TV-Tipp 1000 Arten Regen zu beschreiben
Berlin (dpa) - Die verschlossene Tür macht die ganze Familie verrückt. Dahinter versteckt sich Mike - und das bereits seit Wochen. "Hikikomori" nennt man das Phänomen in Japan: Menschen, die sich zuhause einschließen und den Kontakt zur Außenwelt abbrechen. Auch Mike ist so ein "Hikokomori".
Er will offensichtlich seine Ruhe, will dem Alltag aus dem Weg gehen - und belastet damit seine von Bjarne Mädel und Bibiana Beglau gespielten Eltern sowie seine Schwester Miriam (Emma Bading) umso mehr. Denen gehen im sensiblen Drama "1000 Arten Regen zu beschreiben" (Mittwoch, 22.55 Uhr, Arte) die Ideen aus, wie sie mit Mike umgehen sollen - und verlieren sich dabei zunehmend selbst aus dem Blick.
Die Tür, hinter der sich Mike versteckt, ist zu einem immer wiederkehrenden Treffpunkt dieser Familie geworden. Vater Thomas reagiert sich hier gerne mal ab, Mutter Susanne versorgt den Sohn mit ihren Gerichten und Mikes Schwester Miriam würde gerne all die Probleme der Jugend mit jemandem besprechen, der sie ebenfalls gerade erlebt. Doch Mike schweigt, kommuniziert nur kryptisch mit Zettelchen. "Griechenland. Lang anhaltende Frontregen. Stürmisch."
Seine drei Familienmitglieder eint lange die Scham über die Geschehnisse zu Hause - und die Hilflosigkeit. Ihr Umfeld soll nichts merken, ihre Leistung soll nicht unter dem hohen psychischen Druck leiden, unter dem sie stehen - es ist der gegensätzliche Weg zu dem von Mike. Doch je länger der Rückzug dauert, umso mehr droht die Situation zu eskalieren. Was macht man also mit einem Jugendlichen, der persönlichen Kontakten komplett aus dem Weg geht?
Die bedrückende Stimmung, die Hilflosigkeit, der nahende Kontrollverlust, das alles fängt Regisseurin Isa Prahl (41) in ihrem gelungenen Langfilm-Debüt mit starken Empfindungen ein. Bjarne Mädel (51, "Tatortreiniger") und Burgtheater-Schauspielerin Bibiana Beglau (48) sorgen mit ihren schauspielerischen Leistungen dafür, dass die Gefühle der Eltern - von Wut bis Verzweiflung - wirklich nahe gehen. Auch für den Zuschauer ist hier kein rettendes Ufer in Sicht, die Lage scheint aussichtslos. Und so zieht ausgerechnet "Hikikomori", die Abschottung von allem, alle in seinen Bann.
Ein besonderes Lob gilt der in diesem Jahr mit dem Hessischen Fernsehpreis ausgezeichneten Emma Bading (21, "Play") für ihre Darstellung der Tochter, die mitten in der Pubertät - zwischen kindlicher Naivität und jugendlichem Drang - von den Problemen der Familie aus der Bahn geworfen wird. Ähnlich wie mit den Eltern kann man auch mit ihr mitleiden und die Verzweiflung spüren. Zudem sorgt ihre Entwicklung für Spannung: Es bleibt lange offen, ob man Mike jemals zu Gesicht bekommt oder sich seine Schwester auch noch von der Außenwelt verabschiedet.