband.de: "Zahlen, Daten, Fakten: Das Tourismusjahr 2022 im Rückblick"