Tatort Blutiger, aber sehenswerter "Tatort: Falsch verpackt"
Blut, Zorn, Sex – der gestrige "Tatort: Falsch verpackt" besaß alles, was zu einem spannenden Sonntagabendkrimi gehört. Mehr noch: Die düstere Atmosphäre, in der sich die Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) bis zur Erschöpfung mit brutalen Morden und nicht identifizierten Leichenteilen herumschlugen, die blutigen, verstörenden Bilder der Tatorte, der sexuell rüde Ton, mit dem Eisners junge Mitarbeiterin ihrem Chef zu Leibe rückte – das war mit all seiner Überzogenheit eine herzerfrischend neue Form der "Tatort"-Verpackung. Mehr davon!
Nein, tiefer hätte sie sich wirklich nicht beugen dürfen, die rothaarige Assistentin des Wiener Hauptkommissars Moritz Eisner, Claudia Wiesner (Stefanie Dvorak). Ansonsten hätte die Naht ihres bezaubernden Ausschnittes eine ihrer schönen Brüste unweigerlich frei geben müssen. Doch so sehr die schlanke Schönheit mittels ihres verführerischen Körpers auch versucht, den Moralisten Eisner immer mal wieder aus der Fassung zu bringen, der bleibt abweisend und konstatiert in kühlem Wienerisch: "Du hast aan' schönen Busen, aber tu ihn mir nicht immer ins G'sicht halten!" Die Beauty knöpft sich zu, lächelt kess und tritt hüfteschwingend ab.
Aggressive sexuelle Anmache
Wurde ein "Tatort"-Kommissar schon einmal derart unverfroren angemacht? Von der eigenen Kollegin? In einer anderen Szene, präsentiert sich Claudia extra hochgeschlossen und hält dem übel gelaunten Eisner einen erstklassigen Vortrag über falsch deklariertes Geflügelfleisch. Er lobt sie für ihre gute Arbeit und fügt bezüglich ihres Kleides ein "Das ist sexy" hinzu, woraufhin sie sich artig bedankt, ihm aber, während er sich schon abwendet, noch ein gepfeffertes "Geile Sau!" mit auf den Weg gibt. Dem werten Fernsehpublikum schlackerten die Ohren.
Erfolgreiche Neuorientierung
Sexuell ungewohnt aggressiv und ziemlich blutig und dunkel - Regisseurin Sabine Derflinger und Drehbuchautor Martin Ambrosch haben bei den inhaltlichen und szenischen Ausführungen dieser ORF-Produktion ganz schön auf den Busch geklopft. Mit Erfolg.
Wien wird zum Umschlagplatz von Tod und Gewalt
Die österreichische Hauptstadt ist in "Falsch verpackt" ein finsterer Moloch und Sammelpunkt für die üblen Machenschaften der internationalen Fleischindustrie. Lebensmittel werden falsch ausgezeichnet, Siegel gewinnbringend gefälscht, krankmachende Produkte in Umlauf gebracht. Das geschieht alles unter der Hoheit des skrupellosen Wiener Großhändlers Klaus Müller (Martin Brambach) und des selbstverliebten Dr. Oskar Welt (Erwin Steinhauer), Sektionschef der Fremdenpolizei. Müller endet gefrostet im eigenen Kühlraum – den Headset-Clip noch am Ohr. Welt stirbt mit dem Küchenbeilchen in der Brust und liegt im eigenen Saft.
Mysteriöse Chinesin
Asiaten werden tiefgefroren oder zerstückelt – die Wiener bewegen sich in einem nicht endenden Alptraum. Daneben versuchen die Kommissare die stets statuenhaft agierende Restaurantbesitzerin Gú Bao (Nahoko Fort-Nishigami), Ex-Frau des Oskar Welt, zu durchschauen. Frau Bao gesteht die Morde zwar zum Schluss, was der zierlichen Person jedoch noch nicht einmal ein ungeschulter "Tatort"-Gucker abnimmt. Eisner und Fellner tun es auch nicht - aber die Fleischmafia, die im Hintergrund die Fäden zieht, ist einfach nicht zu besiegen.
Gekeult und geschlachtet
Blut floss viel in diesem Tatort. Da wurde gekeult und geschlachtet auf der einen Seite, zerstückelt und gemeuchelt auf der anderen. Menschen wie Tiere mussten dran glauben. Hühnerkadaver wurden in Großaufnahme gezeigt, Hühnerfüße – die "Edelhaxen" - umspülten zu hunderten die Leichen von drei Chinesen. Ein Hund aportierte eine menschliche Hand, weitere Körperteile lagen im Müll, ein Kopf wanderte direkt in den heimischen Kühlschrank des Kommissars. Prost Mahlzeit! Der Wunsch, den persönlichen Umsatz an Gebratenem und Geräuchertem zu reduzieren – nie lag er so nahe, wie nach diesem Krimi.
Akustische Breitseite
Wem die Verwurstung durch das rein Visuelle noch nicht ausreichte, der bekam spätestens mit der Musik von Gerhard Schuller auch akustisch noch eine Breitseite mitgeliefert – Schweinegitarre, gut abgehangen.
Die Laster der Kommissare
Dass auch Eisner und Fellner dazwischen, davor und danach wie immer ihren ganz persönlichen Geistern begegneten, geriet da beinahe zur beruhigenden Ablenkung von all dem Gemetzel: Die Bibi kann das Saufen nicht lassen und der Moritz bekommt sein Gewicht nicht in den Griff – dabei möchten die beiden doch nur das eine: "Endlich a schönes Leben haben!" Uff, wenigstens ein bisschen was Vertrautes für die Tatort-Gemeinde. Es tut gut, sich gemeinsam mit den Ermittlern die Wunden zu lecken. Der etwas unschlüssige Schluss und dass Tatvorgänge von den Ermittlern oftmals erklärt werden mussten mochte aufhalten, gestört hat es nicht.
Ergebnis: Well done
Fazit: Dieser rüde Ton, das Splatterhafte, diese Überzogenheit fast schon ins B-Movie-Genre, dieses Düstere und Brutale – es ist herzerfrischend neu in der breiten Riege der Tatort-Folgen. Mit der Inszenierung ist es Derflinger und Ambrosch gelungen, diesen Wiener Tatort ein bisschen abzuheben vom normalen Krimi-Grundrauschen. Well done!