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Shakuntala Banerjee: "Weckt mich auf, wenn die Welt in Ordnung ist"


ZDF-Politikchefin Shakuntala Banerjee
"Dafür werde ich nicht bezahlt"

InterviewVon Dinah Rachko

19.02.2025Lesedauer: 7 Min.
Shakuntala Banerjee: Sie ist die Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen.Vergrößern des Bildes
Shakuntala Banerjee: Sie ist die Leiterin der ZDF-Hauptredaktion Politik und Zeitgeschehen. (Quelle: Robert Schmiegelt via www.imago-images.de/imago)
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Deutschland blickt gespannt auf die Bundestagswahl 2025. Shakuntala Banerjee begleitet sie fürs ZDF und gibt Einblicke in ihre Arbeit als Politikchefin.

Nach dem Bruch der Ampelkoalition findet am kommenden Sonntag, dem 23. Februar, die vorgezogene Bundestagswahl statt. Die politische Anspannung in Deutschland ist spürbar – ein Rechtsruck zeigt sich mitunter an hohen Umfrageergebnissen für die AfD.

Shakuntala Banerjee wird am Wahltag im Zweiten berichten. Sie übernahm die Leitung der ZDF-Hauptstadtredaktion Politik und Zeitgeschehen im vergangenen Jahr nach Matthias Fornoffs Entlassung. Im Interview mit t-online berichtet sie von Sorgen um Deutschlands Demokratie und warum sie auch heute noch das Lampenfieber packt.

t-online: Frau Banerjee, es gibt einen spürbaren Rechtsruck, die AfD hat sich zunehmend radikalisiert. Gleichzeitig steht mit dem BSW noch eine weitere populistische Partei im Wahlkampf. Welche Herausforderung bedeutet das für die Berichterstattung zur Bundestagswahl?

Shakuntala Banerjee: Unsere Verantwortung ist immer, möglichst viele Informationen vor einer Bundestagswahl zur Verfügung zu stellen, zu berichten, was welche Partei möchte. Da gehört es natürlich dazu, nicht nur auf die Parteiprogramme zu schauen, sondern auch hinter die Kulissen. Wofür steht die Partei in dem, was ihre Mitglieder sagen und auch tun? Das ist nicht immer deckungsgleich mit dem Parteiprogramm, das liegt auch in der Natur der Sache.

Wie gehen Sie dabei vor?

Man schaut: Wo steht die Mehrheit der Partei und wer setzt sich durch? Das versuchen wir klarzumachen und das versuchen wir natürlich auch bei einer AfD klarzumachen, die vom Verfassungsschutz als in Teilen rechtsextrem eingestuft wird. So etwas muss man bei einer demokratischen Wahl tatsächlich noch einmal gesondert betrachten und auch hervorheben. Aber in erster Linie geht es um Inhalte der Wahlberichterstattung.

Unternehmer und Trump-Berater Elon Musk stellt sich öffentlich hinter die AfD und nutzte kürzlich seine Plattform X für ein Livegespräch mit Alice Weidel. Sind soziale Medien mehr Gefahr oder Chance für die Informationsgesellschaft?

Ich sehe soziale Medien erst einmal als Chance, dass sich Menschen organisieren können, denen das vorher schwergefallen ist. Wir können eine größere Vielfalt in die öffentliche Diskussion und in den öffentlichen Raum hineinbringen. Problematisch wird es, wenn das passiert, was wir jetzt gerade sehen. Wenn Anbieter sozialer Medien ihre Macht benutzen, um bestimmten politischen Parteien Vorteile zu verschaffen. Das greift in unsere Demokratie ein. Das greift in die demokratische Debatte ein und in die Informationsvermittlung, die unglaublich wichtig für demokratische Wahlen ist. Das finde ich sehr bedenklich.

Wie sollte man damit umgehen?

Wir müssen als Gesellschaft über diesen Eingriff nachdenken, auch die Politik in Deutschland und in Europa muss darüber nachdenken. Das ist eine Debatte, der wir uns in den nächsten Jahren mit Sicherheit stellen müssen und die hoffentlich auch geführt wird.

RTL richtete ein Kanzler-Quadrell mit Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel aus. Warum war das nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk möglich?

