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Kamala Harris von Fake-News-Welle im US-Wahlkampf attackiert


Meinung
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Lügen im US-Wahlkampf
Schon jetzt regieren die Dreckschleudern

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 24.07.2024Lesedauer: 4 Min.
imago images 0714687404Vergrößern des Bildes
Kamala Harris: Die Vize-Präsidentin wird wahrscheinlich die Kandidatin der Demokraten bei der US-Wahl. (Quelle: IMAGO/Pool/ABACA)

Kaum gilt Kamala Harris als wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten, überflutet eine Welle an Fake News das Internet. Skrupellosigkeit und Dummheit machen es möglich.

Kamala Harris hatte Kontakt zum Investmentbanker und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Sie hätte gar nicht Vize-Präsidentin werden dürfen, denn ihre Eltern stammen aus Indien und Jamaika. Kamala Harris hat als Escortdame gearbeitet.

All das haben Sie schon gelesen? Falls ja: All das stimmt nicht. Falls nein: Es wäre ein Wunder, wenn Ihnen die ein oder andere ausgedachte Meldung nicht noch unterkäme. Denn seitdem Joe Biden (Gott sei Dank) endlich eingesehen hat, dass es für ihn Zeit war, wird Vize-Präsidentin Harris als höchstwahrscheinliche Kandidatin für das Weiße Haus gehandelt. Noch ist sie nicht nominiert, noch ist der Wahlausgang völlig unklar – also auch, wer die USA künftig regiert. Die Dreckschleudern namens Fake News aber, die regieren schon längst.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf der Plattform X – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Auch ein Video erlebt derzeit ein Comeback, in dem Harris vermeintlich diesen Unsinn erzählt: “Heute ist heute. Und gestern war heute gestern. Morgen wird heute Morgen sein. Also lebe heute, damit die Zukunft heute so sein wird wie die Vergangenheit heute, wie sie morgen ist."

Man kann über diese Sequenz ganz klar sagen: Harris wirkt darin nicht wie jemand, in deren Händen man Macht wissen möchte. Der man Nuklearcodes mitteilen sollte. Sie gebärdet sich darin nicht wie jemand, die ins Oval Office gehört. Sondern wie jemand, die nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.

Man muss über dieses Video allerdings auch ganz dringend dies sagen: Es ist nicht echt. Und es ist nicht neu. Aus aktuellem Anlass aber werfen die Fake-Dreckschleudern es jetzt wieder auf den Markt. Wie "Newsweek" berichtet, wurde die Tonspur manipuliert. Das Originalvideo zeigt Harris, wie sie 2023 eine Rede an der Howard Universität hält. Und es zeigt Harris, wie sie spricht, bevor interessierte Kreise am Video herumgeschraubt haben, um sie zu diskreditieren: wie ein zurechnungsfähiger Mensch.

Hätten wir nicht längst Erfahrung mit Falschbehauptungen als Mittel politischer Auseinandersetzungen – und zwar jahrzehntelange – und gäbe es nicht seit geraumer Zeit die Brandbeschleuniger namens Social Media, könnten wir das alles als unterhaltsames Getöse belächeln. Und wenn wir nicht um zwei sehr konkrete, diesen Wahlkampf noch mal auf ein anderes Level der zu erwartenden Niedertracht hebende Phänomene wüssten: erstens um das Potenzial von Künstlicher Intelligenz. Und zweitens um die grenzenlose Skrupellosigkeit von Donald Trump.

Es finden sich immer Menschen, die Quatsch glauben

Hinzu kommt, und das führt zu einer denkbar fürchterlichen Kombination, dass leider auch der Dummheit mancher Leute keine Grenzen gesetzt sind. Liest sich hart? Ich weiß. Und ich wünschte, es wäre anders. Aber hier kommt der Beleg. Er nennt sich "Pizzagate".

Pizzagate stammt auch aus einem Präsidentschaftswahlkampf. Damals hieß die demokratische Kandidatin Hillary Clinton. Sie sei verwickelt in einen Kinderporno-Ring, der von einer Pizzeria in Washington aus operiere, hieß es damals. 2016 war das. Und Clintons Herausforderer hieß: Donald Trump.

Ich weiß, es klingt abstrus, es klingt bizarr, man könnte das abtun, dass die ehemalige First Lady mit einer Kinderporno-Bande zu tun hat. Das denken Sie und das denke ich. Nur: Es findet sich immer jemand, der auch den allerletzten Quatsch, die böseste Behauptung, die dümmstmögliche Verschwörung glaubt. Am 4. Dezember 2016 drang ein mit einem Gewehr bewaffneter Mann in die Pizzeria ein, um die angeblich dort festgehaltenen und missbrauchten Kinder im Keller zu befreien. Verletzt wurde niemand – aber beschädigt war ganz offensichtlich schon vorher das Urteilsvermögen nicht nur dieses Mannes. "Pizzagate" kursiert bis heute, und es gibt nach wie vor Menschen, die wahrhaftig daran glauben.

Blitzschnell die Situation erkannt

Von diesem Wissen angestachelt, wird die Trump-Truppe, werden radikale Medien, wird der Mob in den sozialen Medien weitermachen.

Nun ist es selbstverständlich großer Quatsch, als Argumente für Harris' Wahl anzuführen, neben ihr würde Trump alt aussehen. Wir alle kennen Trumps hochgereckte Faust nach dem Attentat auf ihn. Und wir alle haben ihn auf dem Video mehrfach direkt nach den Schüssen auf ihn sagen hören: "Ich brauche meine Schuhe." So eine Nebensächlichkeit wie Schuhe, nachdem man nur sehr knapp und mit riesigem Glück einem Mordversuch entkommen ist – und noch dazu überhaupt gar nicht weiß, was da eigentlich gerade passiert ist – das deutet sehr klar auf einen Schock hin. Und trotzdem erkennt der 78-Jährige blitzschnell die Gelegenheit, die sich ihm bietet: für ikonische Bilder zu sorgen. Während er von Secret Service-Leuten von der Bühne geführt wird, reißt Trump die Faust hoch.

 
 
 
 
 
 
 

Sie wird jetzt ernst genommen

Zwar wäre ich zurückhaltender als andere Kollegen, die seit diesem Moment schon zu wissen meinen, wer die Wahl gewinnt. Zweifelsohne aber hat Trump herausragend geistesgegenwärtig gehandelt. Das muss ihm erst mal jemand nachmachen.

Und auch das Argument, dass Harris eine Frau ist, bietet keinen ernsthaften inhaltlichen Impuls für ihre Wahl zur ersten Präsidentin der Vereinigten Staaten. Harris aber steht für eigene Inhalte, auch wenn sie in den vergangenen Jahren blasser blieb, als es für ihre nun wohl anstehende Kampagne gut gewesen wäre. Dass derartige mediale Geschütze – präziser Lügen – aufgefahren werden, zeigt, dass Trump und seine Jünger sie durchaus ernst nehmen. Auf Spatzen muss man nicht mit Kanonen schießen.

Verwendete Quellen
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