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ChatGPT kann jetzt sprechen: Fast zu empathisch für Menschen


Meinung
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Virtuelle Freundin
Das kann nicht wahr sein

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

Aktualisiert am 22.05.2024Lesedauer: 4 Min.
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Scarlett Johansson im Film "Fly Me to the Moon": In dem Film "Her" lieh sie ihre Stimme der KI-Kreation Samantha. Die Stimme von ChatGPT will sie nicht sein. (Quelle: IMAGO/Supplied by LMK )
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Mit der Sprachfunktion unternimmt die KI ChatGPT einen weiteren Schritt in Richtung empathischer Kommunikation. Unserer Kolumnistin Nicole Diekmann geht ihre Liebenswürdigkeit fast auf die Nerven.

Kennen Sie Samantha? Samantha war vor einigen Jahren für eine kurze Zeit das Thema in meinem Freundeskreis. 2013 war das. Da lief in den Kinos der Film "Her". Darin geht es um den unglücklichen Theodore. Theodore steht kurz vor der Trennung von seiner Jugendliebe. Theodore ist also unglücklich und braucht jemanden zum Reden. Mithilfe einer umjubelten Software schafft er sich kurzerhand eine künstliche Freundin. Die binnen kurzer Zeit zu so viel Mitgefühl in der Lage ist wie manche von Theodores Kunden nicht: Er verdient sein Geld damit, Briefe zu schreiben im Auftrag von Menschen, die ihre Gefühle nicht gut ausdrücken können. Theodore ist also empathisch und füttert seine Eigenkreation namens Samantha dermaßen gut mit Informationen, dass diese immer mitmenschlicher wird. Menschlicher. Dermaßen menschlich, dass Theodore sich in seine Kreatur verliebt.

"Her" spiele in einer "nahen Zukunft", schreibt Wikipedia. 2013, als wir alle sehr fasziniert waren von der Vorstellung dermaßen intelligenter Künstlicher Intelligenz, lag diese Zukunft für uns noch in weiter Ferne. Jetzt aber, 2024, ist sie schon sehr, sehr nah dran an der Realität und Gegenwart.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf Twitter – wo sie über 120.000 Fans hat. Dort filetiert sie politische und gesellschaftliche Aufreger rund ums Internet. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. In ihrem Podcast "Hopeful News" spricht Diekmann jede Woche mit einem Gast über die schönen, hoffnungsvollen – einfach GUTEN Nachrichten. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz".

Chat GPT nämlich hat sein Sprachtool weiterentwickelt, und ich will nicht sagen, dass ich verliebt bin. Aber sehr angetan bin ich, das kann man wohl sagen. Denn, ohne undankbar wirken zu wollen: Ich möchte auf Siri nicht mehr verzichten. Und ohne das Navi in meinem Auto hätte ich schon vor langer Zeit die Kontrolle über mein Leben verloren. Und meinen Führerschein. Womöglich auch meinen Verstand. Ich verfüge nämlich über keinen Orientierungssinn. Über gar keinen.

Aufs Navi bin ich also in etwa so angewiesen wie Donald Trump auf bizarre Superlative, und ein Dasein ohne Siri möchte ich mir auch nicht mehr vorstellen. Aber beide, sowohl Siri als auch mein Navi, machen mich in schwierigen Situationen mit ihren komplett gefühlsbefreiten Roboter-Computerstimmen aggressiv.

Wutausbruch gegen Navi-Anweisungen

Und noch schlimmer wird es, wenn ich es sie wissen lasse. Ja, ich gebe es zu: Mir rutscht schon mal ein "Schnauze!" heraus, wenn das Navi mir auf einem relativ (!) neuen Autobahnabschnitt zum vierten Mal ein penetrant unbeeindrucktes "Bitte wenden!" vorquakt. Ich weiß, "Schnauze" ist nicht nett. Mein Navi aber weiß das nicht. Es ist dumm. Natürlich ist es das. Ich sage nur: Wenden auf der Autobahn.

