Andere Länder verschärfen Regeln Boom der E-Tretroller: Was rollt da auf uns zu?
Bald sollen E-Scooter auch in Deutschland erlaubt sein. In vielen europäischen Metropolen flitzen junge Leute schon mit ihnen herum. Nach Zwischenfällen werden dort teils bereits die Regeln verschärft.
In diesem Sommer könnte es voller werden auf Rad- und Gehwegen vor allem in Großstädten. Denn die Zulassung kleiner Tretroller mit Elektromotor in Deutschland rückt näher. Das Kabinett beschloss bereits eine Verordnung mit Regeln für den Einsatz der Roller. Dabei ist die Sicherheit eine sensible Frage – Experten warnen bereits vor neuen Risiken, wenn bald schon Fahrer, darunter auch Jugendliche, mit den kleinen E-Rollern losdüsen können. Vorher muss aber erst noch der Bundesrat zustimmen. Er entscheidet voraussichtlich am 17. Mai.
Die Roller
Weil sie einen elektrischen Motor haben, gelten die Roller als Kfz, genauer: als "Elektrokleinstfahrzeuge". Das erfordert eine Reihe von Vorschriften:
- Sie dürfen nur eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von bis zu 20 km/h haben.
- Sie müssen eine Lenk- oder Haltestange haben und dürfen höchstens 70 Zentimeter breit, 1,40 Meter hoch und zwei Meter lang sein.
- Ihr Maximalgewicht ohne Fahrer: 55 Kilogramm.
- Pflicht sind zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen und eine Beleuchtung, die abnehmbar sein darf.
- Vorgeschrieben werden außerdem seitliche Reflektoren und mindestens eine "helltönende Glocke".
- Steuer-Elemente für den Motor wie Drehgriffe und Knöpfe müssen beim Loslassen binnen einer Sekunde in Nullstellung zurückspringen.
- Die Standflächen müssen rutschfest sein.
- Anhänger sind tabu.
Zu bekommen sind die Roller oft für einige Hundert Euro oder mehr. Die Akkus können nach Branchenangaben an Steckdosen geladen werden. Es soll möglich sein, die oft zusammenklappbaren Geräte auch in Bussen und Bahnen mitzunehmen.
Die Regeln
E-Roller, die weniger als 12 km/h schaffen, sollen schon für Jugendliche ab 12 Jahren erlaubt sein – schnellere Modelle dann ab dem vollendeten 14. Lebensjahr. Eine Mofa-Prüfbescheinigung oder eine Helmpflicht ist nicht vorgesehen. Vorgeschrieben werden sollen aber eine Haftpflichtversicherung samt Versicherungsaufkleber mit Anti-Fälschungs-Hologramm hinten am Roller.
Überall darf man mit dem Roller nicht fahren. Geplant ist nochmals eine Unterscheidung nach möglichem Maximaltempo: Bei weniger als 12 km/h dürfen die Gefährte innerorts nur Gehwege und gemeinsame Geh- und Radwege benutzen. Wenn keine vorhanden sind, ist auch die Fahrbahn erlaubt – aber nicht außerhalb geschlossener Orte.
Sind E-Roller schneller als 12 km/h, gehören sie auf Radwege und Radfahrstreifen. Fehlen sie, darf es innerorts und außerorts auch die Fahrbahn sein. Auf Gehwegen gilt: Fußgänger haben klar Vorrang und dürfen "weder behindert noch gefährdet" werden. Dort und in Fußgängerzonen ist auch nur Schritttempo zulässig.
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Die Chancen
"E-Roller haben ein enormes Zukunftspotenzial", sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der für die Verordnung schon grünes Licht der EU einholte. Zusammen mit dem öffentlichen Nahverkehr seien sie "eine echte zusätzliche Alternative zum Auto". Per E-Scooter könnte es etwa für staugeplagte Großstädter von der S-Bahn oder Bushaltestelle weiter nach Hause oder zur Arbeit gehen.
Auch der Autofahrerclub ADAC erwartet, dass E-Tretroller auf solchen kürzeren Distanzen eine attraktive Alternative zum Pkw sein könnten. Damit könnten sie einen Beitrag für saubere Luft in den Städten leisten. Auch wirtschaftlich dürfte sich ein neues Geschäftsfeld auftun. Verleih-Anbieter stehen schon in den Startlöchern.
