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Schatzschiff "Gottfried": Als ein Sturm den Schatz des Preußenkönigs versenkte


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Untergang der "Gottfried" 1822
Als ein Sturm den Schatz des Preußenkönigs versenkte


Aktualisiert am 31.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Stürmische Nordsee: 1822 versanken ägyptische Schätze mitsamt der "Gottfried" in der Elbmündung.Vergrößern des Bildes
Stürmische Nordsee: 1822 versanken ägyptische Schätze mitsamt der "Gottfried" in der Elbmündung. (Quelle: Dietrich Alsdorf, Landkreis Stade, imago)
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Kleiner Frachter, wertvolle Ladung: 1822 sank die "Gottfried" in der Elbmündung, an Bord Schätze aus Ägypten. Angespülte Mumien sorgten für Schrecken an Land, manch Bauer fand Kostbarkeiten.

Der Orkan, der in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1822 über der Nordsee tobte, gilt als einer der schwersten der Geschichte. In England, berichten die Aufzeichnungen, blies der Wind so stark, dass er das Wasser aus der Themse herausdrückte. Diese Wassermassen schob er auf der anderen Seite des Ärmelkanals in die Elbe hinein. Die Küstenlinie war nicht mehr zu erkennen. Seitenarme und Elbmündung existierten nicht mehr – nur noch eine einzige riesige aufgewühlte Wasserfläche. Wer jetzt nicht bereits in einem Hafen lag, hatte auch keine Chance mehr, noch einen zu erreichen. Der einzige halbwegs sichere Ort war das offene Meer, weit weg von allen Klippen und Untiefen.

Dorthin versuchte auch der junge, unerfahrene Kapitän Heinrich Jacob Riesbeck sein Schiff zu retten – die "Gottfried", ein kleiner zweimastiger Frachtsegler aus Eichenholz. Vergeblich. An Bord befand sich einer der unermesslichsten Schätze seiner Zeit: 97 Kisten mit ägyptischen Kunstwerken, die der preußische Adlige Freiherr Heinrich Menu von Minutoli für König Friedrich Wilhelm III. am Nil erworben hatte. Sie sollten den Grundstock für die ägyptische Sammlung des Preußenherrschers bilden. Paris und London wetteiferten ebenfalls darum, mit ihren archäologischen Sammlungen zu den führenden Kunstzentren Europas zu werden – mit dem Schatz an Bord der "Gottfried" würde Berlin mühelos mit ihnen mithalten können.

Mumien trieben im Meer

Minutoli hatte bei seinen Einkäufen an nichts gespart. Er hatte Mumien erworben, Altäre, Gefäße, Götterfiguren und Papyri. Mehmed Ali Pascha, Gouverneur der osmanischen Provinz Ägypten, hatte als Geschenk an den Freiherrn sogar noch ein arabisches Prunkzelt obendrauf gelegt. Dazu kamen die Spitze einer Pyramide sowie ein tonnenschwerer Sarkophag aus rotem Granit. 200 Arbeiter hatten drei Monate gebraucht, um ihn aus einem 27 Meter tiefen Schacht zu bergen.

Wahrscheinlich waren es der gewaltige Sarkophag und die Pyramidenspitze, die dem jungen Kapitän und seinem Schiff zum Verhängnis wurden. Fest verzurrt stabilisierten sie noch das Schiff. Doch als das anhaltende Schlingern der wütenden Orkanwellen die Taue löste, durchschlugen die beiden Stein-Monstren die Bordwand. Binnen Sekunden verschluckte die Nordsee das Schiff mitsamt seinen ägyptischen Preziosen. Nur die leichteren Holzsarkophage, gefüllt mit mehr Luft als Mumie, ploppten wieder an die Oberfläche, hüpften wie Korken auf den Wellen und trieben gen Küste.

Deichgraf Georg Wilhelm Schmeelke, Schultheiß im Dienst des Herzogs von Bremen und Verden, notierte akribisch, was die See in den kommenden Tagen am linken Elbufer zwischen Cuxhaven und Balje anspülte: ein Straußenei, Widder-Hörner, mumifizierte Fische, Korallen sowie zwei Kisten mit diversen Büchern, Briefen, Landkarten und Tagebüchern. Auch Mehmed Ali Paschas Prunkzelt schaffte es völlig zerfetzt an den Elbstrand – ebenso wie sieben Sarkophage mitsamt ihren Mumien. Der Fund löste großes Grauen aus, grassierte doch gerade die Pest in Ägypten. Eilig verscharrte man die Toten im Ufersand.

Leichen wieder ausgegraben

Die Versicherung bemühte sich um Schadensbegrenzung. 27.000 Mark schuldete sie Minutoli für die verschollene Ladung. Um den Verlust wenigstens zum Teil zu finanzieren, trieb sie an Fundstücken ein, was sie den ansässigen Bauern im Kehdinger Land noch entreißen konnte und zwang sie per Gerichtsbescheid dazu, die grausigen Leichen wieder auszugraben. Das Festzelt listet der Katalog für die Versteigerung der "Gottfried"-Funde in Hamburg am 4. September 1822 ebenso auf wie verschiedene Mumien von Tieren und Menschen. Von letzteren allerdings nur sechs.

Eine blieb spurlos verschwunden – vermutlich im Hinterzimmer eines windigen Apothekers, der sie in Stücke gehackt oder pulverisiert nun diskret verpackt als Aphrodisiakum an die Dorfbevölkerung verkaufte. Die finsteren Gerüchte, die sich anschließend um diese eine verschwundene Mumie rankten, verarbeitete der Archäologe und Schriftsteller Dietrich Alsdorf später in seinem Kehdinger Roman "Anna Brümmers Weg zum Scharfrichter". Wie viele der zahlreichen Statuetten, Salbgefäße oder anderen Kleinigkeiten auf dem Grund der Nordsee liegen oder noch heute als Familienerbstücke und Kuriositäten in Kehdinger Küchenschubladen aufbewahrt werden, weiß niemand.

Während auf der Museumsinsel im fernen Berlin die Räume von König Friedrich Wilhelms Museum nur notdürftig mit dem Inhalt von 23 weiteren Kisten bestückt wurden, die Minutoli auf dem Landweg in die Hauptstadt geschickt hatte, feierten die reichen Hamburger Kaufleute mit den ersteigerten "Gottfried"-Mumien fröhliche Partys.

Eine Mumie war so viel Wert wie ein Kleinwagen

Seit Napoleon Bonaparte rund 20 Jahre zuvor durch seinen wissenschaftlich begleiteten Feldzug nach Ägypten in ganz Europa eine Begeisterung für das Land am Nil ausgelöst hatte, galt es als gesellschaftliches Vergnügen, Freunde und Geschäftspartner einzuladen und Mumien auszuwickeln – in der Hoffnung, Amulette und Schmuck zwischen den Leinenbinden zu finden. Es war ein teures Vergnügen: Eine echte ägyptische Mumie kostete damals in etwa so viel wie heute ein neuer Kleinwagen.

Von der ganzen Ladung der "Gottfried" schaffte es immerhin ein Stück ins Museum – wenn auch nicht in die Hauptstadt Berlin. Um 1880 schenkte ein Fräulein aus Stade der Urgeschichtssammlung des Geschichts- und Heimatvereins ihrer Stadt eine kleine, knapp acht Zentimeter hohe Figur aus blauer Fayance: ein Uschebti, eine ägyptische Grabfigur. Wie die Frau an dieses Figürchen kam, ist im Katalogeintrag nicht vermerkt – zeitlich und stilistisch passt es jedoch hervorragend zur verschollenen Ladung der "Gottfried".

Wrack bleibt bis heute verschwunden

Erst Anfang der 1990er-Jahre tauchten dann im Magazin des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe noch eine Kindermumie, eine Mumienhand und ein vergoldeter Mumienkopf auf – vermutlich die letzten Mumienreste aus der Fracht der "Gottfried". 2003 kam noch ein Kästchen mit einer Leinenbinde und einer Mumienlocke dazu. Der Rest ist bis heute verschollen.


An der Küste zwischen Cuxhaven und Balje kennt noch jedes Kind die Geschichte von der "Gottfried" und dem exotischen Strandgut. Wissenschaftlern und professionellen Tauchern ist es aber trotz jahrelanger Suche bis heute nicht gelungen, das Wrack zu finden. Vermutlich existiert es nicht mehr; die zertrümmerten Eichenplanken riss längst die Strömung mit sich fort. Nur die Pyramidenspitze und der Sarkophag aus rotem Granit ruhen wohl noch immer im Schlick vor der Elbmündung – sehr zur Verwunderung von Scholle und Aal.

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