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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Widerspruch erfolglos Facebook sperrt Lamya Kaddor, weil sie eine Hassmail zitiert
Erst waren es drei, dann noch einmal sieben Tage: t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor ist von Facebook gesperrt. Auslöser war etwas, das ihr jemand geschrieben hat.
Die Mail eines selbsterklärten "unbescholtenen deutschen Rassisten" hat dazu geführt, dass Facebook die Islamwissenschaftlerin und t-online.de-Kolumnistin Lamya Kaddor wegen "Hassrede" gesperrt hat. Sie hätte gute Chancen, dass ein Gericht die Sperre für rechtswidrig erklärt.
Kaddor war in der Mail aufgefordert worden, "demütig" zu sein. "Kanaken gegenüber" gebe es "keine Toleranz und Nullrespekt", schrieb ihr der Mann. Kaddor veröffentlichte das, was dann zur Sperrung führte. Als sie nach Ende der Sperrung darüber schrieb, wurde sie noch einmal gesperrt.
"Solche Mails sind schon ärgerlich. Aber mich trifft noch mehr, wenn man dann dafür bestraft wird, dass man das öffentlich macht", sagt Kaddor zu t-online.de. Ihre insgesamt drei Widersprüche gegen die Sperrung wurden ohne Begründung zurückgewiesen. Nichts ging mehr für sie in ihrem privaten Profil und auf ihrer Seite.
Text war 24 Stunden online
Als Beleg für das, was sie so erreicht, hatte sie den Text der E-Mail in einen Facebook-Beitrag kopiert und ihn eingeleitet mit den Worten "Post von einem 'unbescholtenen deutschen Rassisten'".
Das war am vergangenen Sonntag zur Mittagszeit. 24 Stunden später wurde sie gesperrt – wegen Hassrede. Sie war gemeldet worden und Facebooks Löschteam hatte in ihrem Beitrag einen Verstoß gegen die Community-Standards gesehen.
Dabei sehen die Regeln ausdrücklich vor, dass solche Postings zugelassen werden, wenn sie "Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten". Facebook betont also ausdrücklich, dass es um die Absicht hinter einem Posting geht.
Eigene Regeln, die Facebook aber beachten muss
Und Nutzer können auch auf die Einhaltung dieser Regeln pochen, erklärt der Würzburger Anwalt Chan-Jo Jun, der schon diverse Verfahren gegen das US-Unternehmen geführt hat und führt. "Es kommt allerdings immer wieder vor, dass derjenige, der auf ein Hassposting aufmerksam macht, für dieses Posting gesperrt wird und der Originalbeitrag stehen bleibt."
Facebook dürfe eigene Regeln anwenden, die auch strenger sein dürfen als gesetzliche Regelungen, so Jun. "Aber Facebook muss sich dann daran halten und darf nicht willkürlich oder nach schwammigen Vorgaben löschen."
Vor allem Rechte gehen gegen Facebook vor
Das hatten Gerichte in den vergangenen Monaten bemängelt und mehrfach einstweilige Verfügungen gegen Facebook erlassen. Das Netzwerk wurde dazu verdonnert, Sperren aufzuheben oder Löschungen rückgängig zu machen. Meist seien Nutzer aus dem rechten Spektrum gegen Facebooks Maßnahmen vorgegangen. Ein in der AfD engagierter Anwalt hat sich darauf spezialisiert.
Die gerichtlichen Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, seien aber unbefriedigend, so Jun. Sie würden von Facebook torpediert. Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung an Facebook im Geflecht zwischen Anwälten in Deutschland und der Europa-Zentrale in Irland sei kompliziert, das unterlaufe die Eilbedürftigkeit. Die Sperre kann dann schon vorbei sein.
Jun vertritt eine Frau, die für die Antwort "Vollpfosten bleibt Vollpfosten" in einer Diskussion um Mitglieder der Identitären Bewegung für 30 Tage gesperrt wurde. Das war vor einem Jahr, Verhandlungstermin ist im September. Facebook hatte die Klage zunächst nicht einmal angenommen, weil sie auf deutsch war.
Wie Kaddor dann sieben Tage gesperrt wurde
Einzelne Gerichts-Entscheidungen gegen Facebook hätten auch voraussichtlich keine Folgen für die Praxis von Facebook. "Nötig wäre ein Bußgeldverfahren, wenn systematisch falsche Entscheidungen getroffen werden." Das NetzDG, das ohnehin bei vielen Fachleuten als reformbedürftig gilt, sollte auch falsche Löschentscheidungen behandeln.
Für Kaddor war nach Ablauf der dreitägigen Sperre schon bald wieder Schluss auf Facebook. Sie postete am Donnerstag einen Screenshot der Facebook-Nachricht zur Sperrung – und wurde am Freitag erneut wegen Hassrede gesperrt, nun für sieben Tage. In dem Beitrag war von den hetzenden Worten des Briefs überhaupt nichts zu lesen, wie ein Screenshot der Facebook-Benachrichtigung zeigt. "Das wirkt wie ein Disziplinierungsversuch von Facebook", so Jun.
Ein Sprecher von Facebook erklärte gegenüber t-online.de, man werde sich den Fall nach dem Hinweis noch einmal anschauen.
- Eigene Recherchen
- Communitystandards von Facebook