Die Risiken
Die ganz neuen Verkehrsteilnehmer schaffen aber auch neues Konfliktpotenzial. Sorgen richten sich vor allem darauf, dass langsamere E-Roller auf Gehwegen fahren sollen. "Wir befürchten eine weitere Zuspitzung der bereits seit längerem hitzigen Lage im innerstädtischen Straßenverkehr", sagt der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Die Polizei sei außer Stande, auch rollenden E-Verkehr auf Bürgersteigen zu moderieren und zu kontrollieren. Der ADAC fordert, Auswirkungen auf den Fußverkehr genau zu dokumentieren. Nötig sei dafür eine wissenschaftliche Begleitung.
Auch Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr Deutschland befürchtet eine wachsende Unfallgefahr auf Gehwegen. Der Präsident der Deutschen Verkehrswacht, Kurt Bodewig, mahnt: "Wir dürfen einen aggressiven Nutzungskonflikt gegen Fußgänger in den Innenstädten nicht zulassen." Bremens Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne) will bei der Konferenz mit seinen Länderkollegen an diesem Freitag einen Vorschlag zur Abstimmung stellen, der die Freigabe für Gehwege ablehnt. Jugendliche ab 12 Jahren hätten meist nicht genug Straßenverkehrserfahrung, um die oft komplexen Situationen auf Gehwegen mit E-Rollern zu beherrschen.
Die Befürchtung
Die Allianz erwartet durch E-Scooter deutlich höhere Unfallzahlen auf Deutschlands Straßen. "Wir gehen definitiv von einem Anstieg aus, sowohl bei Kollisionsunfällen als auch bei Alleinunfällen", sagt Jochen Haug, Vorstandsmitglied der Allianz Versicherungs-AG. Besonders drastische Zunahmen seien zu erwarten, wenn langsamere E-Roller in Zukunft auf Fußwegen fahren dürften. Der Grund: Bei Zusammenstößen und Stürzen komme es schnell zu schweren Kopfverletzungen. "Wir plädieren sehr stark dafür, dass der Gehweg ein Gehweg – und Fußgängern vorbehalten – bleibt", sagt Haug.
Das Ausland
Während Deutschland noch diskutiert, haben Großstädte in Spanien die Regeln bereits erheblich verschärft. Hintergrund ist, dass im vergangenen Sommer eine 90-jährige Frau in der Nähe von Barcelona von einem E-Scooter erfasst und tödlich verletzt wurde. In der Hauptstadt Madrid wurde angesichts der massiven Zahl an Miet-Tretrollern beschlossen, Lizenzen für maximal 10.000 Stück zu vergeben. Seit Jahresanfang dürfen sie zudem nicht mehr auf Bürgersteigen, den meisten Straßen oder den Busspuren benutzt werden. Erlaubt sind sie noch auf Radwegen und zum Teil in Tempo-30-Zonen.
Auch in Frankreich dürfen E-Scooter bald nicht mehr auf dem Gehweg gefahren werden. Die Neuregelung gilt ab September. Sie sieht Geldstrafen für jeden vor, der auf dem Bürgersteig mit einem der elektrisch angetriebenen Kleinroller oder einem ähnlichen Gefährt unterwegs ist. Ausgenommen sind lediglich Menschen, die ihren Roller mit abgeschaltetem Motor schieben. Die Regelung gilt auch für ähnliche Gefährte, etwa Segways und Monowheels.
Den Boom der Miet-Roller in Frankreich bekommen derzeit vor allem die Menschen in Paris zu spüren. Seit der Einführung im vergangenen Jahr sind dort bereits rund 15.000 Roller verschiedener Firmen unterwegs, bis zum Jahresende soll ihre Zahl auf 40.000 steigen. Verkehrsministerin Elisabeth Borne sprach von einer "sehr schnellen und ein wenig anarchischen" Entwicklung.
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Die nächsten Schritte
Der Bundesrat könnte sich noch für Änderungen an der Verordnung stark machen. Dann soll sie möglichst noch im Frühjahr in Kraft treten. Daneben bereitet die Bundesregierung auch Regelungen für andere E-Gefährte ohne Lenkstange vor – das sind Hoverboards oder Skateboards mit Elektromotor. Hier plant Minister Scheuer eine Ausnahmeverordnung. An den Details wird noch gearbeitet.
- Nachrichtenagentur dpa