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Sayn-Wittgensteins bei "Promis auf Hartz-IV": "Vorurteile wurden bestätigt"


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Heinz und Andrea von Sayn-Wittgenstein
"Der Hartz-IV-Regelsatz sollte nicht erhöht werden"

InterviewVon Ricarda Heil

Aktualisiert am 08.05.2018Lesedauer: 5 Min.
Heinz und Andrea von Sayn-Wittgenstein: Sie leben 30 Tage von Hartz IV.Vergrößern des Bildes
Heinz und Andrea von Sayn-Wittgenstein: Sie leben 30 Tage von Hartz IV. (Quelle: dpa)

Sie leben ein Leben im Luxus, doch für "Promis auf Hartz IV" haben Andrea und Heinz von Sayn-Wittgenstein 30 Tage lang getestet, wie es ist, nur mit dem Grundbedarf des Hartz-IV-Regelsatzes über die Runden zu kommen. Im Interview mit t-online.de zieht das Fürstenpaar ein bitteres Fazit.

Von der schicken Villa auf Mallorca geht es für Andrea und Heinz von Sayn-Wittgenstein für vier Wochen in eine Zwei-Zimmer-Bude mitten in Köln-Zollstock. Kreditkarten und Smartphones werden dem 63-Jährigen und seiner Ehefrau abgenommen. 521 Euro gibt es bar auf die Hand – 99.479 Euro weniger als der Wahl-Mallorquiner sonst im Monat zur Verfügung hat.

Ein Sozialexperiment, das Andrea und Heinz von Sayn-Wittgenstein die Augen öffnen soll. Denn die wohlhabenden Eheleute haben Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Empfängern: alles Schmarotzer, niemand will arbeiten.

Diese Vorurteile will das Fürstenpaar in der Sendung auf RTL II bereinigen. Doch es kommt alles ganz anders. "In diesem Fall wurden meine Vorurteile bestätigt und sogar bestärkt", verrät Heinz im Interview mit t-online.de.

t-online.de: Frau und Herr von Sayn-Wittgenstein, wie war es für Sie, vier Wochen lang mit so wenig Geld auszukommen?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Wir haben von den 736 Euro letztendlich nur 521 Euro bekommen. Das Geld für Strom und Wasser wurde abgezogen. Wir mussten also vier Wochen von 521 Euro leben. Das war wirklich schwierig. Meine Frau und ich sind oft unterschiedlicher Meinung. Wenn wir diskutieren, dann immer mit Respekt. In dieser Situation kam es aber auch bei uns zu heftigen Streitereien. Es war eine knallharte Nummer. Das Experiment hat unsere Beziehung auf die Probe gestellt. Es war nicht einfach.

Mit welchen Tricks kamen Sie über die Runden?

Andrea von Sayn-Wittgenstein: Ich habe sehr auf das Geld geachtet. Ich wollte sehr sparsam damit umgehen. Man weiß nie, was noch alles kommt.

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Ich wollte tricksen, aber die Produktionsfirma und RTL II waren so auf Zack, das war unmöglich. Wir hatten sechs Bodyguards. Nicht, weil wir beschützt werden mussten, sondern weil sie aufpassen sollten, dass uns niemand heimlich Schokolade und Zigaretten zusteckt. Costa Cordalis war der Einzige, der mich besuchen durfte. Er kam mit einer Gitarre, in der er Zigaretten für mich versteckt hatte, aber die wurde ihm natürlich direkt abgenommen.

Kommen denn bei so wenig Geld kriminelle Gedanken auf?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Ich habe mein ganzes Leben nie etwas gestohlen oder jemanden betrogen, aber in diesen vier Wochen sind wir drei Stationen schwarzgefahren, weil wir nicht genügend Kleingeld dabei hatten. Ich habe geschwitzt, ich habe gezittert.

Wieso haben Sie sich dafür entschieden, bei diesem Experiment mitzumachen?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Wir haben das Experiment gemacht, um mit unseren Vorurteilen aufzuräumen. Ich will Menschen nicht in eine Schublade stecken, ich will die Hintergründe jedes Einzelnen sehen, erst dann kann ich beurteilen. Wir haben in einer Gegend gewohnt, in der viele Hartz-IV-Empfänger leben. In den vier Wochen haben wir sehr viele Menschen kennengelernt. Ich wollte meine Vorurteile bereinigen, aber muss jetzt im Nachhinein leider sagen: In diesem Fall wurden meine Vorurteile bestätigt und sogar bestärkt.

