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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bares für Rares Alte Handys wieder schick und teuer
Erst kam das Fahrrad ohne Gangschaltung zurück, danach folgte die LP – und jetzt zeichnet sich das Comeback der Retro-Handys ab. Skurrile und vor allem rare Modelle erzielen inzwischen hohe Preise. Auch einige Klapphandys entwickeln sich derzeit zum Hingucker-Accessoire für Hipster.
Der legendär gierige Investor Gordon Gekko steht am Strand von Los Angeles, die Sonne geht auf, und er telefoniert. Ans Ohr hält er ein Mobiltelefon – beige, kantig, rund 30 Zentimeter hoch, fast ein Kilogramm schwer und klobig wie ein Ziegelstein mit Antenne. Diese Szene im 1987 erschienenen Spielfilm "Wall Street" mit Michael Douglas ist die Hollywood-Premiere für das erste serienreife Handy der Welt, das Motorola DynaTac 8000X, das es 1983 für knapp 4000 Dollar in ein paar Läden der USA zu kaufen gab.
Mit dem Klotz konnte man mit einer Akkuladung maximal eine Stunde telefonieren, das schmale Display zeigte lediglich in grellem Rot die gewählten Ziffern. Features, Extras? Gab es nicht. Einige Jahre später galt das Gerät als Elektronikschrott: Nutzlos, wertlos, veraltet. Doch die Zeiten ändern sich: Das 8000 X und einige andere Handy-Dinosaurier entwickeln sich zu gesuchten Sammlerstücken, für die sehr hohe Preise gezahlt werden. Allerdings nur, wenn sie in allerbestem, möglichst fabrikneuem Zustand zu haben sind.
Rarität lässt die Preise steigen
Auf Ebay kostet der "Knochen" inzwischen, je nach Zustand, zwischen 650 und etwa 2700 Euro. "Das 8000X ist rar, denn damals wurden nur wenige Geräte gebaut. Das lässt die Preise derzeit steigen", weiß Djassem Haddad aus Paris , der schon seit 2009 in seinem Shop "Vintage Mobile" mit Handys und Smartphones früherer Jahre handelt. Ebenso rar und gesucht ist auch das erste Nokia-Mobiltelefon aus dem Jahr 1982: Das Nokia Mobira Senator hatte einen Tragriemen, mit dem man sich das Gerät – groß wie eine Autobatterie – über die Schulter hängen und mitnehmen konnte. In gutem Zustand kostet es derzeit mindestens 1200 Euro.
Doch so alt muss ein Handy gar nicht sein, um einen satten Preis zu erzielen: Das erste iPhone von Apple aus dem Jahr 2007 wird in der Originalverpackung auf Ebay für bis zu 25.000 Dollar angeboten. Das gibt den Trend vor – doch Szenekenner Haddad sagt, dass solche Preise bislang kaum erzielt werden. "Ich glaube nicht, dass so ein iPhone für diesen Preis wirklich gekauft wird", erzählt er, "aber ich denke, Preise zwischen 2000 und 5000 Dollar lassen sich mit fabrikneuen Geräten durchaus erzielen."
Fan- und Sammlerszene in GB und USA
Längst hat sich vor allem in Großbritannien und den USA eine Fan- und Sammlerszene gebildet, die sich aus Nerds, Bastlern, Design-Interessierten und Zeitgenossen der frühen Modelle zusammensetzt. Inzwischen gibt es etwa ein dutzend Onlineshops, dazu Sammler-Websites und Foren mit Tipps zum Telefonieren und Restaurieren. Auch auf Ebay gibt es viele – seriöse und unseriöse – Anbieter, die alte Handys ohne Internetzugang, Touchscreen und App-Download zwischen 20 und 1000 Euro anbieten. Für wenige Euro lassen sich längst auch Adapter kaufen, die aktuelle SIM-Karten in die großen Kartenschächten früherer Geräte integrieren.
Neben bis heute wertloser Massenware sind vor allem die Modelle mit aus heutiger Sicht schrägem und skurrilem Design ziemlich hip geworden: „Bei mir werden ziemlich häufig etwa das Samsung P300 und das Nokia 7380 von Sammlern nachgefragt“, bestätigt Haddad.
Das Samsung P300 mit passendem Lederetui kam 2006 in die Läden und sieht aus wie eine rechteckige Mischung aus Telefon und Taschenrechner mit farbigem Display, 1,3 Megapixel-Kamera und 90 Megabyte Speicher. Das Nokia 7380 aus dem Jahr 2005 dagegen sieht aus wie schmales Design-Diktiergerät. Das Display verfügt über eine Auflösung von 208 × 104 Pixeln, es bietet eine zwei Megapixel starke Kamera und 50 Megabyte Speicherkapazität. Ziemlich gewöhnungsbedürftig ist die Bedienung über eine damals innovative, kreisrunde Einheit mit Funktionstasten zum Wählen, Telefonieren und SMS lesen. Derzeit kostet es zwischen 200 und 400 Euro.
Trendobjekt Klapphandy
In die Kategorie "eigenwilliges Edeldesign" gehört auch das Motorola Aura V70 R1, das bei Erscheinen Anfang 2009 rund 1400 Euro kostete. Derzeit ist es zwischen etwa 1000 und 2000 Euro zu haben, die limitierte Gold-Edition erzielt sogar über 3000 Euro. "Ich habe sehr viele Anfragen nach diesem Gerät", bestätigt Haddad.
Neben einstigen Edeltelefonen in ausgefallenem Design, die nun zu Sammlerstücken werden, zeichnet sich ein weiterer Trend ab: Das gute, alte Klapphandy entwickelt sich langsam zum Modeobjekt. Einige Hollywood- und Popstars ließen sich inzwischen mit so einem Retro-Handy fotografieren, und auch die Hersteller schielen wieder auf den Deckel über den Tasten. Denn ein Smartphone hat heute fast jeder – wer anders als die anderen auftreten will, tauscht das wichtigste Accessoire der Gegenwart gegen ein Gerät mit weniger Funktionen und lässigem Retro-Design.
Nicht alle taugen als Sammlerstück
Das Motorola StarTac 70 aus dem Jahr 1997 in der raren Ausführung in "Rainbow"-Farben geht beispielsweise bei Vintage Mobile inzwischen für satte 500 Euro über den Ladentisch. Auch das Nokia 8800, dessen Deckel nicht aufgeklappt, sondern nach unten geschoben wird, erzielt inzwischen Preise um 400 Euro. Die limiterten Luxus-Editionen dieses Modells aus Carbon oder Gold, die UMTS-Empfang bieten, werden derzeit für Preise zwischen 800 und 3000 Euro gehandelt. "Bei den Klapphandys werden sich wahrscheinlich aber nur ein paar Modelle zu Sammlerstücken entwickeln", sagt Djassem Haddad, "denn die Stückzahlen sind riesig gewesen. Dazu haben viele Handys, die nur geringe Verkaufszahlen aufweisen konnten, einige technische und mechanische Probleme. Die werden keine gesuchte Rarität."
Doch ihre Reduktion aufs Wesentliche und das bequeme Transportieren auch in der Hosentasche sind inzwischen wieder gute Argumente. Ein echter Vorteil sei der sichere Schutz der Tastatur vor versehentlichem Wählen, dem "Butt Dialing", wie es in den USA heisst. Dazu sind die guten Modelle stabil und unempfindlich gegen Stürze, was man von Smartphones ja nun genau nicht behaupten kann. Deren Verkaufsargument "Mehr Features für immer weniger Geld" verkehrt sich da ins Gegenteil: Weniger ist mehr.