Wir hatten auch von Anfang an Runden geplant, in denen alle vier aufeinandertreffen. Zum Beispiel das Wahlforum "Klartext", bei dem Bürgerinnen und Bürger allen vier Kanzlerkandidaten Fragen stellen konnten. Ein ähnliches Format gab es am Montag vor der Bundestagswahl. In der Sendung "Die Schlussrunde", die nur vier Tage vor der Bundestagswahl stattfindet, bieten wir den vier Kandidaten ebenfalls noch mal die Gelegenheit, aufeinanderzutreffen.

Aber ein Format, in dem die Kandidaten sich den Wählerfragen stellen, ist etwas anderes als eine Sendung, in der sie hart von Journalisten gefragt werden. Woran ist das gescheitert?

Die Sendung "Klartext" hat gezeigt, wie fundiert und hartnäckig Menschen nachhaken, die sich mit einer Sache gut auskennen und eine konkrete Antwort wünschen. Zudem haben wir im ZDF sowohl Olaf Scholz und Friedrich Merz als auch Robert Habeck und Alice Weidel sehr ausführlich und kritisch journalistisch befragt. Ich kann verstehen, dass das "Quadrell" als Format mit großem Event-Charakter viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, aber ich bin sicher, dass wir mit dem Duell und den ergänzenden Sendungen "Was nun, Herr Habeck?" und "Was nun, Frau Weidel?" einen Beitrag dazu geleistet haben, verschiedene Themen mit den Kandidaten und der Kandidatin konzentriert und etwas tiefergehend zu besprechen.

Sie sind eine erfahrene Journalistin. Kommt vor einem politischen Großereignis wie den vorgezogenen Neuwahlen dennoch Nervosität auf?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich wäre total cool und gelassen. Jede neue Herausforderung ist eine, bei der man sich noch mal beweisen muss. Ich habe in diesem Jahr durch die Moderation der Bundestagswahl am Wahltag selbst mit einer Sendung zu tun, die ich so vorher nicht erlebt habe. Ich habe neben den "Sommerinterviews" auch schon das Format "Für & Wider" mit anderen Kollegen moderiert und da Erfahrung mit Live-Diskussionssendungen gesammelt. Aber jede Sendung ist anders. Es gibt immer wieder eine andere Dynamik. Man muss sich immer auf alles einstellen. Deswegen habe ich Lampenfieber und das gehört auch dazu.

In Ihrem Job ist es wichtig, Neutralität zu wahren. Wie gelingt Ihnen das?

Es gibt keine absolute Neutralität, aber es gibt schon eine handwerkliche Objektivität, die man an den Tag legen kann und die auch messbar ist. Ich bin jederzeit von außen kritisierbar, und ich werde auch immer kritisiert. Was mich beruhigt, ist, dass ich von allen Seiten, wenn ich kritisiert werde, ähnliche Vorwürfe bekomme. Wenn ich den Vertreter der Grünen interviewe, dann sind die Grünen sauer, dass ich zu hart gewesen bin. Wenn ich jemanden von der AfD habe, sind AfD-Anhänger empört, dass ich zu hart in das Gespräch reingegangen bin. Solange diese Beschwerde von allen Seiten kommt, liege ich in der Mitte, die wir im kritischen Journalismus für richtig halten.

Ihre Kollegin Dunja Hayali wurde schon mehrfach Opfer von Hetze im Internet. Ist Ihnen das ähnlich ergangen?

Ich würde mich da nicht als Opfer bezeichnen, weil ich einen Beruf ausübe, der eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit mit sich bringt und der auch eine besondere öffentliche Verantwortung hat. Es ist nicht gleichgültig, was ich in meinem Job mache. Es hat eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung, weil wir eine Reichweite haben und weil Menschen uns vertrauen. Dass dann manche mit Härte und teilweise mit Hass reagieren, kann ich als Mensch nicht verhindern.

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Wenn ich alles komplett nah an mich heranlassen würde, gäbe es auch für mich manchmal Momente, in denen ich mich am liebsten verkriechen würde.


Shakuntala Banerjee


Wie gehen Sie mit solchen Situationen um?

