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Habeck will Kanzler werden: Rückkehr zu X sorgt für Aufsehen


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Habeck will Kanzler werden
Er ist bereit, einen sehr hohen Preis zu zahlen

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

13.11.2024Lesedauer: 4 Min.
Robert Habeck bei X: Gut inszenierte Posts auf der Plattform, die der Vizekanzler einst verlassen hatte.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck bei X: Gut inszenierte Posts auf der Plattform, die der Vizekanzler einst verlassen hatte. (Quelle: Screenshot vom X-Account @roberthabeck)

Robert Habeck strebt nach dem Kanzleramt und kehrt dafür sogar zu X zurück. In beiden Fällen geht es ihm um die wichtigste Währung im Wahlkampf.

Robert Habeck will Kanzler werden. Das kann man selbst bei nur flüchtiger Musterung der aktuellen Umfragewerte der Grünen albern finden. Aber wollen kann man ja vieles, und auch beim Rennen ums Kanzleramt gilt: Dabei sein ist zwar nicht alles, aber sehr vieles. Das weiß Habeck genauso wie Alice Weidel. Allein eine Kandidatur sichert ihm schon kolossale Aufmerksamkeit. Auch Weidel wird höchstwahrscheinlich von ihrer Partei als Kandidatin nominiert, und ihre Chancen stehen mindestens genauso mies wie Habecks. Allerdings aus anderen Gründen: Keine andere Partei will mit der in Teilen rechtsextremistischen AfD, deren Co-Chefin Weidel ja ist, koalieren.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Sind Habeck und Weidel verblendet? Im Gegenteil. Sie wissen, was sie tun. Denn wie gesagt: Aufmerksamkeit ist die wichtigste Währung im Wahlkampf. Wer kandidiert, schafft es in die TV-Runden und in die Dokus, die kurz vor Wahlen gesendet werden. Wer kandidiert, steht im Rampenlicht. Aber natürlich muss man dafür auch etwas tun: Das Rampenlicht suchen. Auch das weiß Habeck. Und ist bereit, einen sehr hohen Preis dafür zu zahlen.

Er hatte Fehler gemacht

Habeck ist nämlich zurück auf der Plattform, die er verlassen hat, als sie noch Twitter hieß. Der polarisierende Tonfall färbe auf ihn ab, begründete Habeck seinen Schritt vor rund sechs Jahren.

Tatsächlich war auch damals schon die Hölle los auf Twitter, das nun, nach der Übernahme durch Elon Musk, erstens X heißt und zweitens ganze Galaxien an Anstand und Sitte eingebüßt hat. Habeck hatte vor seinem Abgang aus den sozialen Netzwerken (auch von Facebook verabschiedete er sich) Fehler gemacht.

Anfang Januar hatte er in einem von den Thüringer Grünen auf X veröffentlichten Video kurz vor der dortigen Landtagswahl gesagt: "Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land." Damit sagte er im Grunde: Thüringen sei zum Zeitpunkt seiner Ansprache kein demokratisches Land. Eine an sich schon problematische Analyse. Zusätzlich vor dem Hintergrund, dass die Grünen damals dort mitregierten.

Habeck will edel und stark klingen

Vergessen, vorbei. Habeck feiert nun sein Comeback. Und so begründet er seine Entscheidung, wieder auf einer Plattform zu posten, die er schon schlimm fand, als sie noch nicht annähernd so entsetzlich war wie jetzt: "Orte wie diesen den Schreihälsen und Populisten zu überlassen, ist leicht. Aber es sich leicht zu machen, kann nicht die Lösung sein. Nicht heute. Nicht in dieser Woche. Nicht in dieser Zeit. Deshalb bin ich wieder auf X."

Das klingt edel, hehr, wehrhaft, widerständig. Das klingt stark, und ich sag mal so: Der große Jubel über Olaf Scholz' Ansprache vergangenen Mittwoch, in der er Christian Lindner nach dessen Rausschmiss aus der Ampel frontal angriff, zeigt: Der Markt für einen starken Mann an der Spitze einer Bundesregierung ist durchaus da.

An X kommt man nicht vorbei

Nur: Das ist heuchlerisch. Erstens ist es angesichts der ungebremsten Masse an Wut, Häme und Desinformation auf X gar nicht mehr möglich, dem etwas Konstruktives, Seriöses entgegenzusetzen. Die Trolle, ob automatisiert oder aus Fleisch und Blut, sind völlig außer Kontrolle – denn mit Musk lenkt dort ja der Obertroll die Geschicke. Und zweitens wissen wir alle: Habeck ist zurück, weil man an X, also diesem Musk, nicht vorbeikommt.

Das kann man ihm nicht verdenken. Er wäre ein Narr, würde er auf die kolossale Reichweite von X verzichten. Das kann er sich gar nicht leisten im politischen Wettbewerb. Zwar sind mit Mastodon, Threads und Bluesky Alternativplattformen entstanden. In ihrer Reichweite sind sie aber nach wie vor Zwerge im Vergleich zu X. Nicht nur die nackten Zahlen weisen X als Platzhirschen aus (2023 monatlich 421 Millionen Nutzer), sondern auch die sogenannten Multiplikatoren, die dort nach wie vor auch in hoher Zahl vertreten sind: Politiker, Ministerien, Institutionen, Medienhäuser, Journalisten.

Habeck kommt, so bitter das ist, um X also nicht herum. Aber er könnte sich zumindest ehrlich machen und einen gigantischen Fehler der Politik einräumen: Leute wie Elon Musk und Mark Zuckerberg sind übermächtig. Selbst aufrechte Demokraten müssen ihr Spiel mitspielen – im Kampf um Wählerstimmen.

Swifties haben rübergemacht

Andere sind da freier in ihrer Entscheidung. Wie der Social-Media-Podcast "Haken dran" berichtet, formiert sich gerade eine Art Exodus: Fans von Mega-Popstar Taylor Swift, sogenannte Swifties, organisieren demnach aktuell ihren Umzug zu Bluesky.

Swift hatte die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris im US-Wahlkampf unterstützt. Nachdem nun mit Donald Trump ein Kumpel von Musk gewonnen hat und letzterer noch freier dreht als ohnehin schon immer, haben viele Swifties nun die Nase voll und packen ihre digitalen Siebensachen. Wie viele von ihnen zu den 700.000 neuen Bluesky-Accounts gehören, die Bluesky laut dem britischen "Guardian" seit der US-Wahl verzeichnet – unklar. Es ist aber ein Trend. 14,5 Millionen Nutzer meldet Bluesky nun, so der "Guardian". Ein ordentlicher Sprung: Im September seien es noch neun Millionen gewesen.

Auch Habeck ist auf Bluesky. Aber anders als andere verlässt er X nicht. Das Leben ist ein Kompromiss. Manchmal ein sehr, sehr fauler.

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