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LinkedIn-Managerin: Löst Vier-Tage-Woche Probleme der Arbeitswelt?


Interview
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LinkedIn-Managerin Wittmann
"Arbeiten ist in vielen Berufen anstrengender geworden"

InterviewVon Frederike Holewik

Aktualisiert am 03.07.2023Lesedauer: 6 Min.
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Fertigung bei Volkswagen in Hannover (Symbolbild): "Von einem Motivationsproblem würde ich nicht sprechen", sagt Wittmann über Forderungen nach einer Viertagewoche. (Quelle: IMAGO/Nancy Heusel)

Löst die Viertagewoche die Probleme der modernen Arbeitswelt? LinkedIn-Chefin Wittmann erklärt, was Unternehmen heute bieten müssen, um Mitarbeiter zu gewinnen.

Ob Bäckerei, Pflegeheim oder IT-Konzern: Überall fehlen Fachkräfte, und die Lage dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Der Druck auf die Unternehmen ist entsprechend groß, sie müssen für Bewerber attraktiv werden. Besonders genau wird diese Entwicklung bei der Karriereplattform LinkedIn beobachtet, denn Online-Bewerbungen und Stellenanzeigen sind ihr Geschäft.

Seit 2019 verantwortet Barbara Wittmann die Geschäfte des Konzerns im deutschsprachigen Raum. Im Interview mit t-online erklärt sie, wie Unternehmen Bewerber von sich überzeugen können, warum immer weniger Stellen komplett remote angeboten werden und inwiefern ihre Plattform mittlerweile das bessere Twitter ist.

t-online: Die Deutschen bräuchten wieder mehr Lust auf Arbeit, hieß es zuletzt unter anderem vom Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arbeitgeber, Steffen Kampeter. Gibt es aus ihrer Sicht ein Motivationsproblem?

Barbara Wittmann: Nein, von einem Motivationsproblem würde ich nicht sprechen. Die Mitarbeiter wollen aber genauer wissen, was im Unternehmen passiert: vom CO2-Fußabdruck in der Produktion über das soziale Engagement bis hin zu eigenen Entwicklungsperspektiven.

Woran liegt das?

Arbeiten ist in vielen Berufen anstrengender geworden. Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, die Digitalisierung hat die Arbeit verdichtet. Das erfordert ein hohes Maß an Anpassungs- und Lernbereitschaft. Hinzu kommt aktuell ein großes Sicherheitsbedürfnis. Die Inflation und der Ukraine-Krieg haben Gewissheiten zerstört.

Der anstrengenden Arbeit würden viele gerne mit einer Viertagewoche begegnen. Während Testläufe in anderen Ländern positive Ergebnisse erzielten, sind deutsche Unternehmen skeptisch. Woran liegt das?

Es schwingt immer die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit mit. Ich halte es daher für das Beste, wenn die Unternehmen selbst entscheiden. Klar ist dabei: Unternehmen, die eine Viertagewoche anbieten, werden in den Augen vieler Bewerber attraktiver sein. Und das müssen sie, denn derzeit kommt im Schnitt auf eine offene Stelle nur eine Bewerbung. Gleichzeitig kann ich mir aber auch nicht vorstellen, dass alle Arbeitnehmer die Viertagewoche wollen.

Wieso das?

Es gibt nicht ein Patentrezept für alle. Statt einem fixen freien Tag benötigen manche Arbeitnehmer eher mehr Flexibilität. Sei es für Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder auch mal einen Arzttermin.

Die Corona-Pandemie hat in dieser Hinsicht große Veränderungen in Gang gesetzt. Welche Rolle spielt das bei der Jobsuche aktuell?

Flexibilität ist viel wichtiger geworden als noch vor der Pandemie. In Zeiten des Fachkräftemangels denken viele Konzerne global und bieten hybrides Arbeiten an, um so auch das Einzugsgebiet in Metropolregionen zu erweitern. In Deutschland enthalten 32 Prozent der Stellenbeschreibungen aktuell die Möglichkeit, teilweise im Homeoffice zu arbeiten. In Großbritannien liegt der Wert sogar bei mehr als 40 Prozent.

Stehen also bald alle Bürogebäude leer?