Ich kann versuchen, es an Stellen, an denen es unsachlich wird, so gut wie möglich zu ignorieren, denn mit sachlicher Kritik setze ich mich sehr gerne auseinander. Mit Vorwürfen oder mit Zuschriften, die unter die Gürtellinie gehen, kann ich mich nicht auseinandersetzen. Dafür werde ich nicht bezahlt und dafür werde ich auch nicht gebraucht. Das muss man zum Teil ertragen, zum Teil auch ausblenden. Wenn es ganz schlimm wird, lohnt es sich tatsächlich auch, rechtlich gegen bestimmte Dinge vorzugehen. Wir haben eine Gesellschaft, in der nicht jeder Exzess toleriert werden sollte.

Wie gewinnen Sie Abstand von Kritik und den ernsten Themen?

Es ist eine große Herausforderung als Politik-Berichterstatterin, bei all den Themen, die wir derzeit haben, eine professionelle innere Distanz zu wahren und die Dinge, die wir sehen und über die wir berichten, nicht zu nah an sich heranzulassen. Wenn ich alles komplett nah an mich heranlassen würde, gäbe es auch für mich manchmal Momente, in denen ich mich am liebsten verkriechen würde. Ich würde dann sagen: "Weckt mich bitte wieder auf, wenn die Welt in Ordnung ist." Aber so ist es eben nicht. Wir leben in einer Demokratie und sind dazu aufgefordert, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Ich versuche, als Journalistin einen Beitrag dazu zu leisten und ansonsten ein guter Mensch zu bleiben und mich nicht von Hass, Wut und Respektlosigkeit anstecken zu lassen, sondern so respektvoll wie möglich mit den Menschen umzugehen, denen ich begegne. Auch mit Meinungen, die mir vielleicht nicht passen.

Fällt es Ihnen manchmal schwer, Ihre eigenen politischen Ansichten in einem Interview zurückzustellen?

Mir fällt das überhaupt nicht schwer, weil das für mich eine der spannenden, ja sportlichen Herausforderungen meines Jobs ist, genau das hinzubekommen. Natürlich habe ich Momente, in denen ich ein Argument eines Interviewpartners mal überzeugender oder weniger überzeugend finde. Meine Aufgabe ist aber immer, kritisch zu fragen, auch wenn ich ein Argument gut finde. Dann muss ich in meinem Kopf eben nach dem Argument suchen, das ein Gegner dieser Position nennen würde. Ich stehe stellvertretend für diejenigen, die kritische Fragen an meine Gäste haben. Das so gut und objektiv wie möglich zu machen, ist für mich die Herausforderung, der ich gerne gerecht werden möchte.

Und privat? Werden Sie da auch mal emotional in Diskussionen?

Ich bin ja ein Mensch und kein Roboter. Und wenn ich nicht in der journalistischen Rolle bin, diskutiere ich selbstverständlich auch meine politischen Ansichten. Aber man muss das auseinanderhalten. Dass ich eigene Ansichten habe, heißt nicht, dass diese meine Interviews beherrschen, das dürfen sie einfach nicht.

Können Sie nach dem Wahlsonntag dann erst einmal durchatmen?

Nicht wirklich. Ich stehe am nächsten Tag zusammen mit Stefan Leifert gleich wieder im "ZDF Spezial" vor der Kamera. Es werden sich viele Fragen an die Wahl anschließen: zum Wahlausgang, zu den Mehrheitsverhältnissen, zu möglichen Koalitionen. Der Tag nach der Wahl ist sozusagen der Tag der neuen Berichterstattungspflichten. Wir haben zudem noch eine Bürgerschaftswahl in Hamburg direkt am Wochenende darauf. Da stehen wir noch einmal im Studio und berichten. Das werden ein paar herausfordernde Wochen.

Und wann können Sie entspannen?

Irgendwann wird es dann bestimmt auch ein paar Tage Auszeit geben. Dann kann ich mal schön an die frische Luft gehen, spazieren und mit Freunden reden, um wieder ein wenig herunterzukommen. Freunde, Familie, Bewegung und Musik sind Dinge, die für mich wichtig sind. Wenn ich Zeit dafür finde, versuche ich, sie mir auch dafür zu nehmen. Aber bis zur Bundestagswahl und zur Hamburg-Wahl heißt es einfach, viel, viel Arbeit und ein möglichst gutes Programm zu machen.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Shakuntala Banerjee
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