Die wären?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Ich habe die Hartz-IV-Empfänger in drei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe ist körperlich und geistig krank. Diese Menschen müssen unterstützt werden, am besten auch noch mit einem höheren Betrag. Die Menschen in der zweiten Gruppe suchen ernsthaft nach Arbeit. Sie bewerben sich, stellen sich vor und würden auch sofort anfangen zu arbeiten, finden aber nichts. Diese Leute müssen auch unterstützt werden. Die dritte Gruppe hingegen sagt eiskalt: "Ich bin doch nicht blöd, ich arbeite doch nicht. Ich habe viel mehr zur Verfügung, wenn ich Hartz IV empfange, als wenn ich arbeiten gehen würde. Schwarz kann ich nebenbei immer arbeiten." Die dritte Gruppe ist auch noch die größte. Ich schätze, dass um die 70 Prozent der Hartz-IV-Empfänger nicht arbeiten wollen.

Was denken Sie darüber?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Diese Menschen rücken den Ruf der seriösen anderen 30 Prozent in ein negatives Licht. Die Leute, die wirklich einen Job suchen, tun mir leid. Hartz IV darf nur eine Übergangslösung sein, keine langfristige. Hartz IV darf auch keine Berufung sein. Ich habe einen neunjährigen Jungen auf der Straße gefragt, was er mal werden will, wenn er groß ist. Er sagte: "Mama bekommt Hartz IV, Papa bekommt Hartz IV und ich will auch Hartz IV." Da trifft dich der Schlag. Aber natürlich kennt er es nicht anders und hat keine Vorbilder.

Andrea von Sayn-Wittgenstein: Dann gibt es noch die Gruppe der alleinerziehenden Mütter, die wirklich gerne arbeiten gehen möchten, aber keinen Kita-Platz für ihr Kind kriegen. Es gibt aber auch andere: Viele der Hartz-IV-Mütter haben gemachte Fingernägel, geklebte Wimpern. Die sollen das Geld lieber in das Kind investieren.

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Alleinerziehende Mütter kriegen alle Kindergeld. Auch da macht der Staat einen Fehler. Der darf den Eltern doch nicht das Kindergeld geben, wenn sie es für sich benutzen.

Was könnte man in Deutschland besser machen?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Jeder Mensch, der gesund ist, der soll das Recht haben, Arbeit zu finden. Aber diese Menschen sollen auch arbeiten gehen. In vielen Sozialeinrichtungen fehlt Personal.

Andrea von Sayn-Wittgenstein: Keiner muss lange von Hartz IV leben, das sollte nur eine Übergangslösung sein. Der Hartz-IV-Satz sollte nicht erhöht werden, denn so motiviert man die Menschen nicht, sich Arbeit zu suchen.

Wie denken Sie jetzt im Nachhinein über das Experiment?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Ein sehr mutiges Experiment von RTL II. Es war eine sehr harte Nummer. Ich würde das nicht nochmal machen. Ein Politiker müsste das mal für sechs Monate durchziehen. Jens Spahn sagt, jeder kann von Hartz IV leben. Das ist eine falsche und oberflächliche Aussage. Es gibt Menschen, die haben am Ende des Monats vielleicht noch 6 Euro in der Tasche. Es gibt aber auch Menschen, die schmeißen 5000 Euro aus dem Fenster.

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Hatten Sie jemals Geldsorgen?

Heinz von Sayn-Wittgenstein: Ja, ich hatte mal Geldsorgen. Damals war ich 18 Jahre alt, da stand der Gerichtsvollzieher vor meiner Tür. Ich konnte meine Autoversicherung nicht zahlen. Das Auto war kurz vor der Stilllegung. Dann habe ich mir geschworen, dass mir so etwas in meinem ganzen Leben niemals wieder passieren wird.

"Promis auf Hartz IV" startet am 7. Mai um 20.15 Uhr bei RTL II.

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