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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erzeugerpreise fallen Diese Produkte werden absehbar wieder billiger
Die Erzeugerpreise steigen so langsam wie seit zwei Jahren nicht mehr. Was das für Verbraucher bedeutet.
Die Deutschen ächzen unter der hohen Inflation. Bier, Wurst, Friseurbesuche: Vor kaum einem Produkt, vor fast keiner Dienstleistung macht die Teuer-Welle Halt. Jetzt aber gibt es neue Hoffnung auf ein Ende der Preisrallye – und die dürfte sich schon bald im Supermarkt zeigen:
Die Erzeugerpreise steigen so schwach wie seit zwei Jahren nicht mehr. Das vermeldete am Freitag das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Bei einigen Dingen sanken die Preise auf Herstellerseite sogar. Ist der Spuk also bald vorbei? Können sich Verbraucher darauf einstellen, dass die Inflation zurückgeht, ja sogar darauf hoffen, dass manches wieder billiger wird?
Für Sebastian Dullien, Ökonom und Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, ist die Sache klar. "Das ist ein weiteres Indiz für ein baldiges Ende der hohen Inflation", sagte er t-online. "Wenn die Herstellerpreise nicht mehr so rasant steigen, kommt das früher oder später auch beim Endverbraucher an. Wir können uns teilweise sogar auf sinkende Preise freuen."
Zusammenhang zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen
Wie lange das dauert, ist allerdings offen. Denn: Zwischen Herstellern und Endkunden steht der Handel. Und der hat ebenfalls mit gestiegenen Kosten zu kämpfen, etwa beim Personal (mehr dazu lesen Sie hier). Deshalb müssen auch die Einzelhändler aus dem Weiterverkauf der Waren und Dienstleistungen mehr herausholen. Fallen die Produzentenpreise, sinken die Großhandels- und anschließend die Verbraucherpreise darum nicht sofort und nicht im gleichen Maße.
Allerdings gilt in der Marktwirtschaft: Wer versucht, dauerhaft hohe oder gar steigende Preise durchzudrücken, obwohl er das nicht müsste, verliert irgendwann seine Kunden an die Konkurrenz. Dullien: "Langfristig schlagen sich Entwicklungen bei den Erzeugerpreisen deshalb immer durch."
Konkret sind die Erzeugerpreise im April um 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Das ist das geringste Plus seit April 2021. Damals, während der Corona-Pandemie, stiegen die Herstellerpreise noch um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat April 2020. Zum Vergleich: Die Inflation, die die jährliche Änderungsrate bei den Verbraucherpreisen angibt, liegt aktuell noch deutlich höher. Im April betrug sie noch 7,2 Prozent.
Lebensmittelpreise steigen langsamer als zuletzt
Ein Treiber der steigenden Preise auf Herstellerseite waren zuletzt unter anderem die sogenannten "Investitionsgüter", womit etwa große Anlagen in Betrieben gemeint sind, aber auch Autos für Privatleute. So verteuerten sich laut Statistischem Bundesamt Maschinen um 8,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr, Kraftwagen und Kraftwagenteile waren 5,6 Prozent teurer als im April 2022.
Noch stärker aber ging es an der Lebensmittelpreisfront nach oben. Für Nahrungsmittel verlangten die Hersteller im Schnitt 13,6 Prozent mehr Geld als noch im April 2022. Besonders stark stiegen die Preise für Zucker (plus 88,9 Prozent gegenüber April 2022), verarbeitete Kartoffeln (plus 40,5 Prozent), flüssige Milch und Rahm (plus 23,3 Prozent) und Schweinefleisch (plus 18,5 Prozent).
"Das sind durchaus noch hohe Zuwachsraten", sagt auch Sebastian Dullien, "aber insgesamt schwächt sich der Preisauftrieb auch bei den Verbrauchsgütern, zu denen neben Lebensmittel auch andere Dinge des täglichen Bedarfs zählen, ab."
Handelsketten liefern sich erste Preiskämpfe
Nachdem sie sich im März laut Statistik noch um 15,4 Prozent verteuert hatten, fällt das Plus bei Verbrauchsgütern mit 11,4 Prozent im April deutlich kleiner aus. Das zeige, so Dullien: "Das Ende der hohen Inflation ist in Sichtweite. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, stagnieren die Preise für einige Gütergruppen bald. Das werden auch die Endverbraucher spüren."
Die gute Nachricht: Bei einigen Produkten dürfte nicht bloß Schluss sein mit weiteren heftigen Preissteigerungen. Teilweise können sich Verbraucher auch auf Rückgänge einstellen, wie sich schon jetzt mancherorts zeigt.
So liefern sich einige Handelsketten bereits seit Wochen Preiskämpfe, um Kunden anzulocken. Aldi und Lidl etwa werben gezielt mit Preissenkungen bei Butter. Derweil drängen Rewe und Edeka beim Großhandel auf niedrigere Einkaufspreise, weil Rohstoffe wie Weizen, vor allem aber auch Energie, wieder deutlich günstiger geworden sind (mehr dazu lesen Sie hier).
Diese Produkte werden sogar billiger
Dass sie mit dieser Argumentation mittelfristig Erfolg haben dürften, ist wahrscheinlich. Denn auch in den Erzeugerpreisen, die die Statistikbehörde für April ausgewertet hat, zeigt sich: Die Energiepreise, die seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gerade explodierten, steigen mit einem Mini-Plus von 2,8 Prozent inzwischen kaum noch.
Benzin und Diesel waren im April 13,4 Prozent günstiger als im Vorjahresmonat, leichtes Heizöl sogar 24,9 Prozent. Strom verbilligte sich über alle Abnehmergruppen immerhin noch um 2,9 Prozent. "Die Energiepreise sind bei der Lebensmittelherstellung ein großer Kostenfaktor", erklärt Dullien. "Gibt es hier starke Rückgänge, können Produzenten ihre Preise in der Regel senken."
Hoffnung machen dabei zwei Produkte, die viele Menschen häufig in den Einkaufswagen legen – und die wie beschrieben zuletzt schon günstiger wurden: Butter und Pflanzenöle. Gegenüber April 2022 sanken die Herstellerpreise für Butter um 22,4 Prozent, die für nicht verarbeitete pflanzliche Öle sogar um 35,7 Prozent.
- Telefonat mit Sebastian Dullien
- Destatis: Erzeugerpreise-Statistik für April 2023