Tatort "Polizeiruf": Keine Saure-Gurken-Zeit, sondern ein Krimi mit Biss
Kein olles Rumgegurke: Der Brandenburger "Polizeiruf" um eine Spreewälder Gurkenfabrik und die zerrütteten Verhältnisse der Besitzerfamilie war leckere Krimiunterhaltung. Absolutes Glanzlicht der Folge: Kriminalhauptkommissarin Tamara Rusch (Sophie Rois) als Schwangerschaftsvertretung von Olga Lenski (Maria Simon).
Aber aller Anfang war holprig: Ein als Vampir verkleideter Unhold überfällt Luise König (Susanne Lothar), die Chefin der Gurkenfabrik. Als Polizeihauptmeister Krause (Horst Krause) zum Tatort kommt, droht der Spreewald-Dracula den Betrieb abzufackeln. Das kann der moppelige Dorfbulle zwar verhindern. Doch schnappt sich Nosferatu seine Dienstwaffe und flattert davon.
Auch die ältere Tochter der "Gurkenkönigin", Anne (Lisa Wagner), die den Überfall gemeldet hat, kann sich unbemerkt mit einem wichtigen Dokument aus dem Büro vom Acker machen. Zeit für die Vertretungskommissarin, die Szenerie zu betreten und mit der Vorstellung "Ich bin Doktor Van Helsing" das Zepter in die Hand zu nehmen.
Amüsante Dialoge
Denn eins wurde gleich klar: In der von Neid, Missgunst und Eifersucht zerfressenen Familie der Gurken-Unternehmerin könnte jeder eine Leiche im Keller haben. Also bietet die Party zum 50. Geburtstag der "Königin" am Tag nach dem Überfall den Ermittlern den idealen Rahmen, diese schrecklich nette Familie mal genau unter die Lupe zu nehmen.
Und von da an nahm der Spreewald-Krimi dank kurzweiliger, treffender und amüsanter Dialoge Fahrt auf. Immer im Mittelpunkt: Kriminalhauptkommissarin Tamara Rusch. Schauspielerin Sophie Rois, die schon an der Seite von Harald Krassnitzer im Wiener "Tatort" eine Ermittlerin spielte, begeisterte mit ihrer Darstellung der spröden aber schlagfertigen Polizistin. "Meine Telefonnummer ist 110, können Sie sich das merken, oder soll ich's aufschreiben." Die Österreicherin schien in dieser Rolle geradezu aufzugehen. Ihre Spielfreude mitzuerleben, machte einfach Spaß.
Tolle Darsteller, aber auch Längen
Doch diese grandiose One-Woman-Show hatte auch einen Nachteil. Das restliche Krimi-Ensemble geriet fast ein bisschen in den Hintergrund. Auch offenbarte die Aufklärung des Falls mit seinen vielen Charakteren und Gesprächen trotz Wortwitz und tollen Darstellern hier und da Längen. Und wie so oft bei solchen TV-Krimis war auch die Auflösung der familiären Verstrickungen, Affären und Lügen, und damit des Falls, etwas unlogisch und wirr. Denn dass es am Ende doch noch einen Mord gab, wäre gar nicht nötig gewesen.
Bleibt am Ende nur zu sagen: Saure-Gurken-Zeit waren die 90 Minuten am Sonntagabend im Ersten keinesfalls. Und an die Krimi-Verantwortlichen der ARD ergeht folgende Bitte: Gebt Sophie Rois als Kriminalhauptkommissarin Tamara Rusch bitte einen eigenen "Polizeiruf" oder "Tatort".