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"Man muss beim Sex immer ein bisschen Humor haben"


Sexpertin Paula Lambert im Interview
"Man muss beim Sex immer ein bisschen Humor haben"

t-online, Helge Denker

02.06.2017Lesedauer: 7 Min.
Amtierende Queen of Sex-Talk: Paula Lambert bei einer TV-Präsentation, 2015Vergrößern des BildesAmtierende Queen of Sex-Talk: Paula Lambert bei einer TV-Präsentation, 2015 (Quelle: imago-images-bilder)

Paula Lambert ist Deutschlands bekannteste Sex-Expertin und Beziehungsberaterin. Ihre Sendung "Paula kommt" läuft seit 2013 auf Sixx. Sie schreibt Sex-Kolumnen und Beziehungsratgeber. Im Interview mit t-online.de erklärt sie, warum Dating-Apps schlecht für Beziehungen sind, welche Sextoys Zukunft haben und warum sie dringend davon abrät, eigene Pornos zu drehen.

t-online.de: Wie hat sich die Partnersuche durch Dating-Apps wie Tinder und Kennenlern-Plattformen verändert?

Paula Lambert: Sie verstärken das Konsumverhalten, das wir alle schon mit uns rumtragen. Ich finde es ziemlich doof, obwohl es ja tatsächlich Paare gibt, die sich über „Tinder“ kennen lernen. Ansonsten höre ich immer nur von irgendwelchen Bums-Begegnungen. Ich fände es schöner, wenn Leute wieder lernen würden, sich mit anderen Personen auseinanderzusetzen. Auch mit den eigenen hässlichen Seiten. Ansonsten wäre es natürlich praktisch, wenn die gezwungen wären, mit jedem Tinder-Date, das sie eingehen, sich auch mit den hässlichen, grausigen Seiten der Beziehung auseinanderzusetzen, aber das sind sie ja nicht.

Warum?

Diese Dating-Apps machen es leicht, indem du sagen kannst: „Passt nicht so ganz, ist schon die richtige Farbe, aber der Style passt mir noch nicht, also den nächsten“. Und das finde ich schade, weil es eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit blockiert. Die Nutzer schmeißen denjenigen weg und suchen sich den nächsten. Mit anderen Menschen zusammen zu sein ist manchmal anstrengend und ätzend - das weiß jeder, der schon mal in einer längeren Beziehung war. Gleichzeitig ist es aber auch schön, weil es einem eben Raum gibt für persönliche Weiterentwicklung. Das ist für mich auch der Hauptgrund, warum man eine Beziehung haben sollte.

Durch Online-Dating wird die Auswahl größer. Die Gruppe aus der ich wählen kann ist theoretisch unbegrenzt. Hat das nicht Vorteile?

Ich glaube nicht, dass es dadurch mehr passende Partner pro Person gibt, weil einfach jeder sehr viele Merkwürdigkeiten oder Besonderheiten hat, die ausschließen, dass er sich mit ganz vielen verschiedenen Menschen wohlfühlt. Und häufig haben Eltern und Freunde schon einen guten Blick, was für ein Mensch passen würde. Ich glaube, wenn man sich durch solche Dating-Apps sich gezwungen sieht, sich nur noch auf das eigene Urteil zu verlassen. Das ist nicht gerade ein objektiver Blick.

Führt das dazu, dass man wie im Möbelhaus sucht? „Wer passt denn zu mir, welche Farbe hätte ich gern“?

Genau. Die eigentümlichsten Menschen passen zu einem, auch wenn die optisch oder stilistisch gar nicht so wirken. Die würden vielleicht durch das Tinder-Raster fallen und das ist schade, dass man so Möglichkeiten eben nicht nutzt.

Das äußere Bild sagt natürlich auch relativ wenig über Menschen aus. Man kann es ja auch faken.

Eben, in Zeiten von Instagram und diesen ganzen Foto-Filtern. Also, wenn ich auf Tinder gehen würde, würde ich ein ungeschminktes Bild reinsetzen. Es zeigt das „worst off“, ab da geht’s dann nur noch nach oben. Wenn du so vollgefiltert, runterpoliert und super gestylt da ran gehst, dann kann es ja ab da nur noch abwärts gehen.

Wo hast Du Deinen Partner kennengelernt?

Ich habe meinen kennengelernt bei der Ausstellungseröffnung von „Pierre und Gilles“, wo ich hingegangen bin, weil „Stereo total“ gespielt hat. Das war inmitten von sehr vielen großen Penissen, was unserer Beziehung eine dauerhafte Wendung gegeben hat. Oder eher eine Färbung (lacht).

