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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rettungsaktion für Credit Suisse "Es läuft grundsätzlich etwas falsch"
Die UBS übernimmt die strauchelnde Credit Suisse. Die Marktmacht des neuen Geldriesen könnte in Zukunft zum Problem werden.
Die Übernahme der strauchelnden Schweizer Bank Credit Suisse (CS) durch die UBS hat einen neuen Riesen mit entscheidender Marktmacht geschaffen. An den Börsen sorgte das zunächst für Beruhigung bei den Anlegern. Doch das Konstrukt könnte in der Zukunft noch gefährlich werden, sagt Thorsten Hens, Wirtschaftsprofessor an der Universität Zürich, im Gespräch mit t-online. Denn: "Wenn diese Großbank nicht schrumpft, gibt es in der nächsten Krise keine Bank mehr, die sie aufnehmen kann."
"Bank runs", wie es sie zuvor bei der US-amerikanischen Silicon Valley Bank gegeben hatte, schließt der Experte aktuell hingegen aus. "Die Aktienmärkte haben sich vorerst beruhigt, und warum Kunden nun noch ihr Geld von der CS abziehen sollten, ist nicht klar", so Hens.
Tatsächlich ist an den Börsen wieder Ruhe eingekehrt: Während in der vergangenen Woche auch die Aktien anderer europäischer Banken mit heruntergezogen wurden, haben sich die Werte mittlerweile wieder stabilisiert. Auch in den USA notierte der Dow-Jones-Index und der S&P am Dienstag jeweils rund einen Prozent höher als am Vortag.
Rettung ist "zweite Feuerwehraktion"
Ist mit der Übernahme nun also die Gefahr komplett gebannt? Nein, so einfach ist es wohl nicht. Mit dem Zusammenschluss entsteht eine neue Großbank. Von einer "Monsterbank" möchte Hens dabei zwar nicht sprechen, denn das "hört sich zu böse an". Und zunächst einmal war es eine der wenigen Möglichkeiten, die zur Rettung der Credit Suisse zur Verfügung standen.
Doch dass das überhaupt nötig wurde, sei ein Problem. "Die Rettung der CS ist nun nach der UBS in 2008 die zweite Feuerwehraktion", so Hens. "Dies zeigt einerseits, dass grundsätzlich etwas falsch läuft im Bankenwesen." Positiv zu betonen sei, dass es gleichzeitig zeige, dass die Nationalbank in der Schweiz (SNB) in der Krise handlungsfähig sei.
Vertrauensverlust brachte CS in brenzlige Lage
Ob die aktuelle Beruhigung anhält, hängt allerdings vor allem von einer Frage ab: Vertrauen die Anleger dem neuen Bankenriesen? Denn mangelndes Vertrauen in die Führungsriege hat die CS erst in die brenzlige Lage und die Übernahmenot gebracht. "Man kann einen Patienten retten, wenn man das Bein amputiert, aber nicht, wenn man den Kopf amputiert!", so Hens, was so viel heißen soll wie: Die Lage heute ist eine andere als in der Finanzkrise 2008. Damals ging es um schlechte Hypotheken aus den USA, die von der Nationalbank übernommen und verkauft wurden. Ein schmerzhafter, aber verkraftbarer Eingriff. Um das Vertrauen der Anleger zurückzugewinnen, braucht es nun einen Wechsel an der Spitze, das geht nicht mehr in Eigenregie.
Mit mehreren Skandalen hatte das Geldhaus in den vergangenen Jahren die Gunst vieler Anleger verspielt (mehr dazu lesen Sie hier). Vor allem die Vermögensverwaltung, das Steckenpferd der Bank, war angeschlagen. Nach Gerüchten in den sozialen Medien, dass die Existenz gefährdet sei, zogen die Kunden allein im vierten Quartal 2022 insgesamt 111 Milliarden Franken (rund 111 Milliarden Euro) ab. Das Gesamtjahr schloss CS mit einem Verlust von 7,3 Milliarden Franken ab. Danach versprachen die Manager einmal mehr, dass die Bank umgebaut werde, man das verspielte Vertrauen zurückgewinnen wolle.
Nun wird der Umbau wohl deutlich schneller und tiefgreifender sein. Wie die "Financial Times" am Dienstag berichtete, werden im Zuge der Fusion Zehntausende Arbeitsplätze gestrichen. Wie viele Angestellte genau betroffen sind, ist noch nicht bekannt, aber es könnte bis zu einem Drittel der 120.000 Angestellten treffen, heißt es in dem Bericht. Betroffen sind dann wahrscheinlich vor allem Mitarbeiter in der Schweiz, da dort die Überschneidungen der beiden Banken am größten sind (mehr dazu lesen Sie hier).
