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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Podcast-App im Test Warum Googles neue App mehr ist als ein Podcast-Programm
Jetzt also auch Google: Der Tech-Konzern bringt eine eigene Podcast-App heraus. Damit könnte Google viel Schwung in den wachsenden Podcast-Markt bringen und einen großen Konkurrenten ärgern.
Das Programm wirkt unspektakulär und heißt schlicht "Podcasts". Was Googles neue App für das konzerneigene Smartphone-Betriebssystem Android kann, ist schnell erklärt: Es ist ein Programm, mit dem Nutzer verschiedene Audios suchen, anhören, abonnieren und für unterwegs herunterladen können. (Wenn Sie diesen Text auf einem Android-Smartphone lesen, probieren Sie es aus! Klicken Sie einfach auf diesen Link, um den aktuellen Tagesanbruch-Podcast von t-online.de zu hören und zu abonnieren.)
Wer schon länger Podcasts auf dem Smartphone hört, wird von der neuen Google-App vielleicht ein bisschen enttäuscht sein. Sie ist zwar google-typisch minimalistisch, wirkt aufgeräumt und übersichtlich. Aber ehrlicherweise bieten die meisten Standard-Apps erstmal mehr. Funktionen wie automatisches Herunterladen von abonnierten Podcasts, Speichern auf einer eingebauten SD-Karte statt im Handy, Importieren von Abo-Listen aus anderen Apps - vieles davon ist Standard bei den Konkurrenzprodukten, nichts davon kann die neue Google-App.
Eigentlich ist "Podcasts" nicht einmal eine klassische App, sondern eine App-artige Sonderversion der Google-Suche. Und genau das ist das Spannende: Googles neues Podcast-Produkt ist nämlich viel mehr als eine neue App. Es ist ein Strategiewechsel.
Google steigt spät in den Audio-Markt ein, aber mit Wucht
Zunächst beseitigt Google eine Ungleichheit: Wer bisher auf einem Android-Handy Podcasts hören wollte, musste sich die passende App im Playstore suchen, installieren und einrichten. Bei Apples iPhone ist eine Podcast-App dagegen seit langem vorinstalliert, Nutzer müssen sie nur antippen. Bei Apple dürfte das dafür gesorgt haben, dass deutlich mehr Nutzer Podcasts hören.
Überhaupt gelten Podcasts bisher als eine Spezialität von Apple. Der Konzern hat die Abruf-Audios schon früh in seine Musik-Software iTunes und ins iPhone-Betriebssystem iOS integriert, mit dem iPod das ideale Unterwegs-Abspielgerät geschaffen und mit den iTunes-Charts so etwas wie den Erfolgsstandard für Podcaster etabliert - obwohl das Ranking als intransparent und manipulationsanfällig gilt.
Google will die Zahl der Podcast-Hörer verdoppeln
Jetzt greift Google an und setzt sich hohe Ziele. Im April hatte der zuständige Produkt-Manager Zack Reneau-Wedeen gesagt, sein Team wolle dabei helfen, "die weltweite Podcast-Hörerschaft innerhalb der kommenden Jahre zu verdoppeln". Schon damals hat er eine Strategie umrissen, die nun umgesetzt wird. Und tatsächlich hat Googles Ansatz das Potenzial, viel zu verändern in der Podcast-Welt. Einige Punkte:
- Podcasts sind jetzt Teil der Google-Suche. Zum ersten Mal soll Audio bei der mächtigsten Suchmaschine der Welt gleichberechtigt mit Text und Video als Ergebnis angezeigt werden. Bei der Suche nach einem beliebigen Thema werden also auch Podcasts angezeigt, die dann sofort abgespielt und abonniert werden können. Und sie sind künftig ohne aufwändige Extra-Installationen auf allen Smartphones, egal ob Android oder iPhone.
