Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.ZDF-Moderator Stefan Leifert "Es reicht nicht mehr"
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Der große Wahlabend steht bevor – auch für Stefan Leifert. Im ZDF wird er heute die Lage abbilden. Im Interview spricht er über Vertrauensverluste und Stilfragen.
Aus dem Futurium in Berlin, in Sichtweite des Kanzleramts, wird heute ab 17 Uhr die ZDF-Wahlsendung übertragen. Neben Politikchefin Shakuntala Banerjee wird "heute journal"-Leiter Stefan Leifert Zahlen präsentieren, Analysen liefern, einordnen. Im Interview mit t-online zeigt er sich im Vorhinein entschlossen, dass sein Sender das beste Programm liefern wird – trotz starker Konkurrenz von ARD bis RTL.
t-online: Herr Leifert, das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat gelitten. Wie möchte das ZDF es zurückgewinnen?
Stefan Leifert: Durch Transparenz. Uns ist bewusst, dass viele Menschen kritischer auf unsere Berichterstattung blicken. Deshalb legen wir immer häufiger offen, wie wir zu unseren Rechercheergebnissen kommen – gerade bei sensiblen Themen wie den Wahlumfragen. Es reicht nicht mehr zu sagen, was die Zahlen sind, wir müssen auch erklären, wie sie zustande kommen. Das gilt besonders in Zeiten von Social Media, wo Transparenz direkt eingefordert wird.
Wie setzen Sie das konkret in der Wahlnacht um?
Wir gehen mit unseren Daten äußerst vorsichtig um. Es wäre unangemessen, jede kleine Veränderung in den Umfragewerten als "Umfragehammer" zu verkaufen – das geben die Zahlen meistens nicht her. Wenn eine Partei um einen Prozentpunkt steigt oder fällt, dann liegt das oft innerhalb der Fehlermarge. Anstatt marktschreierisch zu agieren, bleiben wir lieber sachlich – auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht etwas langweilig wirkt. Uns geht es darum, glaubwürdig zu bleiben.
Wenn RTL mit neuen Formaten erfolgreich ist, dann spornt uns das an, noch besser zu werden.
stefan leifert
Neben der ARD mischt inzwischen auch RTL bei der Wahlberichterstattung mit. Wie nehmen Sie diese Konkurrenz wahr?
Ich finde das erfrischend! Es belebt den Markt und zeigt, dass politischer Journalismus in Deutschland gefragt ist und hohe Qualität hat. Wenn RTL mit neuen Formaten erfolgreich ist, dann spornt uns das an, noch besser zu werden. Es geht nicht darum, die Konkurrenz zu fürchten, sondern die Herausforderung anzunehmen – zum Beispiel, indem wir gezielt jüngere Zielgruppen ansprechen und uns auf neue Plattformen und Ausspielwege einlassen. Am Wahlabend wechsle ich zum Beispiel zwischen unserer linearen Wahlsendung und dem Twitch-Format hin und her.
Fühlen Sie sich im Vergleich zur ARD manchmal wie der kleine, nicht so gern gesehene Bruder?
Nein, diesen Eindruck haben wir nicht. Natürlich profitiert die ARD von der "Gnade des ersten Knopfes" auf der Fernbedienung, aber wir haben auch schon Wahlabende gewonnen, zum Beispiel die US-Wahlnacht. Unser Ziel ist es, präziser mit den Zahlen zu sein und die Sendung lebendiger zu gestalten – näher am Geschehen, schneller bei den relevanten Gesprächspartnern.
Wie sieht Ihr Tag am 23. Februar aus?
Ich gehe morgens wählen – dieses Mal nicht per Briefwahl, sondern direkt im Wahllokal, weil ich in Berlin vor Ort sein werde. Danach ist der Tag zunächst erstaunlich ruhig. Der Wahlkampf ist vorbei, alles ist gesagt, und man wartet quasi auf den Startschuss um 17 Uhr. Dann steigt die Spannung schlagartig auf 100.
Wie bereitet man sich auf eine Wahlsendung vor, deren Verlauf man nicht vorhersagen kann?
Das ist die größte Herausforderung. Bis 18 Uhr kann man einige Elemente durchspielen, wie zum Beispiel die Schalten zu den Korrespondenten oder die vorbereiteten Grafiken zur Ausgangslage. Aber ab 18 Uhr ist es ein Freiflug ins Ungewisse. Man weiß nicht, welche Überraschungen der Wahlabend bringt: Wer tritt zurück? Wer feiert den Sieg? Das ist das Spannende und Herausfordernde zugleich.
Sie sind bekannt dafür, eher leger aufzutreten. Wie kleiden Sie sich am Wahlabend?
Weiße Turnschuhe wird man an mir sicher nicht sehen – das bin ich einfach nicht. Aber vielleicht trage ich eine Krawatte. Eine Bundestagswahl ist das Hochamt unserer Demokratie, um die uns viele beneiden. Warum dann nicht mal Krawatte?
Eher klassisch also.
Ich halte nichts von Pseudocoolness. Jugendlichkeit und Glaubwürdigkeit ergeben sich nicht aus dem Alter oder dem Outfit eines Moderators, sondern aus der Art der Ansprache und wie gut ich es schaffe, komplexe Themen verständlich zu erklären. Das ist mir wichtiger, als künstlich auf jugendlich zu machen.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage im Land ein?
Nach einem eher ruhigen Wahlkampf haben die schrecklichen Ereignisse von Aschaffenburg und München die Situation aufgewühlt. Migration ist jetzt das Top-Thema, und alle Parteien müssen dazu Stellung beziehen. Das könnte noch einmal Bewegung in die Umfragewerte bringen, auch wenn ich keinen Erdrutsch erwarte. Aber schon kleine Veränderungen können große Auswirkungen auf die Regierungsbildung haben.
- Interview mit Stefan Leifert