"Ampel hat sich verheddert" Klimaforscher rät zu neuem Heizungsgesetz
Eine Einigung zum Heizungsgesetz scheint noch in weiter Ferne zu liegen: Zwischen den Koalitionspartnern sind noch viele Fragen offen. Ein Klimaforscher fordert nun ein neues Gesetz.
Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer plädiert dafür, dass die Bundesregierung ihr umstrittenes Heizungsgesetz aufgibt und das Vorhaben neu startet. "Die Ampel hat sich beim Klimaschutz verheddert", sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Meine Empfehlung an die Ampel wäre es, kurz durchzuatmen, einen Schritt zurückzutreten und einen neuen Anlauf für die Heizungswende zu nehmen."
Edenhofer sprach sich für eine Steuerung über den Preis für den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) aus. "Den nationalen Emissionshandel mit Emissionsobergrenzen sofort arbeiten zu lassen, ist klüger als die Verbots- und Gebotspolitik."
Im Brennstoffemissionshandel-Gesetz (BEHG) könne eine Obergrenze für Emissionen festgelegt werden, die das Heizen mit Gas schrittweise, aber deutlich verteuere. Damit könne der Preisanstieg gedeckelt werden. "Die Regierung hat mit dem BEHG wirklich alle rechtlichen Möglichkeiten schon in der Hand", sagt Edenhofer. Dann würden die Menschen von sich aus auf weniger CO2-intensive Heizungen umstellen.
Deutscher Städtetag gegen Aufschiebung des Gesetzes
Der Klimaforscher sagte, er höre sehr oft, dass höhere CO2-Preise politisch nicht durchzusetzen seien. "Aber auch detaillierte Vorschriften wie beim Heizungstauschgesetz verärgern die Menschen und sind schwer durchzusetzen. Eine klare Kommunikation der Regierung, die den Leuten erklärt, warum das Heizen mit Gas teurer werden muss, mit welchen Preisanstiegen zu rechnen ist und wer mit welchen Rückerstattungen vor den Preisanstiegen geschützt wird, würde von der Bevölkerung akzeptiert."
Der Deutsche Städtetag hält nach den Worten von Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy hingegen nichts davon, das Gesetz auf die lange Bank zu schieben. "Wenn wir bis 2045 Klimaneutralität in der Wärmeversorgung erreichen wollen, brauchen wir jetzt Entscheidungen." Aber das Gesetz müsse angepasst werden. "Das ist im laufenden Gesetzgebungsprozess möglich", sagte Dedy den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Nach dem Rückzug von Energie-Staatssekretär Patrick Graichen diskutiert auch die Ampelkoalition über den Zeitplan zum Heizungsgesetz. Die FDP bleibt bei ihrer Forderung, dass der Entwurf umfassend überarbeitet werden müsse und es dafür mehr Zeit brauche.
Die SPD hält inhaltliche Änderungen ebenfalls für angebracht, will diese aber in die Beratungen über das Gesetz im Bundestag einbringen und damit in der nächsten Woche beginnen. Bundeskanzler Olaf Scholz von der SPD sagte hingegen, er rechne nicht mit grundsätzlichen Änderungen am Heizungsgesetz. Die Grünen drängen darauf, dass das Gesetz bis Anfang Juli verabschiedet wird – und dann Anfang 2024 in Kraft tritt.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) klagte über einen Mangel an Unterstützung durch Scholz. "Einen Klimakanzler kann ich schwer erkennen", sagte sie den Funke Zeitungen vom Wochenende.
Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des Gesetzes soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das soll für alle Eigentümer bis 80 Jahre gelten. Bestehende Öl- und Gasheizungen können weiter betrieben werden, kaputte Heizungen dürfen repariert werden. So soll der Abschied von klimaschädlichen Gas- und Ölheizungen eingeläutet werden.
Details zur Abfederung sozialer Härten noch offen
Der Umstieg soll laut Wirtschaftsministerium "durch gezielte Förderung unterstützt werden", die auch soziale Härten abfedere. Wie dies aber konkret aussehen könnte, ist noch unklar. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, entscheidend sei, dass die Förderung des Umbaus sozial ausgewogen gestaltet werde.
Man müsse "Faktoren wie das Einkommen noch stärker berücksichtigen". Für Bestandsbauten müssten neben der Wärmepumpe auch noch Alternativen zu Gas- und Ölheizungen zum Einsatz kommen können. Auch Fristen und Härtefallregelungen müsse man "nötigenfalls ausweiten".
Grüne wollen nach Einkommen gestaffelte Förderung
Die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, sagte der "Rheinischen Post": "Wir Grünen im Bundestag schlagen vor, die Förderung auf bis zu 80 Prozent der Kosten für kleine Einkommen anzuheben." Auch mittlere Einkommen bis 60.000 Euro im Jahr sollen nach ihren Worten eine höhere Förderung bekommen. "Wir schlagen oberhalb der Grundförderung von 30 Prozent für alle eine einkommensabhängige Staffelung der Förderung vor."
Der Zeitplan ist eng, wenn die Verhandlungen bis zum Sommer abgeschlossen sein sollen. Die parlamentarische Sommerpause beginnt am 7. Juli – dann tagt auch der Bundesrat das letzte Mal. Danach kommt der Bundestag planmäßig erst wieder Anfang September zusammen. Am 8. Oktober stehen Landtagswahlen in Hessen und in Bayern an – ein Datum, das die politischen Strategen fest im Hinterkopf haben dürften.
- Nachrichtenagentur dpa