Nein. Die Zahl der ausgeschriebenen Jobs, die komplett remote sind, geht wieder zurück. Im vergangenen Jahr enthielten 34 Prozent der Stellenausschreibungen die Möglichkeit, gänzlich remote zu arbeiten, aktuell sind es nur noch 7,6 Prozent. Unternehmen und auch viele Beschäftigte wollen, dass ein Teil der Arbeit im Büro verrichtet wird. Gerade auch zum Austausch untereinander.

Barbara Wittmann

Nach ihrem Abitur im bayerischen Friedberg studierte Barbara Wittmann in München und dem US-amerikanischen Austin Slavistik und Wirtschaftswissenschaften. Ihre Karriere begann zunächst in der Strategieberatung und führte sie dann zum Computerhersteller Dell. Seit 2016 ist sie in verschiedenen Positionen für LinkedIn tätig, seit 2019 als Chefin für den deutschsprachigen Raum.

In der Pflege oder im Handwerk können die Beschäftigten nicht im Homeoffice arbeiten. Wird das den Fachkräftemangel in diesen Branchen noch verstärken?

Die Lage wird nicht einfacher. Durch die demografische Entwicklung fehlt in allen Branchen Nachwuchs. Die Arbeitgeber müssen sich daher Gedanken machen, wie sie da attraktiver werden. Da wäre zum Beispiel eine Viertagewoche ein gutes Instrument. Allerdings stellt sich dann die Frage nach der Bezahlung, gerade in der Pflege werden aktuell noch immer sehr niedrige Gehälter gezahlt.

Noch einmal konkret: Was müssen Arbeitgeber bieten, um Mitarbeiter zu finden?

Das Wichtigste ist klare Kommunikation. Damit meine ich zum einen nach innen, etwa darüber, wohin sich das Unternehmen entwickeln soll, aber auch nach außen. Hier sollten Unternehmen auch verstärkt auf ihre eigenen Mitarbeiter als Markenbotschafter setzen.

Was noch?

Langfristige Planung ist wichtig, damit alle an einem Strang ziehen können, und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sollten sich Unternehmen stärker auf Aus- und Weiterbildung konzentrieren und sich ihre Talente selbst schaffen. Sei es bei der Einstellung Geflüchteter mit geringen Sprach-, aber guten Fachkenntnissen oder Personen mit einem weniger stringenten Lebenslauf.

Vor allem jüngere Menschen starten mit anderen Erwartungen in ihre ersten Jobs. Inwiefern macht sich das im Bewerbungs- und Einstellungsprozess bemerkbar?

Die Generation Z informiert sich über Jobs und Unternehmen vor allem online. Der größte Unterschied zu früheren Generationen ist: Heute ist es für junge Menschen normal, offen Themen anzusprechen, und sie sind selbstbewusst genug, Antworten einzufordern, denn sie wissen, dass es genug Jobs gibt. Und Bewerbungen mit einem Klick online ohne Anschreiben sind deutlich beliebter.

Viele Unternehmen halten daran aber noch fest.

Das ist ein Fehler. Denn die Motivation für die konkrete Stelle kann auch im ersten Gespräch abgefragt werden, anstatt sie in einem Anschreiben zu formulieren. Wenn solche Formalien aber gute Bewerber abschrecken, dann ist das ein Verlust für die Unternehmen, denn die junge Generation hat eine wichtige Sache verstanden.

Welche ist das?

Die junge Generation weiß, dass die Halbwertszeit von Wissen deutlich gesunken ist. Fähigkeiten, die aktuell gefragt sind, können schon in wenigen Jahren irrelevant sein. Deshalb wollen sie sich kontinuierlich fort- und weiterbilden.

Neben Geld und Flexibilität ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für viele Arbeitnehmer, besonders Arbeitnehmerinnen, ein wichtiger Faktor. Tut sich da etwas?

Es ist ein Teufelskreis: Es fehlen Fachkräfte zur Kinderbetreuung, was wiederum viele Mütter davon abhält, mehr Stunden zu arbeiten, obwohl sie das gerne würden. Flexibilität bei den Arbeitszeiten und die Möglichkeit zum Homeoffice kann dabei zwar helfen, aber das allein reicht nicht. Die Politik betont zwar immer wieder, dass Frauen eine wichtige Ressource gegen den Fachkräftemangel sind, aber das Betreuungsproblem ist bislang ungelöst.

