Müssen Vögel und Bäume sterben? Diese 5G-Mythen sind grober Unfug
Am Dienstag startet die Auktion der 5G-Frequenzen. Samsung und Huawei wollen im Sommer ein 5G-Smartphone auf den Markt bringen. Schon jetzt ranken sich Mythen um die neue Technik. Was ist da dran?
Auf unseriösen Webseiten im Netz wird die Angst vor 5G geschürt. Wegen der neuen Sender und Funkfrequenzen würden jede Menge Bäume gefällt, heißt es auf einer alarmistischen Seite ("Connectiv Events"). Diese würden angeblich die Funkverbreitung stören und heimlich abgeholzt. Sogar ein Telegram-Kanal wurde von Anhängern der deutschen "Gelbwesten" eingerichtet, um solche Fällungen zu melden und zu sammeln.
Richtig ist, dass für 5G viele neuen Funkzellen aufgebaut werden, deren Reichweite und Sendeleistung deutlich geringer ist als bei 4G/LTE. Um diese zu versorgen, müssen schnelle Glasfaserkabel unter der Erde verlegt werden.
Auch eine Meldung, dass wegen eines 5G-Tests in den Niederlanden ganz Vogelschwärme gestorben sind, findet sich auf der Seite - und wird fleißig verbreitet. Die Tiere sterben angeblich, weil die Strahlung ihren Herzschlag stören würde. Auch diese Behauptung ist nicht nachgewiesen.
In Berlin gibt es Proteste gegen einen 5G-Test der Telekom. 180 Wissenschaftler aus 36 Ländern forderten, den Testlauf für das neue Mobilfunknetz zu beenden. In einem offenen Brief erläutern sie ihre Befürchtung, dass die Strahlung gesundheitsschädlich ist. Dieser kursiert aber schon seit 2015. Der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, sagte dem rbb, es würden alle Grenzwerte eingehalten. Nach menschlichem Ermessen gebe es kein Risiko. Wissenschafter sein in dieser Frage uneinig.
Das Vergleichsportal "Verivox" hat sich fünf weitere, weit verbreitete 5G-Mythen genauer angesehen:
Irrtum 1: 5G schließt alle Funklöcher in Deutschland
Die meisten Verbraucher erwarten von 5G ein besseres Netz, mehr Speed beim mobilen Surfen und weniger Netzausfälle, wie eine aktuelle Bitkom-Umfrage ergab. Zunächst macht 5G das Mobilfunknetz deutlich leistungsfähiger und stabiler. Daten können zehn Mal schneller abgerufen werden. Außerdem sind die kompakten 5G-Funkzellen stärker als ihre Vorgänger und können das Hundertfache an Endgeräten versorgen.
Für Privatkunden wird das mobile Internet mit 5G spürbar schneller – und ruckelfrei. Vor allem bei mobilem Videostreaming auf YouTube, Netflix und Co. wird sich der Unterschied bemerkbar machen. Es gibt kaum noch Wartezeiten, denn die Latenzzeit – also die Verzögerung zwischen Abrufen und Abspielen der Daten – soll sich bis auf eine Millisekunde verringern. Weitere Vorteile: Die einzelnen Mobilfunkmasten sind schneller für die Nutzung durch den nächsten Kunden "frei" und die Netze werden zukünftig effektiver ausgelastet.
Der "Realitätscheck" zeigt jedoch: Vor 2021 wird es kein ausgebautes 5G-Netz in Deutschland geben. Ab dem 19. März werden die Frequenzen unter den Netzbetreibern versteigert. Währenddessen leiden immer noch viele Verbraucher unter einer unzureichenden Netzversorgung: In 240 deutschen Ortschaften schneiden alle drei Netzbetreiber bei Sprachverbindungen "mangelhaft" ab, wie eine Analyse von Verivox zeigte. Auch im LTE-Netz gibt es immer noch Orte ohne Versorgung oder mit mangelhafter Abdeckung. Die neuen Funkzellen sind zwar leistungsfähiger als 4G, aber auch kleiner. Um großflächige Funklöcher auf der Landkarte zu schließen, wird weiterhin zuerst der 4G-Ausbau gefragt sein.
Irrtum 2: Mit 5G wird die Sprachqualität beim Telefonieren besser
5G startet als reiner Datendienst, fürs Telefonieren spielt 5G zunächst keine Rolle. Denn der Mobilfunkstandard der fünften Generation hat noch keinen genormten Sprachdienst, genau wie das LTE-Netz in seinen Anfangszeiten. Telefonieren über 5G wird übergangsweise mit Zusatzsoftware, über spezielle Apps oder Clients möglich sein.
