Kryptowährungs-Krimi Digitaler Handelsplatz verliert 140 Millionen Euro
Die italienische Handelsplattform für Kryptowährungen "BitGrail" behauptet, Digitalgeld im Wert von fast 140 Millionen Euro an Hacker verloren zu haben. Insider glauben, der Börsen-Betreiber selbst stecke hinter dem Diebstahl.
Außenstehende mutmaßen schon lange, dass es auf dem Markt für Kryptowährungen zugeht wie einst im Wilden Westen. Jetzt zeigt ein Streit zwischen der Handelsplattform "BitGrail" und dem Entwicklerteam der weitgehend unbekannten Kryptowährung "Nano", wie anfällig das System für Betrug ist - und wie schwer sich die Opfer dagegen wehren können.
Dabei war es eine Katastrophe mit Ankündigung. Seit längerer Zeit hatten Nutzer das Gefühl, dass mit "BitGrail" etwas faul ist. Transaktionssummen wurden zunehmend beschnitten, Registrierungsprozesse dauerten verdächtig lange.
Letzte Woche schließlich überschlugen sich die Ereignisse, als die Börse den Verlust von rund 17 Millionen "Nano-Tokens" bekanntgab. Praktisch kam das einem Insolvenz-Geständnis gleich. BitGrail behauptet, die Tokens, die einen Gesamtwert von etwa 140 Millionen Euro haben, seien durch "betrügerische Transaktionen" entwendet worden. Andere Kryptowährungen seien von dem Raub nicht betroffen.
"The Bomber" spricht von Programmfehlern
Börsen-Betreiber Francesco "The Bomber" Firano schiebt den Verlust auf einen Fehler im Nano-Programmcode. Dieser hätte Angreifern die Möglichkeit gegeben, unzulässige Doppelbuchungen vorzunehmen.
Doch die Nano-Entwickler streiten das ab. Ihre These: Sollte der Angriff tatsächlich auf einen Fehler im "Nano"-Protokoll abgezielt haben, müssten sich diese Aktivitäten in dem virtuellen Kontobuch nachvollziehen lassen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Das Problem müsse also auf Seiten der BitGrail-Software liegen.
Schwere Vorwürfe gegen Firano
In einem veröffentlichten Statement erheben die Krypto-Entwickler schwere Vorwürfe gegen Firano. "The Bomber" habe die Krypto-Community bezüglich der Zahlungsfähigkeit seiner Börse über längere Zeit systematisch belogen.
Um eine Pleite abzuwenden, soll Firano den "Nano"-Entwicklern sogar vorgeschlagen haben, das Protokoll nachträglich umzuschreiben, um Verluste auszugleichen. Das "Nano"-Kernteam habe das abgelehnt, da es weder technisch möglich noch im Sinne der Erfinder sei.
Die Polizei ist eingeschaltet
Das Team habe die Polizei eingeschaltet und Beweise, wie etwa Transaktionseinträge, Screenshots und Schriftverkehr mit Firano gesichert, um sie den Ermittlern vorzulegen.
Während CNN eine anonyme Quelle zitiert, die suggeriert, Firano habe das Geld selbst beiseite geschafft, kann auch ein Hackerangriff nicht ausgeschlossen werden. Online-Börsen für Kryptowährungen sind ein beliebtes Ziel, da hier im laufenden Handel zwangsläufig große Beträge auf Servern lagern, die mit dem Internet verbunden sind. Die Anleger sind darauf angewiesen, dass der Betreiber entsprechende Sicherheitsvorkehrungen trifft.
400 Millionen Verlust durch "Coincheck"
Erst im Januar hatte es "Coincheck" in Tokio getroffen. Bei einer über das Internet durchgeführte Attacke wurden Tokens im Wert von mehr als 400 Millionen US-Dollar entwendet.
Während die Tokioter jedoch versprachen, die Nutzer zu entschädigen, machte BitGrail-Betreiber Francesco "The Bomber" Firano den Anlegern von Anfang an wenig Hoffnung, dass die Verluste wett zu machen seien. Einheitliche Regeln oder Standards, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist, gibt es nicht.
Online-Geständnis: "1,4 Millionen Dollar an den BitGrail-Hack verloren"
Experten empfehlen, Token, die gerade nicht zum aktiven Handel eingesetzt werden sollen, unverzüglich von den Börsen abzuziehen und in einem sicheren Offline-Wallet zu speichern, also einen physischen Datenträger, etwa dem Handy oder einer Festplatte. Superreiche können sich dafür sogar Datenspeicher in einem bewachten Atomschutzbunker mieten.
Im Fall der BitGrail-Pleite hatten viele Nutzer zwar bereits vor Monaten Verdacht geschöpft. Gleichzeitig wurde es ihnen aber nahezu unmöglich gemacht, der Börse Liquidität zu entziehen. Denn seit einer Weile schloss BitGrail bestimmte Nutzer systematisch vom Handel aus und erlaubte Bestandskunden nur noch, kleine Mengen ihres Guthabens abzurufen - wahrscheinlich in Voraussicht der kommenden Katastrophe.
Ein Opfer äußert sich
Auf der Webseite "Reddit" schreibt ein Opfer namens "Breakline7", dass er dadurch insgesamt rund 1,4 Millionen US-Dollar verloren habe. Über einen Monat hinweg habe er versucht, sein virtuelles Vermögen häppchenweise zurückzubekommen. Als BitGrail jedoch sein tägliches Transkations-Limit von zehn auf nur noch einen Bitcoin pro Tag absenkte, habe ihm das "das Genick gebrochen".
Die älteste und bekannteste Kryptowährung Bitcoin bildet nach wie vor den Referenzkurs für viele kleinere Digitalwährungen. Um mit sogenannten "Altcoin" (Bitcoin-Alternativen) handeln zu können, muss man zunächst Bitcoin besitzen.
In Zukunft viel, viel vorsichtiger
Trotz des herben Rückschlags durch die BitGrail-Pleite bleibt die Krypto-Community erstaunlich optimistisch. Selbst "Breakline7" gibt an, den Glauben an Kryptowährungen nicht verloren zu haben. Er blicke nach vorne. "Ich werde in Zukunft aber viel, viel vorsichtiger mit Börsen sein."
- eigene Recherche
- Stellungnahme von Nano Core