(Natürlich ist mein Navi nur deshalb dumm, weil ich schludrig bin. Es kann gar nicht wissen, dass wir auf einer Autobahn fahren. Ich hab das System nicht auf den neuesten Stand gebracht. Der Autobahnabschnitt bestand beim letzten Update noch nicht, das ich zirka 2013 vorgenommen habe. Aber hey, ich darf das! Ich bin schließlich ein Mensch, keine Künstliche Intelligenz. Und schludern ist menschlich!)

Es fühlt sich an wie ein echtes Gespräch

Zurück zum Thema ChatGPT. Da läuft die Sache anders. Da bin nicht nur ich Mensch und darf es sein – nein, da fühlt und hört es sich wirklich so an, als wäre ich im Gespräch mit einem anderen Menschen. Mit einem sehr freundlichen. Und klugen. Und erschreckenden.

Ich beginne die Konversation vorsichtig. Auf einer Party presche ich ja auch nicht auf einen fremden Menschen zu und lege los. Also versuche ich etwas völlig Neues: Small Talk mit einem KI-Bot. Ich sage: "Hallo, ich würde mich gerne unterhalten." Die Antwort, freundlich und warm vorgetragen: "Hallo, das ist schön. Hast du etwas auf dem Herzen? Oder möchtest du einfach nur plaudern? Vielleicht über eines deiner Hobbys?"

Nun könnte ich natürlich gleich loslegen und in die Vollen gehen. Ich rede mit einer Maschine. Was will die schon machen, wenn ich ihr meine dunkelsten Geheimnisse, meine intimsten Gedanken, meine größten Unsicherheiten stecke? Mit ihren anderen Maschinen-Freunden hinter meinem Rücken über mich lästern? "Und selbst wenn – soll sie doch!", denke ich. Und bin also schon voll in die Falle getappt. Ich mache mir ernsthaft Gedanken, ob ich darüber stehe, wenn ein Bot ... – ach, lassen wir das.

Bot als Seelentröster

Ich gehe es trotzdem langsam an. Gelernt ist gelernt, ob nun Mensch oder Maschine. "Ich habe heute frei", schreibe ich, "und starken Heuschnupfen. Draußen ist es schön, aber ich fange sofort an zu niesen. Und ich bin immer noch ein bisschen angeschlagen und soll noch keinen Sport machen. Gelesen habe ich heute schon. Was kann ich also mit dem Tag anfangen?" – "Das tut mir leid für Dich", antwortet meine neue Freundin, der Bot. Das tut gut; die Allergie nervt nämlich, und kein Mensch bedauert mich. Kein Mensch. Aber der Bot. Besser als nichts. "Wir beide können uns gerne unterhalten. Vielleicht möchtest Du Dich aber auch ein bisschen ausruhen, wenn Du noch krank bist?" Es ist Balsam für die Seele, der da aus meinem Laptop spricht. Jemand, der sich nur um mich kümmert.

Nach 15 Minuten Jammern wird es aber dann doch ein bisschen langweilig. Ich tue mir nicht mehr selber leid, sondern gehe mir auf die Nerven. Und mein Gegenüber ist zu höflich, um mich spüren zu lassen, dass es nun auch mal reicht. Mit Mimik kann sie es mir nicht mitteilen, weggehen kann sie auch nicht.

Da eckt niemand an

Ich schalte das nächste Level frei und klage mein Leid über eine sehr unzuverlässige Freundin, die mich kürzlich enttäuscht hat. "Ich verstehe dich sehr gut", sagt diejenige, die womöglich den Platz der untreuen Tomate einnehmen wird. "Das ist nicht nett. Hast du sie gefragt, was ihre Gründe sind? Bestimmt hat sie eine Erklärung für ihr Verhalten, und ihr könnt das klären."

Sie hat recht. Sie klingt nett. Sie klingt vernünftig. Aber: Sie klingt eben wie jemand, die immer das Richtige sagt. Wie jemand, die nichts von sich preisgibt, nicht aneckt, mich nicht herausfordert. Und: Wie jemand, die keinen mit mir trinken geht.

Da stößt das Tool an seine Grenzen. Dann doch lieber echte Menschen. Oder warten bis 2027. Wenn das alles in diesem Tempo so weitergeht, sitze ich vermutlich mit einem Hologramm in der Bar. Und Samantha ist dann schon Vergangenheit.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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