Neben dem Personalabbau soll auch die inhaltliche Ausrichtung der Bank angepasst werden. UBS-Chef Hamers erklärte, dass die Investmentbankinggeschäfte der CS deutlich zurückgefahren würde. Stattdessen solle der Bereich der "konservativen Risikokultur" der UBS angepasst werden. Diesen Bereich anzugleichen war auch eine Forderung der Schweizer Bankenaufsicht während der Verhandlungen zum Übernahmeangebot gewesen.
Insgesamt sollen so bis 2027 pro Jahr acht Milliarden US-Dollar an Kosten eingespart werden, so Hamers in einem Analysten-Call am Sonntagabend. Sechs Milliarden Dollar entfallen dabei auf die Personalkürzungen, zwei weitere Milliarden auf Kürzungen in der IT.
Experte: Zinserhöhungen "schlichtweg das falsche Mittel"
Für Experten Hens müsste der Umbau im nächsten Schritt auch wieder Abspaltungen von einzelnen Geschäftsbereichen beinhalten. Er fordert: "Die Politik muss nun darauf drängen, dass diese Bank durch Verkauf von Teilen wieder schrumpft."
Denn schon vor der Fusion gehörte CS, wie auch die Deutsche Bank, zu den 30 systemrelevanten Banken der Welt. Zu dieser Einschätzung war der Finanzstabilitätsrat (FSB) gekommen, der das internationale Finanzsystem überwacht. Die UBS ist im Vergleich der Bilanzsummen ihrerseits noch einmal knapp doppelt so groß wie die CS. Die Kombination dieser beiden Marktgrößen bringt die neu entstehende Großbank auf ein Volumen, das kaum noch zu bändigen ist.
"Wenn diese Großbank nicht schrumpft, gibt es in der nächsten Krise keine Bank mehr, die sie aufnehmen kann", so Hens. Dann bleibe letztlich nur eine Verstaatlichung. "Die SNB hat viel Feuerkraft." Doch darauf kann und sollte sich die neue Großbank nicht verlassen. Es bleibe nun abzuwarten, welche Teile UBS veräußert und welche sie aus Wettbewerbsgründen versuchen wird zu behalten. Da sie CS in einer Krise übernommen hat, dürfte das zu deutlichen Gewinnen beim Verkauf von Unternehmenssparten führen, so Hens.
Zinsanstieg belastet Banken
Doch auch wenn bei der neuen Großbank alles gut läuft, sieht der Experte eine Gefahr: Das Bankenbeben in den USA könnte immer noch zu Erschütterungen auf dem europäischen Markt sorgen. Denn die beiden Phänomene hängen nicht miteinander zusammen. Während die CS vor allem mit Vertrauensverlust zu kämpfen hatte, hängen die Liquiditätsprobleme verschiedener kleinerer US-Geldhäuser mit der Zinswende zusammen. Im Kampf gegen die Inflation hatten die US-amerikanische Notenbank Fed und kurz darauf die Europäische Zentralbank im vergangenen Jahr die Zinsen angehoben.
So kam es etwa bei der Silicon Valley Bank (SVB) dazu, dass viele Kunden – in diesem Fall vor allem Techunternehmen – große Geldbeträge abzogen, da ihnen wegen der hohen Zinsen Investoren immer weniger frisches Geld gaben. Diesen hohen Liquiditätsbedarf wiederum konnte die SVB nicht decken und benötigte deshalb staatliche Hilfe.
Entsprechend kritisch sieht der Experte diesen Schritt der Notenbank im Rückblick: "Die Zinserhöhungen gegen die Inflation sind wie der Versuch, Viren mit Antibiotika zu bekämpfen: Es ist schlichtweg das falsche Mittel." Wie stark sich die US-Probleme auf den europäischen Markt auswirken, ist noch nicht abzusehen, und hängt mitunter auch damit zusammen, wie die einzelnen Länder insgesamt mit der Inflation umgehen und etwa durch Preisfestlegungen für bestimmte Güter gegensteuern.
- Statement von Thorsten Hens (Universität Zürich)
- ft.com: Tens of thousands of jobs at risk after UBS takeover of Credit Suisse
- manager-magazin.de: UBS streicht Zehntausende Stellen bei der Credit Suisse
- watson.ch: Hier erklärt CS-Chef Axel Lehmann das Ende seiner Bank
- faz.net: Auf diese vier Banker kommt es nun an
- tagesschau.de: Warum die Credit Suisse taumelte
- handelsblatt.com: So sicher ist Ihr Geld jetzt
- handelsblatt.com: UBS kauft sich laut Experten erstaunlich günstig eine gigantische Marktmacht
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters