Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Habeck-Effekt bei RTL Krass peinlich
![Robert Habeck: Der Bundeswirtschaftsminister ist zu Gast bei Stefan Raab. Robert Habeck: Der Bundeswirtschaftsminister ist zu Gast bei Stefan Raab.](https://images.t-online.de/2025/02/I6zuIADbbqbP/10x0:3600x2025/fit-in/1920x0/robert-habeck-der-bundeswirtschaftsminister-ist-zu-gast-bei-stefan-raab.jpg)
Erstmals läuft Stefan Raabs Show im Free-TV. Für RTL Risiko und Chance zugleich. Am Ende verhelfen dem Sender glückliche Umstände zu einem glimpflichen Start.
Die Vorzeichen waren schlecht. Schließlich dominierte das Dschungelcamp die vergangenen Wochen das Programm von RTL und lockte für den Sender zuverlässig ein Millionenpublikum an. Stefan Raab hätte also alt aussehen können, wenn er mit seiner Show "Du gewinnst hier nicht die Million" an diesem Mittwoch Free-TV-Premiere feiert – dabei aber ins Quotental schlittert.
Zumal jeder, der Raabs Sendung seit dem Streaming-Start auf RTLplus im September 2024 kennt, weiß: Viel hat diese Show nicht zu bieten. Sie ist ein lauwarmer Aufguss alter "TV total"-Ideen, gepaart mit ein bisschen Schenkelklopfer-Humor, eingehüllt in eine wenig originelle Snapchat-Optik und moderiert von einem etwas zu selbstgefälligen, aus der Zeit gefallenen Stefan Raab.
Doch plötzlich überschlugen sich am Mittwoch die Ereignisse. Ohne dass RTL oder Raab dafür etwas tun mussten, spielte ihnen die Konkurrenz in die Karten – und am Ende konnte Raab in seiner Sendung noch einen Joker präsentieren, der das Blatt endgültig zu seinen Gunsten wendete.
ProSieben blamiert sich aus Angst vor RTL
Nur vier Stunden vor dem für Mittwochabend erwarteten Quotenkampf warf ProSieben das Handtuch: Der Sender kündigte an, "TV Total" mit Sebastian Pufpaff aus der Primetime abzuziehen und stattdessen einen Spielfilm auszustrahlen. Das Bild, das man dadurch abgab, war das eines Feiglings: ProSieben traut sich nicht mit RTL in den Quoten-Ring. Um den eigenen Moderator vor dem Makel zu schützen, er habe im Reichweitenduell der beiden baugleichen Sendungen den Kürzeren gezogen, überließ man RTL gleich ganz die Show.
Für ProSieben ist das peinlich, für RTL und Raab ein Glückstreffer – denn so ging der Sender mit seinem 90 Millionen Euro schweren Neuzugang einer möglichen Blamage aus dem Weg und könnte nun sogar von der fehlenden Show-Konkurrenz profitieren.
Ich habe eben zugehört und gedacht, das ist nicht anders als Politik und die Fehler, die in der Politik gemacht werden.
robert habeck
Doch all diese brancheninternen Nebengeräusche machen aus "Du gewinnst hier nicht die Million" noch lange keine gute Unterhaltungsshow. Normalerweise. Dieses Mal war etwas anders. Der Joker dieses Abends hieß Robert Habeck – und er machte aus einer mittelmäßigen Neuauflage von "TV Total" eine unterhaltsame Sendung.
"Ich habe eben zugehört und gedacht, das ist nicht anders als Politik und die Fehler, die in der Politik gemacht werden", sagte Robert Habeck am Ende seines Gastauftritts in der Raab-Show und zog damit einen Vergleich seines Kerngeschäfts mit dem Eurovision Song Contest, bei dem Deutschland in den Vorjahren stets schlecht abgeschnitten hatte. Habeck mutmaßte über die Erfolgsmechanismen hinter dem europäischen Musikwettbewerb: "Am Ende ist es so etwas wie Vertrauen, Zuversicht, Hoffnung und dass sich das irgendwie vernünftig anfühlt" – und sprach dabei eigentlich über sich und die Grünen.
In einer Sendung, die vordergründig aus flachen Witzen besteht, stachen solche durchdachten Sätze heraus. Manch einer mag diese Einschätzungen Habecks als eine typische Rhetorik des philosophisch-schwadronierenden Akademikers abtun. Doch sie lassen die Dinge in solch einer Unterhaltungsshow sympathischer erscheinen. Sie färben ab. Man könnte sagen: Der Habeck-Effekt verschaffte auch Raab einen gewissen Glanz.
Denn die rotzige Haudrauf-Art eines Raabs produziert am Laufband Witze über "die Alte mit der Botox-Visage" (Sonja Zietlow), lästert über "den Hässlichen" in der Politik und meint damit Friedrich Merz oder macht sich über Journalistenschülerinnen lustig, die eine Karriere bei RTL beginnen. Höhö, Sie wissen schon: Journalismus und RTL – in der eindimensionalen Humorwelt eines Stefan Raabs ist das ein schreiend-komischer Widerspruch.
Der Gast rettet Raab die Show
Nach mehr als 30 Minuten war damit Schluss, Robert Habeck betrat das Studio und kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Was zunächst wie ein Widerspruch erscheinen mag – dort die Rampensau mit dem Pennälerhumor, hier der Habeck mit dem eingebauten Gedankenkarussell – ging als Showkonzept auf. Mehr noch: Es erwies sich als cleverer Schachzug, Habeck für die Free-TV-Premiere einzuladen. Der Grünen-Spitzenkandidat erreicht damit neue Zielgruppen und Raab hat mit dem amtierenden Wirtschaftsminister nicht nur einen prominenten Namen im Gepäck, sondern auch einen Gegenpol, der die nötige Würze ins Format brachte.
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Für ihn sei es eine "Ehre", sagte Habeck über die Einladung zu Raab. "Ich find's wirklich cool. Hätte ich vor zehn Jahren gesagt: Du sitzt in zehn Jahren bei Stefan Raab bei der Premieren-Sendung 'Du kriegst hier nicht die Million', dann hätten alle gesagt 'you made it'", tastete sich Habeck zu Beginn leicht anbiedernd an den Moderator heran – und lachte anschließend herzhaft, als dieser ihn darauf aufmerksam machte, dass er beim Sendungstitel wohl noch etwas Übung benötige.
Doch Habeck konnte auch kontern. Als Raab ihm etwas zu nahe kam und onkelmäßig die Hand auf die Schulter legte, sagte Habeck: "Da draußen stehen meine Sicherheitsbeamten. Nächste Sendung dann in Handschellen." Und auch wenn Habeck etwas zu oft "krass" oder "cool" sagte, quittierte er einen von Raab mehr schlecht als recht komponierten Wahlwerbespot für die Grünen nur mit einem gutmütigen Lächeln. Mit dem Lied "Robert Habeck is green as fuck" ließ er sich nicht aus der Reserve locken, lieferte für Raab aber die entscheidenden Bilder: einen feixenden Spitzenpolitiker in seinem Fernsehstudio.
Ob ProSieben die Sendung vorab sichtete?
So ging das fast 45 Minuten munter weiter. Ein Geben und Nehmen, das am Ende beiden helfen dürfte. Einem Politiker, der nahbar und humorvoll herüberkam: "Ich hab’ den Text verstanden: super sophisticated", unkte er über Raabs primitiven Texte. Und einem Moderator, der sich ins Fäustchen lachte, als er einem Mitglied der Bundesregierung im Fernsehen ein Video vorspielte, in dem ein Mann sein Geschäft verrichtete.
Aus dieser Kombination entstand ein Unterhaltungseffekt, der zwei Fragen aufwarf. Erstens: Ob ProSieben die Show von Stefan Raab vorab gesichtet hat und deshalb spontan sein Programm umbaute, weil man ahnte, Sebastian Pufpaffs "TV Total"-Ausgabe könne mit dem Stoff nicht mithalten? Und zweitens: Ob Raab noch einmal so viel Glück haben wird mit seinem Gast? Wenn nicht, wird wieder offensichtlich, wie behäbig und bemüht das Ganze in Wahrheit ist.
- Eigene Beobachtungen
- RTL: "Du gewinnst hier nicht die Million" vom 12. Februar 2025