- Podcasts können auch ohne Suche gefunden werden. Wer die neue App installiert und bei einigen Podcasts auf "abonnieren" gedrückt hat, soll von der Künstlichen Intelligenz passende Vorschläge für mehr Hörstoff bekommen. Ähnlich wie bei YouTube oder Netflix könnte das dazu führen, dass Nutzer gleich weiterhören.
- Hören wird unabhängiger von Geräten und Orten. Google verspricht, dass Nutzer einen Podcast unterwegs auf dem Smartphone anfangen und Zuhause z.B. auf dem Smartspeaker "Google Home" weiterhören können.
- Google hat die richtigen Werkzeuge. Der Konzern hat eine Software, um Sprache automatisch in Textform zu bringen, sie wie bei YouTube-Videos als Untertitel einzublenden und in eine andere Sprache zu übersetzen. Hören geht damit auch, wenn es in der Umgebung mal laut sein sollte oder man die gehörte Sprache nicht so gut oder gar nicht spricht.
Gerade der erste Punkt ist sehr wichtig: Die größte Suchmaschine und das meist genutzte Smartphone-Betriebssystem der Welt haben künftig Podcasts eingebaut. Je mehr Nutzer mit Podcasts und Audios in Kontakt kommen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie zumindest ab und zu mal reinhören, auf den Geschmack kommen und mehr Zeit mit Audios verbringen. Das wiederum ist auch interessant für Vermarkter und Werbetreibende, was zu noch mehr Podcast-Produktionen führen kann.
Ein paar Funktionen fehlen noch
Auch dabei will Google helfen und schreibt: "Zwar gibt es mehr Podcasts als je zuvor, aber es gibt nach wie vor ein Ungleichgewicht bei denen, die sie erstellen." Deshalb kündigt der Konzern an, diejenigen zu unterstützen, die bisher in der Podcast-Welt noch unterrepräsentiert sind. Gemeint sein dürften damit vor allem Frauen, ethnische Minderheiten, Menschen mit Behinderung und nicht-kommerzielle Anbieter.
Noch ist aber nicht alles gut. In ersten Tests hat die Podcast-App trotz guter Internetverbindung sehr lange gebraucht, bis der Podcast auch wirklich abgespielt wurde. Wer bei anderen Diensten schon eine Reihe von Podcasts abonniert hat, wird sich über eine Import-Funktion freuen, um die Arbeit nicht nochmal machen zu müssen. Außerdem klappt es in Deutschland noch nicht, einen auf dem Smartphone begonnenen Podcast an derselben Stelle auf dem "Google Home" fortzusetzen. "Das kann ich leider noch nicht", antwortet der smarte Speaker.
Mehr Podcasts heißt auch: mehr Platz für Werbung
Fazit: Google hat nicht nur eine neue App veröffentlicht, sondern eine neue Chance geschaffen, Podcasts und Audios im Internet zu finden. Damit wird die Dominanz von Text und Video vielleicht nicht beendet, aber es gibt eine neue Bühne für alle, die Podcasts hören, entdecken oder machen wollen. Dass Google dabei das Quasi-Monopol von Konkurrent Apple angreift, könnte ein willkommener Nebeneffekt sein. Konkurrenz belebt das Geschäft.
Viel wichtiger dürfte Google aber sein, einen wachsenden Markt zu erschließen - vor allem den Werbemarkt, bei dem Google in einigen Bereichen bereits dominiert. Außerdem war der Schritt für den Internetkonzern am Ende gar nicht so groß: Viel passende Technik gibt es ohnehin schon im Haus, darunter zukunftsträchtige Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Vorschlags-Algorithmen, Transkriptions-Software zum Umwandeln von Sprache in Text, Sprachassistenten.
Der internationale Vergleich zeigt: Es ist noch viel Potential bei der Podcast-Nutzung - vor allem in Deutschland, wo nur jeder Fünfte angegeben hat, im vergangenen Monat mal reingehört zu haben. Die Zahlen könnten eine Basis für die Bewertung sein, ob Google mit seiner Initiative erfolgreich war.
- Eigene Recherche
- Statista-Grafik zu Podcast-Nutzung