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Stargast auf der re:publica: Chelsea Manning will kein Idol sein


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Internetkonferenz re:publica
Aktivistin Chelsea Manning will kein Idol sein

Laura Stresing von der re:publica, Berlin

Aktualisiert am 02.05.2018Lesedauer: 3 Min.
Chelsea Manning: In den USA als Verräterin verurteilt, auf der re:publica als Heldin verehrtVergrößern des Bildes
Chelsea Manning: In den USA als Verräterin verurteilt, auf der re:publica als Heldin verehrt (Quelle: Markus Schreiber/ap)

Am Mittwoch startete die zwölfte Ausgabe der Internetkonferenz re:publica in Berlin. Star des Eröffnungstags war die Whistleblowerin Chelsea Manning. Die US-Aktivistin reagierte gerührt und bescheiden auf den Wirbel um ihre Person. t-online.de ist vor Ort.

In den USA wurde sie als Verräterin von Militärgeheimnissen verurteilt. Auf der re:publica wird sie als Heldin verehrt: Chelsea Manning, neben Edward Snowden die wohl bekannteste Whistleblowerin der Welt, war der Stargast am Eröffnungstag der diesjährigen re:publica. Europas größte Konferenz zu den Themen Internet und Gesellschaft begrüßte die Aktivistin mit viel Sympathie und einer bis zum letzten Platz besetzten Halle.

Bis zu 10.000 Besucher werden in den kommenden Tagen in der Station Berlin erwartet. Im Anschluss an die Konferenz, die bis Freitag geht, soll es erstmals ein öffentliches Volksfest geben. Mit dem „Netzfest“ hoffen die Macher, die Themen der Konferenz einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Die transsexuelle Manning wird in der Netzaktivisten-Szene wie eine Heldin gefeiert. Im Mai 2010 war der damals 22-jährige IT-Spezialist Bradley Manning verhaftet worden, weil er geheime Dokumente und Videos des US-Militärs an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben hatte. Die Dokumente wurden als Belege für Folter und andere mögliche Kriegsverbrechen während des Irak- und Afghanistankrieges durch US-Streitkräfte veröffentlicht.

Zu 35 Jahren Haft verurteilt, von Obama begnadigt

Manning wurde zunächst zu 35 Jahren Haft verurteilt, später aber von Präsident Barack Obama begnadigt und im Mai 2017 vorzeitig entlassen. Ein Jahr nach ihrer Freilassung kämpft die Aktivistin sichtlich mit ihrer neuen Rolle als Frontfrau einer progressiven digitalen Bürgerrechtsbewegung. Nach sieben Jahren im Gefängnis sei es schwer, sich an ihr neues Leben zu gewöhnen, gesteht Manning. „Ich habe einen Großteil meines Erwachsenenlebens im Gefängnis verbracht. Jetzt habe ich zum ersten Mal die Chance, mein Leben zu leben“, sagt sie. Sie werde dabei von einer Gruppe Aktivisten und Freunde unterstützt. „Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.“

Sie selbst sehe sich nicht als Vorbild und wolle das auch nicht sein. „Ich bin nicht perfekt. Ich habe viele Fehler“, betont sie immer wieder. Durch ihr politisches Engagement wolle sie jedoch andere dazu ermuntern „das Richtige zu tun“. Wie? „Das versuche ich selbst noch herauszufinden. Es ist schwer“, so Manning.

Seit 2014 lebt Manning als Frau

Noch in der Haft begann Manning mit einer Hormontherapie. Seit 2014 lebt sie offiziell als Frau. Auf ihre Geschlechtsumwandlung wollte Manning in dem Gespräch aber nicht näher eingehen, versprach aber, dass dies in ihrem Buch ausführlich thematisiert werde. „Ich kann euch keine Erklärung in fünf Worten geben“, entschuldigte sich Manning. „Das Gefängnis ist eine komplizierte Umgebung.“ Sie wolle sich dafür einsetzen, dass keine Trans-Personen eine ähnliche Erfahrung machen muss. Wann ihr Buch erscheinen soll, ist noch unklar.

Es ist Mannings erster Besuch in Berlin – sogar ihr erstes Mal außerhalb der USA, seitdem sie das Gefängnis verließ, verrät die Aktivistin. Sie werde nicht lange bleiben können, da viel Arbeit auf sie warte. Manning kandidiert unter anderem um einen Sitz im Senat für die demokratische Partei im US-Staat Maryland.

Mehr Verantwortung in der IT-Szene

Ihre Mission sei die gleiche wie vor zehn Jahren. Die zunehmende Militarisierung und Überwachung bereite ihr immer noch Sorgen. Angesichts des wachsenden Einflusses von Algorithmen auf das Leben der Menschen sprach sich Manning zudem für mehr Verantwortungsbewusstsein in der IT-Szene aus. Programmierer hätten ähnlich wie Ärzte eine ethische Verantwortung. „Wir Entwickler sind mitverantwortlich für die Software, die wir schreiben. Wir machen uns mitschuldig, wenn sie missbraucht wird.“

Die Ursache vieler Probleme sieht Manning jedoch nicht in der Technologie, sondern in der Gesellschaft. Soziale Probleme und rassistische oder sexistische Vorurteile würden durch Algorithmen lediglich automatisiert und in den digitalen Raum hineingetragen, „weil es profitabel ist“. Unternehmen wie Google, Twitter oder Facebook geben dadurch oft ein verzerrtes Weltbild wieder. Doch jeder Einzelne könne sich dem Einfluss der Algorithmen entziehen.

Die eigene Filterblase verlassen, andere Meinungen anhören

„Menschen sind auch selbstlernende Algorithmen“, erklärt Manning. „Wir haben Vorurteile, die in unserem System verankert sind, weil wir sie erlernt haben und wir müssen sie wieder verlernen.“ Dies könne nur durch den Austausch mit anderen gelingen. Ganz im Sinne des re:publica-Mottos „Pop“ rief Manning ihre Zuhörer dazu auf, die eigene Filterblase zu verlassen und sich auch gegenteilige Meinungen anzuhören. “Das ist harte Arbeit, aber Arbeit, die getan werden muss.“

Die Konferenz geht noch bis zum Freitag. Dabei wird es sehr viel um Populismus, Aktivismus und platzende Filterblasen gehen. Aber auch um das Internet als Heimat moderner Popkultur. Die Veranstalter versprechen ein buntes Programm mit Hunderten Vortragenden aus aller Welt auf 20 Bühnen. Der Frauenanteil auf den Bühnen beträgt wie in Jahr zuvor fast 50 Prozent – auch darin unterscheidet sich die re:publica von den meisten anderen Internetkonferenzen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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