Irrtum 3: In deutschen Testregionen und in Ländern wie den USA kann ich schon mobil im 5G-Netz surfen
Von 5G im Handy hätten Privatkunden in Deutschland derzeit rein gar nichts. Es gibt zwar einzelne Testregionen, wie das Testnetz der Telekom in Berlin, im Hamburger Hafen oder in Düsseldorf (Vodafone). Diese dienen aber vor allem der industriellen Nutzung oder Testzwecken und sind nicht für Privatkunden geöffnet.
Auch USA-Urlauber sollten sich nicht zu früh freuen. Zwar betreibt der amerikanische Netzbetreiber Verizon in einzelnen US-Städten bereits 5G-Netze. Allerdings können Kunden sich auch mit 5G-fähigen Geräten nicht ohne Weiteres einwählen. Das Samsung Galaxy S10 mit 5G-Modem kommt zum Beispiel nur in Verbindung mit einem mobilen Hotspot ins neue Funknetz. In den USA oder in der Schweiz startete 5G daher nicht beim Mobilfunk durch, sondern erst einmal als Alternative zum stationären Internet.
Aktuell ist 5G also kein Thema für Endverbraucher, sondern für die Industrie und das "Internet of Things" (IoT). Der neue Datenfunk sorgt dafür, dass Maschinen untereinander schnell und ohne Verzögerung miteinander kommunizieren können.
Irrtum 4: Das 5G-Netz saugt meinen Datentarif blitzschnell leer
Die bestehenden Inhalte werden nicht plötzlich vom Datensatz her größer, nur weil sich der Kunde im 5G-Netz bewegt. Tarife mit niedrigem Datenvolumen könnten aber schneller schlappmachen, wenn der Nutzer beim ruckelfreien Surfvergnügen sein Datenlimit aus dem Blick verliert. Denn egal ob 4G oder 5G – für Vielnutzer ist zum selben Zeitpunkt die Grenze erreicht, zum Beispiel bei intensivem Videostreaming mit höherer Auflösung in 4K. Der Unterschied liegt vor allem im schnellen Streamingerlebnis mit geringer Latenzzeit, also fast ohne Verzögerung. Die Daten werden dann so schnell abgerufen, als wären sie direkt auf dem Gerät gespeichert.
"In Zukunft werden sicherlich neue Inhalte zur Verfügung stehen, die deutlich mehr Daten mitbringen," sagt Eugen Ostasch, Telekommunikationsexperte von Verivox. "Es ist daher nicht auszuschließen, dass zukünftige Tarifmodelle im 5G-Netz mit deutlich mehr Datenvolumen ausgestattet sein werden."
Übrigens: Eine Umfrage ergab, dass viele Verbraucher nicht mehr als fünf Euro zusätzlich für einen 5G-Tarif ausgeben wollen. Wie 5G die Surftarife für Privatkunden verändern wird, ist derzeit nicht bekannt.
Irrtum 5: Mit 5G surfe ich nur noch mit schnellem Datenfunk
Selbst wenn der neue Mobilfunkstandard da ist, bringt er nicht automatisch die Kehrtwende beim mobilen Surfen. Denn 5G würde nur bei extrem hohem Datenverkehr zum Einsatz kommen. LTE bleibt weiterhin die Basis für den mobilen Datenverkehr und wird fester Bestandteil des 5G-Netzes bleiben.
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Fazit: 5G-Handys sind ihrer Zeit voraus
Für Privatkunden bleibt 5G auch mit neuen 5G-fähigen Smartphones erst einmal Zukunftsmusik. Und ohne 5G-Smartphone ändert sich kaum etwas. Für Geschäftskunden könnte das Thema schneller interessant werden, gerade wenn sie in Länder oder Städte mit 5G-Netz reisen. 5G wird aktuell vor allem für "Internet-of-Things"-Szenarien in diversen Wirtschaftsbranchen getestet, zum Beispiel in der Automobilindustrie beim autonomen Fahren. Privatkunden surfen und telefonieren auch mit 5G-fähigen Geräten erst einmal weiter im 4G-Netz. Und wer heute schon ein 5G-fähiges Gerät sein Eigen nennt, ist nicht nur seiner Zeit voraus, sondern besitzt auch ein Premiumgerät mit neuester Technik.
- Verivox: "Verbraucheratlas Mobilfunk"
- DLF: "Elektrosmog: ist 5G gefährlich?"
- Eigene Recherche