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"Big Brother": Burger-Blogger trifft Boxer – Früher war auch nichts besser


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"Big Brother": Früher war auch nichts besser

MeinungEine Kolumne von Janna Halbroth

Aktualisiert am 11.02.2020Lesedauer: 5 Min.
"Big Brother": Adieu Freiheit.Vergrößern des Bildes
"Big Brother": Adieu Freiheit. (Quelle: © SAT.1/Willy Weber)
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Knapp drei Stunden dauert es, bis 14 Bewohner in den "Big Brother"-Container ziehen. Nur wenige Sekunden braucht es, um die Illusion zu zerstören, dass früher alles besser war.

Fans von "Big Brother" haben sich schon gefreut. Kommen jetzt die richtig guten Zeiten wieder? Die Zeiten, in denen jemand wie Zlatko in die Runde fragt: "Wer war William Shakespeare", und jemand wie Kerstin versucht, diese Wissenslücke, die wohl vielmehr eine Schlucht ist, mit großen Steinen aufzufüllen und zu schließen. 20 Jahre später gibt es keine Steine mehr. Hier fragt nicht mal mehr jemand nach Shakespeare.

"Ey, ist das geil?"

Vielleicht stimmt das auch gar nicht. Vielleicht sind die "Bewohner", wie wir sie von nun an nur noch nennen wollen, doch ganz anders, als erste Dialoge den Anschein machen. Beispiel gefällig? Na, gut:

"Ey, ist das geil? Ey, ist das geil? Ey, ist das geil?"
"Das ist das geil"
"Ist das krass, oder?"
"Das ist so unbelievable!"

Was da so "unbelievable" ist? Die Erfahrung "Big Brother" ist es. Die wirkt unglaublich, so wie in einem Traum. Nun ja, die einen träumen so, die anderen so. Aber das alles ist kein Traum, es ist Realität. 20 Jahre nach der ersten Staffel ist der große Bruder zurück und zwar mit echten Menschen und nicht so unechten Figuren wie Promis. Die Normalo-Edition unterscheidet sich tatsächlich wohl nur darin, dass man bei "Promi Big Brother" überlegen muss, woher man die Kandidaten kennen sollte und es dann doch nicht tut. Das fragt man sich bei den 14 Bewohnern dann erst wieder beim nächsten Format, in das sie danach hüpfen. Noch sind sie aber wie wir: Unverbrauchte No-Names. Normal sind sie allerdings nicht wirklich.

Die sieben Männer und sieben Frauen sind doch ziemlich glatt gebügelt und können gut mit dem Cast von "Love Island" mithalten. Dabei sollen sie doch ein Spiegel unserer Gesellschaft sein. Einer hat immerhin mal eine Ausbildung zum Bundespolizisten angefangen, eine andere ist Altenpflegerin, jemand hat die Schule abgebrochen, wieder eine andere ist Barkeeperin. Das war es aber dann auch mit den "normalen" Berufen.

Burger-Blogger trifft Boxer

Kein Postbote unter den Kandidaten, keine dreifache Mutter, die als Kassiererin arbeitet, keine Ärztin, kein Pfleger. Stattdessen Gesundheitscoach, Trauredner, Burger-Blogger oder Boxer. Aber wer will denn so spießig sein? Die Welt verändert sich nun mal und vielleicht gibt es tatsächlich viel mehr schräge Berufe, als konservative. Vielleicht ist ein größerer Teil unserer Gesellschaft "Arschgeweihträgerin und Single", wie sich beispielsweise Mareike beschreibt, die auf Gran Canaria wohnt und als Tauchlehrerin arbeitet, anstatt in ihrer Heimat Ostfriesland Kühe zu melken. Vielleicht ist das jetzt einfach so. Vielleicht macht man das jetzt so.

Was aber ganz sicher nicht normal ist, ist das Abseilen von leeren Floskeln auf der Erzählcouch an der Seite von Moderator Jochen Schropp. Bevor die Bewohner nach und nach in die Container (es gibt zwei Häuser, in die eingezogen wird) ziehen, wird sich erst mal anständig präsentiert. In der Werbepause zuvor wurde dem Zuschauer ein Medikament empfohlen, das harten Stuhlgang in weichen verwandelt und ein bisschen fühlt man sich, als hätte man zu oft an diesem Fläschchen genippt.

