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Tödliche Selfies in Südostasien | Wenn das perfekte Foto das Leben kostet


Tödliche Selfies in Südostasien
Wenn das perfekte Foto das Leben kostet

Mehr als 30 Inder sterben jedes Jahr beim Selfie-Machen. Daran ändern auch Verbotszonen nichts. Und im Top-Urlaubsziel Sri Lanka begeben sich auch immer mehr Touristen vor exotischer Kulissen in Lebensgefahr.

29.12.2018|Lesedauer: 4 Min.
dpa, Nick Kaiser
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Traumstrände, Natur, wilde Elefanten – Sri Lankas Charme zieht Touristen an. Darunter eine 35-jährige Deutsche, die vor wenigen Wochen den Horton-Plains-Nationalpark im zentralen Hochland des Inselstaates besuchte. An einer mehr als 1.000 Meter hohen Klippe, die "World's End" (Ende der Welt) genannt wird, wollte sie ein Selfie machen - und stürzte in den Tod.

Indien, Mumbai: Ein Mann macht ein Selfie vor einer Welle die über die Promenade spritzt.Vergrößern des Bildes
Indien, Mumbai: Ein Mann macht ein Selfie vor einer Welle die über die Promenade spritzt. (Quelle: Rafiq Maqbool/ap-bilder)

Der weltweit bekannte Reiseführer "Lonely Planet" hat Sri Lanka zum Top-Reiseziel im kommenden Jahr erklärt – Deutschland landete auf Platz zwei. Eine tolle Nachricht für das Land im Indischen Ozean, das neun Jahre nach dem Ende eines jahrzehntelangen Bürgerkrieges die Einnahmen aus dem Tourismus gut gebrauchen kann. Umso wichtiger, dass sich Tragödien wie die der deutschen Touristin nicht häufen.

Mit ihrer Vorliebe, sich selbst vor schönen Kulissen zu fotografieren, begeben sich Touristen aber nicht selten in Gefahr – in Sri Lanka zum Beispiel auf den pittoresken Bahnstrecken durch den Dschungel des Landesinneren. "Die Zahl der Ausländer, die aus fahrenden Zügen auf das Trittbrett steigen, um Selfies zu machen, nimmt zu", erzählt der Sicherheitschef von Sri Lankas Bahngesellschaft, Anura Premaratna. "Unsere Schaffner müssen ihnen ständig sagen, dass sie im Wagen bleiben sollen."

450 Todesfälle auf den Zugstrecken

In diesem Jahr hat es ihm zufolge schon 450 Todesfälle auf den Zugstrecken Sri Lankas gegeben - wie viele davon bei Selfies passierten, sei statistisch nicht erfasst. Ein vergangenes Jahr beschlossenes Selfie-Verbot auf Bahnschienen werde bislang nicht durchgesetzt.

Der große Nachbar Indien ist aber mit Abstand das Land mit den meisten Selfie-Toten, wie zwei Studien ergeben haben. Forscher der indischen Universitätskrankenhaus-Kette "AIIMS" berichteten vor wenigen Monaten, es habe zwischen Oktober 2011 und November 2017 weltweit 259 Todesfälle beim Selbstfotografieren gegeben - etwa die Hälfte davon in Indien.

2016 hatten Wissenschaftler des Instituts für Informationstechnologie (IIT) in Delhi und der US-amerikanischen Carnegie Mellon University eine Studie mit ähnlichen Ergebnissen präsentiert. Mit weitem Abstand folgen demnach hinter Indien Länder wie Pakistan, Russland und die USA. Seit März 2014 seien 139 Inder beim Selfie-Machen gestorben, sechs davon außerhalb Indiens, erklärt Ponnurangam Kumaraguru, einer der Autoren der IIT-Studie. Hinzu kämen fünf Ausländer in Indien.

Auch die Fahrt auf der Rolltreppe wird fotografiert

Ein Grund für die hohen Zahlen mag Indiens Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden Menschen sein. Eindeutig ist das Selbstfotografieren auf dem Subkontinent aber auch weiter verbreitet als in manch anderen Ecken der Welt. Leute mit ausgestrecktem Arm und auf sich selbst gerichtetem Handy sieht man in indischen Städten überall: in Restaurants, Einkaufszentren, U-Bahnen, Flugzeugen, oder einfach auf der Straße. Selbst eine Fahrt auf einer Rolltreppe ist für manche offensichtlich denkwürdig genug, fotografisch festgehalten zu werden.

Ein Phänomen, das wohl die meisten Indien-Besucher kennen, ist es, dass Inder gerne auf Ausländer zugehen, um mit ihnen Selfies aufzunehmen - manchmal, ohne vorher zu fragen. Ein junges Paar aus der Schweiz wurde vergangenes Jahr im bei Touristen beliebten Ort Fatehpur Sikri von einer Gruppe indischer Jugendlicher zusammengeschlagen - Berichten zufolge, weil sie ein gemeinsames Selfie abgelehnt hatten.

Fremdenführer erzählen, sie müssten Touristen inzwischen vor aggressiven Selfie-Anfragen schützen. Fotos - vorzugsweise mit jungen, weißen Frauen - mit der Kennung #selfiewithforeigner (Selfie mit Ausländer) machen unter Indern in sozialen Medien die Runden.

Ein gewisser Hang zur Selbstdarstellung

Kumaraguru, Co-Autor der IIT-Studie über Selfie-Todesfälle, führt den Selfie-Wahn darauf zurück, dass viele Inder erst seit kurzem Zugang zu internetfähigen Handys haben. Billig-Smartphones und mobile Internetdaten für wenig Geld machten dies möglich. "Und jedes neue Handy wird in Werbungen vor allem als Kamera vermarktet", sagt er. Außerdem hänge es damit zusammen, dass zwei Drittel der Bevölkerung jünger als 35 Jahre sind. Ein gewisser Hang der jungen Inder zur Selbstdarstellung spiele wohl auch eine Rolle.

Den Studien zufolge sind es vor allem junge Männer, die riskante Selfies machen - etwa an Klippen, auf den Dächern hoher Gebäude oder am Rande von Gewässern. Ertrinken ist demnach eine häufige Todesursache. In der indischen Unterhaltungs- und Finanzmetropole Mumbai und im bei Urlaubern beliebten Küstenbundesstaat Goa gibt es inzwischen Orte, an denen Selfies verboten sind. An einer neuen Brücke in Delhi soll eine Ecke für Selfies eingerichtet werden, nachdem Menschen sich aus fahrenden Autos lehnten und auf der Brücke herumkletterten, um besonders gute Fotos zu schießen.

Die "No-Selfie Zones" in Mumbai und Goa zeigten kaum Wirkung, zumal sie nicht ausgeschildert seien, sagt Kumaraguru. Der IT-Professor und Experte für soziale Medien meint, eine bessere Lösung zu haben: Zusammen mit Kollegen hat er eine App namens Saftie entwickelt, die eine Datenbank mit rund 7000 Orten weltweit enthält, an denen es gefährlich sein kann, ein Selfie zu machen. Außerdem kann die App durch die Handy-Kamera erkennen, ob man beim Selfie-Schießen einem Abgrund oder Gewässer zu nahe steht.


Noch hat Saftie nicht sehr viele Nutzer. Kumaraguru hofft aber, dass Internetunternehmen wie Google oder Snapchat die Technologie in ihre Anwendungen integrieren. "Es geht hier darum, Leben zu retten", meint er.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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