Partnerschaft, Liebe und Sex finden immer weniger rein privat statt. Themen wie „Promi-Liebes-Aus“, Betrügereien, Fremdgehen und Seitensprünge werden öffentlich ausgebreitet. Führt das dazu, dass sich Menschen das als Vorbild nehmen, sich daran orientieren?

Wenn man die Zeitung und die Shows anschaut, in denen das durchgekaut wird, gewinnt man den Eindruck, dass Partnersuche eine Sache von Glück, einem guten Händchen und der richtigen Möglichkeit. Und es gibt Prominente, die ihre Partnerschaften „verkonsumieren“.

Also ein Geschäftsmodell daraus machen?

Ja, genau. Es gibt Scheidungen, wie von Brad Pitt und Angelina, die das relativ öffentlich gemacht haben. Brad Pitt hat in der „GQ“ in der US-Ausgabe ein großes Interview gegeben. Da wäre die Möglichkeit, weil er sowieso halb die Hosen runterlässt zu sagen: „Ich glaube, die Beziehung ist gescheitert, weil…“. Wenn die Prominenten ihren Status dazu benutzen würden, über Beziehungsentwicklung zu sprechen, dann wäre das ein Dienst an der Menschheit. Aber so… Ich habe früher auch geglaubt, dass Beziehung bedeutet, man findet irgend wen und dann bleibt das so. Aber das ist es nicht. Es war ein ziemlicher Schock, dass man sich an Beziehungen halb totarbeiten muss. Ich hätte das gerne früher gewusst.

Du hast ja kürzlich ein Buch geschrieben, „Finde Dich gut, sonst findet Dich niemand“. Ein Beziehungsratgeber?

Auch. Vor allem ein Beziehungsratgeber mit sich selbst. Ein autobiografischer Beziehungsratgeber. Es geht um das Thema „Selbstliebe“. Ich wollte das, was ich schon durchhabe, weitergeben an Leute, die vielleicht noch am Anfang stehen. Nach der Lektüre des Buches wird man, so sind zumindest die Rückmeldungen, ein paar Schritte weiter sein und das ist das größte, was man sich wünschen kann.

Bekommst du viele Fragen von Leuten, die in Beziehungsproblemen stecken oder sexuell nicht weiterkommen?

Ja. Der Mensch ist auch nicht so abwechslungsreich und wundersam. Die Probleme ähneln sich doch sehr. Und das ist darauf zurückzuführen, dass die Menschen erstens keine Ahnung haben wer sie selber sind und was ihre eigenen Bedürfnisse sind und zweitens, was eine Beziehung eigentlich bedeutet und wofür sie gut ist. Und wie man es aushält, mit den Makeln des Anderen umzugehen. Das betrifft auch die Sexualität. Die Leute haben jetzt, auch durch Apps, ein „pornografisches Konsumverhalten“ und das Gefühl, Sex muss in einer bestimmten Weise sein. Aber Sex kann ganz viel sein: Guter Sex kann auch was ganz kleines sein und es kann auch sein, dass es nur ein paar Minuten dauert. Es kann auch sein, dass es Tage dauert. Es muss nicht irgendwie sein, sondern das wichtigste ist das Ergebnis, nämlich dass du dich damit glücklicher fühlst.

Ich werde oft gefragt: „Ich möchte gerne einen Sexfilm von mir und meinem Freund drehen. Wie mache ich das am besten?“ Und ich schreibe immer: „Tu es nicht.“ Hast du schon Mal vögelnden Menschen, also wirklich vögelnden Menschen zugeguckt? Wenn die normal miteinander Sex haben, dann siehst es nicht so aus, wie man es denkt. Du wirst den Film nicht so genießen können, weil Gesichter der Lust, wenn die so völlig entfesselt sind, das ist kein Look, der einem gefällt. Darum finde ich, man muss beim Sex immer so ein bisschen Humor haben. Man darf es nicht zu ernst nehmen. Es kann was schief gehen. Mehr als beim Kochen und beim Kochen kannst du immer noch Pizza bestellen. Beim Vögeln, muss man dann da durch…

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Stichwort: Virtuelle Realität. Hat dich das überzeugt oder fasziniert, so dass du sagst „das probiere ich mal aus“?