Kandidatin Michelle erklärt zum Beispiel, sie gehe ins "Big Brother"-Haus, um zu zeigen, wer sie wirklich ist, um ihr wahres Gesicht zu präsentieren. Wer hat sich das nur irgendwann einmal ausgedacht? Welcher normale Mensch muss irgendwem beweisen, wie er wirklich ist? Wer hat im normalen Leben ein falsches Gesicht? Wer geht mit einer Maske zum Aldi? Kauft sich anstatt Cornflakes immer Haferflocken, weil er ein falsches Spiel spielt?

"Ich kann mich gut durchsetzen, da ich mich gut durchsetzen kann"

Gina, die jüngste Bewohnerin hat mit 18 Jahren die Schule abgebrochen, weil sie gemobbt wurde. Jetzt ist sie eigenen Aussagen zufolge aber kein Opfer mehr, das Ganze ist mittlerweile auch schon ein ganzes Jahr her und Gina ist jetzt ganz sicher stark genug für den Überwachungscontainer, weil: "Ich denke, ich kann mich ganz gut durchsetzen, da ich mich gut durchsetzen kann." Es wird ihr allerdings nicht gerade einfach gemacht und vielleicht hätte ein Jahr Schule mehr doch nicht schaden können.

Denn: Neuer Clou beim neuen "Big Brother" sind ständige Bewertungen von außen. Jeden Tag werden den Bewohnern Kommentare vor den Latz geknallt: "Braucht Aufmerksamkeit", "Nervt mich total", "Spielt falsch", schreiben Unbekannte über die Kandidaten, nachdem sie sie im Schnitt wohl etwa drei Minuten gesehen haben. Während draußen versucht wird, Cybermobbing in den Griff zu bekommen, fährt man bei Sat.1 lieber ganz groß auf.

Von der Problematik des Bewertens von Menschen durch gelbe Sterne zum Titelsong "Folge dem Führer" (übersetzt) mal ganz abgesehen, läuft da irgendwie etwas falsch. Für die, die noch nicht geschnallt haben, wie belastend es sein kann, sich ständig mit ungefragter oberflächlicher Kritik von Fremden auseinandersetzen zu müssen, erklärt ein Psychologe im Studio dann noch einmal, was so eine Bewertung von außen mit der Psyche macht. Leider muss aber für ein wichtiges "Match" unterbrochen werden, das die Bewohner auf dem Spielfeld austragen müssen. "Bitte nichts mit Wissen", schreit eine von ihnen.

"Was macht Menschen wertvoll?", fragt unterdessen eine pseudoseriöse Stimme in einem Erklärvideo zur Show und gibt selbst schon mal ein paar Vorschläge: "Soziales Verhalten, Geld, die Figur oder ganz was anderes?" In den nächsten Stunden können wir Zuschauer jetzt abstimmen und Sterne verteilen. In den Kategorien: "Echt", "Teamfähig" und "Sexy".

Früher war gar nicht alles besser

Aber man mag irgendwie nicht mehr so ganz. Man möchte einfach nur wieder zurück zum Anfang der Show, als kurzzeitig ein Rückblick eingeblendet wurde und die Highlights aus den vergangenen 20 Jahren noch einmal aufgewärmt wurden. Szenen aus längst vergessenen Zeiten füllen sich da wieder mit Bildern. "Nehmt euch alle nen Strick! Du Lumpen", schreit Sachsen-Kandidat Heiko, weil er sein hautenges Trikot einfach nicht von seinem dünnen Oberkörperchen abgepult bekommt. "Dann klatsch ich dich weg!", droht eine Bewohnerin, deren Namen man vergessen hat, eine andere an, deren Namen man noch viel mehr vergessen hat. "Schrei mich hier noch einmal an", droht Christian Hanka, spätere Dschungelcamperin und Mietexpertin oder so etwas in der Art, in einem Kopf-an-Kopf-Tänzchen an.

Und dann eben noch der Klassiker: "Wer war William Shakespeare?", fragt der Unwissende. Und so langsam dämmert es einem: Früher war irgendwie auch nicht alles besser. "Big Brother"-Kandidaten waren wohl von jeher irgendwie noch nie so ganz knusper.

Verwendete Quellen
  • "Big Brother: Der Einzug" vom 10. Februar 2020
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