Das hat auch deutliche Auswirkungen auf die Karrierewege von Frauen. Noch immer machen Frauen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt nur knapp ein Drittel der Führungskräfte aus. Was muss sich verändern?

Corona hat die Situation noch zusätzlich verschärft. Unternehmen müssen sich klar positionieren und aktiv werden. Besonders düster ist die Lage im MINT-Bereich, hier ist nur jede fünfte Position überhaupt mit Frauen besetzt, da gibt es also weiterhin ein Nachwuchsproblem.

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Sie sind selbst eine Frau in einer Führungsposition, zudem in der Techbranche – einem besonders männerdominierten Feld. Inwiefern haben Sie das in Ihrer Karriere gespürt?

Ich hatte großes Glück und wurde von meinen Chefs unterstützt. Mir war es dabei immer wichtig, klar zu kommunizieren und meine Ziele festzulegen. Ein Tipp, den ich jungen Frauen gerne gebe, ist: Stellt nicht eure eigenen Ambitionen zurück, sondern sucht euch ein Umfeld, das euch genau dafür schätzt.

LinkedIn ist in diesem Jahr 20 Jahre am Markt und hat damit auch eine besondere Zeit des Wandels in der Arbeitswelt begleitet. Welche Umbrüche waren da besonders spürbar?

Zum einen sind wir selbst stark gewachsen. Im deutschsprachigen Raum haben wir mittlerweile 20 Millionen Mitglieder, 2017 waren es noch 10 Millionen. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist das aber ein geringerer Anteil der arbeitenden Bevölkerung.

Woran liegt das?

Gerade in Deutschland netzwerken viele Menschen lieber von Angesicht zu Angesicht. Deshalb war die Corona-Pandemie für uns als digitale Plattform ein so wichtiger Antrieb. Als keine Präsenzveranstaltungen mehr stattfinden konnten, ging das Netzwerken und Austauschen bei uns weiter. Der Fachkräftemangel macht zudem erfinderisch, und die Unternehmen schauen auf verschiedenen Wegen nach neuen Mitarbeitern.

LinkedIn ist mittlerweile eine eigenständige Social-Media-Plattform geworden, viele CEOs und Politiker kommunizieren wichtige Botschaften darüber. Sind Sie das bessere Twitter?

Wir bieten unseren Mitgliedern verschiedene Formate und Tools, zum Beispiel die Möglichkeit, längere Texte zu veröffentlichen, oder auch Livestreams und Veranstaltungen abzuhalten. Wir haben zudem ein eigenes Redaktionsteam, das aktuelle Wirtschaftsnachrichten schreibt und kuratiert.

Gleichzeitig heißt diese Veränderung auch: LinkedIn-Beiträge sind Teil des Geschäfts, teils beschäftigen CEOs eigene Mitarbeiter, die Beiträge produzieren. War das so gedacht?

Pressestellen hatten große Konzerne schon immer. Das Interessante bei LinkedIn ist, dass viele CEOs dabei nicht nur für neue Mitarbeiter oder Interessenten schreiben, sondern oft auch vor allem für das bestehende Team. Die eigenen Mitarbeiter haben nämlich häufig ihren Arbeitgeber abonniert. So verbinden sie externe und interne Kommunikation.

Ähnlich wie auf anderen Plattformen berichten gerade Frauen in letzter Zeit vermehrt von unangebrachten Kommentaren und Anfragen. Wie gehen Sie mit Hatespeech und Belästigung um?

Unsere Priorität ist es, eine vertrauenswürdige Community zu bleiben. Deswegen haben wir Teams und auch technische Tools, um unsere Regeln durchzusetzen. Dabei ist es auch wichtig, dass unangemessenes Verhalten auch von unseren Mitgliedern gemeldet wird, dann können wir Accounts abmahnen oder auch sperren. Fake Profile sperren wir im Großteil der Fälle schon, bevor sie überhaupt online gehen.

Frau Wittmann, wir danken für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Barbara Wittmann
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