Ich habe ganz viel ausprobiert, auch VR-Geschichten. Du hast da eine VR-Brille auf und hast Sex mit einer virtuellen Person. In manchen Gesellschaften wird das gar nicht mehr anders gehen. 2050 werden 30 bis 40 Prozent aller chinesischen Männer Single sein, weil es keine Frauen mehr gibt.

Für die wird das wahrscheinlich lebensrettend sein, dass es solche Tools gibt. Ich finde das auch überhaupt nicht verurteilenswert, es ist aber doch eine einsame Angelegenheit. Aber besser so, als gar nicht. Es gibt jetzt auch ein Bordell mit diesen Silikon-Puppen, habe ich gesehen. Es ist ja technisch möglich, da irgendwelche Wärmedioden unter die Silikonhaut zu stecken, dass es eine gewisse Betriebstemperatur hat, das Ding, und eines Tages wird es sich bewegen können und sprechen.

Ich persönlich brauche menschliche Interaktion, ich brauche Berührung. Wir sind in Deutschland ja noch in der Lage, dass wir das bekommen können. Aber es gibt Gebiete, wo es mich das mehr überzeugt. Ich bin gespannt, was da noch kommt. Ich vermute mal, Puppen, die dann die Körpertemperatur eines Menschen haben. Dass du quasi ein Silikonzusatzgerät hast, was sich dann auf dich setzt oder so, während du die VR aufhast – dass du was anfassen kannst, das sich lebendig anfühlt.

Die perfekte Illusion?

Genau. Ich weiß nicht, ob das in der Psyche dieselben Gefühle dann hinterlässt. Ein One-Night-Stand ist natürlich noch etwas anderes. Aber wir werden in naher Zukunft Sex-Roboter bekommen, da bin ich sicher.

Es gibt natürlich auch Sextoys, die sich per App steuern lassen. Ist ganz witzig, ersetzt aber nicht das große Ganze. Die zunehmende Mobilität bringt eine Revolution in unseres Beziehungsverhaltens. Die Moral fällt langsam weg und Sex wird als menschliches Grundbedürfnis akzeptiert.

Ich habe neulich übrigens eine Frau kennengelernt, die hat mir erzählt, dass sie – weil sie gerne Sex hat und sich damit nicht lange rumtun will mit irgendwelchen Dating-Apps – geht sie hin, riecht den Männern am Hals und wenn sie das Gefühl hat, dass riecht gut, damit komme ich klar, dann sagt sie, was sie will. Sie hat eine erschütternd hohe Erfolgsquote damit. Duft ist ja eine Sache, die man künstlich herstellen kann. Ich bin sicher, dass diese Puppen, Toys eines Tages diese Dimension bekommen werden, weil das wesentlich ist.

Was ist mit Porno-Plattformen im Netz? Der massive Konsum führt doch zu einer Veränderung, oder? Es entsteht dadurch ein anderes Bild im Kopf. Ist das ein Problem?

Wenn man viel Pornos konsumiert, also die, die es auf Youporn gibt, die sind häufig selbst gemacht, mit den einfachsten Mitteln. Es gibt wenig, was mich mehr deprimiert. Auch was meine Sichtweise auf Menschen betrifft. Es ist einfach eklig, erbärmlich, hässlich und abstoßend.

Es gibt übrigens Studien, die haben bewiesen, dass heterosexuelle Männer durch Homo-Pornos nicht stimuliert werden. Frauen hingegen werden von allem stimuliert, egal was zu sehen ist. Man ist dann vielleicht angegeilt. Das hat aber nichts mit der eigenen Sexualität zu tun. Es ist ein chemischer Vorgang, mit dem kannst du machen, was du willst.

Man lernt die Grenzen seiner Toleranz kennen, finde ich.

Ja, allerdings. Auch die Grenzen des Geschmacks.

Gibt es irgendwas, was dir peinlich ist? Worüber du nicht gerne redest?

Ja, also wenn jemand auf meinen Schwächen rumhackt. Aber sonst eigentlich nicht. Es gibt aus meinem ersten Buch ein paar Stellen, wenn ich die vorlesen muss, dann werde ich auch rot. Was ich total bizarr finde, das wurde ich früher nicht. Keine Ahnung, warum. Dummheit ist mir total peinlich. Ich kann mich doll schämen für jemanden, der die ganze Zeit Blödsinn plappert. Wenn ich Blödsinn plappere, schäme ich mich natürlich auch. Passiert… selten.

Das Interview führte Helge Denker.

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