Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Keine falsche Scham Dschungelcamp: Diesmal können Sie ruhig einschalten
Für die einen ist es Unterhaltung pur, für die anderen Verblödung der Massen. Warum es gar nicht so schlimm ist, das Dschungelcamp zu schauen.
"So was guckst du?", schallte es mir entgegen, als ich in geselliger Runde am Rande erwähnte, dass ich mich schon auf das Dschungelcamp freue. Einen ewigen Moment der Stille und gleich drei gerümpfte Nasen später hatte ich mir eine gepfefferte Antwort überlegt: "Ja!"
Das Ganze ist so lange her, dass ich nicht mehr genau weiß, wie lange. "Damals" hatte Fernsehen im Allgemeinen nicht den besten Ruf, Trash-TV schon gar nicht und bei dem Namen Netflix hätte man eher an eine Schwesterfirma von Maggi Fix gedacht.
Heute, da ich mir vielleicht eine etwas schlagfertigere Antwort zurechtgelegt hätte, ist diese gar nicht mehr nötig. Fans des Dschungelcamps finden sich durchweg in allen Schichten wieder. Das Format ist so erfolgreich, dass es im Sommer sogar eine Zusatzshow gab, eine Allstars-Ausgabe sozusagen, um den Goldesel nicht nur zu melken, sondern ihn komplett auszuschlachten. Und was soll ich sagen: Es ist gelungen. Die Show war gut, erfüllte ihren Zweck, unterhielt und kann von mir aus in diesem Jahr wiederkommen.
In Zeiten des völlig überfüllten Trash-TV-Markts mit skrupellosen Fremdgeh-Formaten, wie "Temptation Island" oder sexversprechenden Produktionen wie "Ex on the Beach", wirkt "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" ohnehin fast wie eine arte-Dokumentation. Okay nur fast. Trotzdem hat die Show etwas Erhabenes, etwas, das sie von anderen Trash-TV-Sendungen abhebt. Schwer zu sagen, ob es am Konzept, am Moderationsduo, am Kultstatus oder am Alter liegt (die erste Staffel lief immerhin vor über 20 Jahren).
Besser kann es sich ein Rudel an RTL-Autoren nicht ausdenken
Ich schaue es mir jedenfalls gern an, wenn der Antiheld in Folge acht eine Wendung erfährt wie Georg Büchners Woyzeck. Oder wenn bei der dritten Nachtwache alle Dämme brechen, weil zwei Promis, die sich seit 72 Stunden kennen, ihr intimstes Inneres ausschütten. Wenn dann dieser rührselige Moment von einer nächtlichen Froschattacke im australischen Busch unterbrochen wird: super. Oder aber wenn mir nichts, dir nichts einfach ein anderer Promi dazwischenfunkt, der sich auch genau diesen Moment ausgesucht hat für seine Lebensbeichte und sich dann beide ihre einstudierten Texte aneinanderreihen und am besten noch der Frosch dazwischenquakt – dann ist das ganz großes Kino. Besser könnte es sich ein ganzes Rudel an RTL-Autorinnen und -Autoren nicht ausdenken.
Umfragen zufolge schauen die Menschen das Dschungelcamp hauptsächlich aus drei Gründen: erstens Voyeurismus. Zweitens, weil es ihnen tatsächlich gefällt. Und drittens, weil sie mitreden wollen. Ob eins, zwei oder drei, man steht auf jeden Fall richtig, denn irgendwo geht immer ein Licht auf. Und sei es nur in Form der Erkenntnis: Trash-TV macht schlau und falls doch nicht, dann wenigstens glücklich.
Außerdem ist Lachen gesund. Wer angesichts herrlicher Aussprüche à la "Let's getty to Rambo!", "The Regels sind the Regels, und wir müssen them einhalten!" oder "Was geht los da rein?" nicht gute Laune bekommt, der kann dann wenigstens beim allmorgendlichen Büroklatsch mitreden.
- Eigene Recherche
- deutschlandfunknova.de: "Faszination und gesellschaftliches Ereignis"