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Nur das hilft gegen diese geistigen Brandstifter


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Deplattforming
Nur das hilft gegen diese geistigen Brandstifter

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

28.07.2021Lesedauer: 4 Min.
Attila Hildman und Ken Jebsen vor einem Bild vom Sturm auf das Kapitol: Egal ob Trump,Jepsen oder Hildman – sie alle wurden machtlos, als man Ihnen die Social-Media-Bühne nahm.Vergrößern des Bildes
Attila Hildman und Ken Jebsen vor einem Bild vom Sturm auf das Kapitol: Egal ob Trump,Jepsen oder Hildman – sie alle wurden machtlos, als man Ihnen die Social-Media-Bühne nahm. (Quelle: imago images/ZUMA Wire imago/APress imago images/Hartenfelser Montage: T-Online /imago-images-bilder)
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Die Schilderungen im Untersuchungsausschuss zeigen, wie gefährlich die Lage vorm US-Kapitol war, nachdem Donald Trump zum Sturm aufgerufen hatte. Soziale Netzwerke müssen in die Verantwortung genommen werden.

Mittwoch, 6, Januar 2020, 20:28 Uhr deutscher Zeit. Ich sitze an meinem Schreibtisch in meiner Wohnung in Berlin, vertieft in die Arbeit an meinem Buch über Hass im Netz, da leuchtet mein Telefon auf – eine Eilmeldung: "USA: Demonstranten versuchen Kapitol in Washington zu stürmen". An diesem Tag soll dort, im Kapitol in Washington D.C., der Kongress zusammenkommen, um die Wahlniederlage des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump zu bestätigen.

Sofort stelle ich die Arbeit ein und ziehe um aufs Sofa. Von dort aus werde ich an diesem Abend genauso wie viele andere Menschen auf der Welt fassungslos via CNN, BBC und Phoenix Zeugin bis dato unvorstellbarer Szenen: Menschen, unter ihnen Neonazis, dringen, zum Teil bewaffnet, in das Capitol ein, drohen mit Gewalt, verhöhnen die Demokratie.

Auf CNN höre ich aus dem Off die Stimme eines erschütterten Kommentators im Fernsehstudio sagen: "Wir alle wissen, wie es soweit kommen konnte. Wir alle wissen, dass Worte wichtig sind." Wenige Minuten später veröffentlicht Trump bei Twitter und Facebook eine Videobotschaft von rund einer Minute Länge.

Trump heizte den Mob per Social Media an

Darin ruft er seine Anhänger:innen vordergründig dazu auf, sich zurückzuziehen – doch richtet er, der Präsident, auch folgende Worte an die Adresse des randalierenden Mobs: "Wir lieben euch, ihr seid etwas Besonderes." Und er wiederholt die Lüge von der Wahl, die ihm angeblich "gestohlen" worden sei, und relativiert die Geschehnisse:

"Solche Dinge und Ereignisse passieren, wenn ein heiliger Erdrutschsieg so unfeierlich und bösartig von großen Patrioten weggenommen wird, die so lange schlecht und unfair behandelt wurden", schreibt er auf Twitter. Seinem Lieblingsmedium, wo ihm zu diesem Zeitpunkt knapp 90 Millionen Menschen folgen.

Das ist der Zeitpunkt, an dem auch Twitter und Facebook realisieren: Trumps Spiel mit dem Feuer, in dem sie seit Jahren allen Indizien, Mahnungen, Forderungen zum Trotz als Beschleuniger dienen, ist jetzt kein Spiel mehr, sondern bitterer, lebensgefährlicher Ernst.

Polizisten, nein: Cops, deren Image nun nicht sehr kompatibel ist mit heulsusigen Zauderern, schilderten unter Tränen vor einem Untersuchungsausschuss, wie sie innerlich bereits mit ihrem Leben abschlossen angesichts des auch moralisch entfesselten Mobs, dem sie sich ausgeliefert sahen.

Die Plattformen reagieren an diesem 6. Januar schnell, steuern gegen, sperren erst das Video, anschließend Trumps Konten komplett. Endlich.

"Deplattforming" hilft – wenn man es denn tut

„Deplatforming" ist der Fachbegriff für dieses Vorgehen. Leuten, die ihre wirkmächtige Reichweite missbrauchen, die Plattform entziehen. Natürlich ist der Sachverhalt zu kompliziert, um bereits eins zu eins sagen zu können, das sei die Lösung. Warten wir mal ab, wie erfolgreich Trumps Kampf um seine Rückkehr ins Weiße Haus sein wird.

Eines aber ist nicht zu bestreiten: Es hilft der guten Sache, wenn die Plattformen von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und Demagogen aussperren. Der einstige Vegan-Koch-Stern Attila Hildmann kann ein Lied davon singen, den so gut wie alle gängigen Plattformen gesperrt haben, nachdem ihm das Themenfeld "Tierliebe" wohl zu langweilig wurde und er sich lieber dem Komplex "Judenhass" zuwandte.

Oder auch Ken Jebsen. Der galt einst als Kultfigur als unglaublich schnell denkender und sprechender, charismatischer Radiomoderator beim rbb und wurde dort jedoch wegen Antisemitismus-Vorwürfen gefeuert. Inzwischen gehört er zum Establishment der Querdenker-Szene – und zwar der Hardcore-Fraktion.

Auf YouTube klickten seinen Kanal, gespickt mit Verschwörungstheorien, zwischenzeitlich Hunderttausende. Aber selbst der Google-Tochter reichte es irgendwann: Jebsen hetzte so lange, bis YouTube ihm erst den Geldhahn zudrehte, indem keine Werbung mehr in seinen Clips geschaltet wurde, und ihn im nächsten Schritt komplett verbannte. Einkommen weg, Reichweite weg.

Telegram bietet keinen Zugang zur Masse

Klar wich er ebenso wie Hildmann auf Telegram aus, aber die breite Masse erreicht er dort nicht, und salonfähig ist das breite Publikum dort ohnehin nicht. (Unter anderem der rbb hat den Absturz Jebsens übrigens gerade in einem sensationell fantastischen Podcast aufbereitet. Verstehen Sie dies als uneingeschränkte Empfehlung!)

Zurück zu YouTube. Ebenso wie Twitter und Telegram könnte man dem Netzwerk nun applaudieren. Hart durchgegriffen, vom Hausrecht Gebrauch gemacht. Nur klagt YouTube nun als erstes betroffenes Unternehmen gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das die Videoplattform und andere dazu verpflichtet, Nutzerdaten an das Bundeskriminalamt weiterzugeben, wenn der Verdacht besteht, dass eine Straftat wie zum Beispiel Volksverhetzung vorliegt.

YouTube begründet seine Klage mit datenschutzrechtlichen Bedenken (und mehrere deutsche Medien übernahmen dieses Argument in ihrer Berichterstattung völlig unkritisch). NATÜRLICH sagen die Verantwortlichen bei der Videoplattform nicht: "Sorry, deutsche Politik, Datenschutz ist uns wichtig - und außerdem verdienen sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel Geld mit dem Hass, und so verprellen wir Nutzer."

So aber ist es. Und deswegen gehören die Plattformen mit involviert in mögliche strafrechtliche Verfahren im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol. Auch dann, sollten sie Trump nicht wieder in die Arme schließen, falls er noch einmal US-Präsident werden sollte. Ich würde das jedoch nicht ausschließen. Überhaupt nicht. Leider.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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