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"Tatort: Wehrlos": Von Psychoterror und Jesuslatschen-Dramatik


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Österreich-"Tatort: Wehrlos"
Von Psychoterror und Jesuslatschen-Dramatik

von Verena Maria Dittrich

Aktualisiert am 23.04.2017Lesedauer: 3 Min.
Ausbilder Nowak (Simon Hatzl) belästigt die Polizeianwärterin Humbold (Julia Richter).Vergrößern des Bildes
Ausbilder Nowak (Simon Hatzl) belästigt die Polizeianwärterin Humbold (Julia Richter). (Quelle: ARD Degeto/ORF/Hubert Mican)
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Der Leiter der Wiener Polizeischule und seine Frau werden tot aufgefunden. Die Spur führt die Kommissare Fellner und Eisner in die eigenen Reihen. Das Szenario ist erschreckend wie aktuell.

Das Haus der Kraliceks bietet ein schreckliches Bild. Peter Kralicek, der Chef der Wiener Polizeischule liegt tot mit einer Schusswunde im Bauch im Erdgeschoss. In der oberen Etage liegt seine Ehefrau - erschlagen. Auf den ersten Blick sieht alles nach einem Familiendrama aus, doch der Schein trügt. Die Indizien sprechen dagegen.

Das Projektil in der Leiche gehört zu einer neuartigen Spezialmunition, zu der nur Polizisten Zugang haben und es passt auch nicht zur vermeintlichen Tatwaffe. Darüber hinaus hat es, laut Zeugenaussage, einen mysteriösen zweiten Schuss gegeben, der aber keinerlei Spuren hinterlassen hat. Für Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) ist schnell klar, dass der Täter aus den eigenen Reihen stammen muss.

Ein verzerrter Spiegel der Realität?

Mit "Wehrlos" richten die Wiener-"Tatort"-Macher, Autor Uli Brée und Regisseur Christopher Schier, ihren kreativen Blick schonungslos auf das Innenleben einer Polizeischule. Natürlich ist das Gesehene reine Fiktion und soll im weitesten Sinne der Sonntagabendunterhaltung dienen. Doch wenn die Kadetten, allen voran Katja Humbold (Julia Richter), ängstlich und verstört, ja fast zerbrochen, zu Boden sehen, dann bleibt das haften. Und wenn der Gruppeninspektor Nowak (hervorragend ekelhaft gespielt von Simon Hatzl) als kleiner "Führer" durch die Gänge der Schule, wie durch seinen persönlichen Polizeistaat stolziert und dabei die verdeckt arbeitende Bibi Fellner, die kommissarisch als Leiterin der Schule eingesetzt ist, verbal zum Oralsex nötigt, dann ist das beklemmend und widerlich.

Als Zuschauer fragt man sich, wie viele Demütigungen hält ein Mensch, der Karriere in einer extrem hierarchischen Arbeitsumgebung machen will, aus? Das Geflecht aus Mobbing, abartigen Sexspielen und Psychoterror, das Fellner und Eisner im Alltag der Polizeischule offenlegen, sind der Beginn und das Ende einer Gewaltspirale, die einen Menschen auch ohne physischen Schaden für den Rest seines Lebens zeichnet.

"Wehrlos" als Normalzustand

Die schauspielerischen Leistungen von Neuhauser und Krassnitzer sind auch im 40. Fall ihrer Alter Egos lebendig und erfrischend zugleich. Der Zwist, den die beiden wegen Eisners nicht kommunizierten Privatlebens (er hat sich eine Freundin zugelegt) austragen, lässt die Funken sprühen.

Die Hauptprotagonisten des Wiener-"Tatort" kämpfen mit dem Älterwerden und der privaten Einsamkeit. Fellners Flucht nach vorn, indem sie sich etwa in einer Online-Partnerbörse anmeldet oder mit der Kadettin Humbold in einem Club ausgelassen tanzt, wirken befreiend und traurig zugleich.

Eisner hingegen droht einer unkooperativen Zeugin, ihr einen Mord anzuhängen, falls sie nicht redet. Und sein Vorgesetzter Ernst Rauter (Hubert Kramar) stellt fest: "Bitte erspar` mir deine Jesuslatschen-Dramatik." Die Nerven liegen blank. Alle sind "wehrlos": die Frau in einer von Männern dominierten Welt, die Kadetten in einer nach fast blindem Gehorsam fordernden Arbeitsstruktur, ein Vater, der zum Mörder wird, weil der Schmerz und der Verlust ihn erdrücken.

Der Freitod als Zuflucht

Am Ende ist es das alte Lied. Die Obrigkeit übt auf ihre Untergebenen Macht aus. Der tote Chef der Polizeischule und sein Stellvertreter Nowak haben Kadetten zu demütigenden Sexhandlungen genötigt und diese gefilmt. Ein Kadett beging aus Schande Selbstmord. Ein geklauter Laptop löst die Ermittlungslawine aus. Der Akademieleiter wird erpresst, tötet seine Frau und wird dann selbst vom zerrissenen Vater (Alexander Strobele) des toten Kadetten gerichtet.

Die Irrannahme, dass der Tod die Probleme löst, lässt den Zuschauer fragend zurück. Menschen, die es im Grunde besser wissen müssten, verlieren die Bodenhaftung. Dieser Umstand kulminiert, als auch die Kadettin Humbold ihren Peiniger Nowak tötet, um sich dann dem Freitod als letzte Zuflucht zu ergeben.

Der Wiener-"Tatort: Wehrlos" schildert das Scheitern einer Gesellschaft auf multiplen Ebenen. Wenn der Apparat, der für alle Ordnung und Sicherheit garantieren soll, sich von innen heraus selbst zerfleischt, wer hält dann noch das Chaos in Schach?

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