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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess gegen Udo Foht Der "Silbereisen-Entdecker" löst ein MDR-Beben aus
Der MDR blickt dieser Tage gebannt auf einen Prozess in Leipzig. Die Affäre um den ehemaligen Unterhaltungschef des Senders könnte unschöne Erinnerungen wecken.
Wie ernst es für den MDR ist, hat der vergangene Freitag gezeigt. Um 15 Uhr teilte der Sender mit: "Ines Hoge-Lorenz, Landesfunkhausdirektorin des MDR in Sachsen-Anhalt, tritt von ihrem Amt zurück." Doch es ist nicht die Nachricht an sich, die verzogen geglaubte Schatten wieder über das Sendegebiet ziehen lässt. Entscheidender ist, wie die Landesfunkhausdirektorin selbst ihren Rücktritt begründet.
Ihr sei ein "Fehler bewusst geworden", gibt sie zu und erklärt: "Ich habe es vor meinem Amtsantritt als Landesfunkhausdirektorin Sachsen-Anhalt versäumt, klar darüber zu informieren, dass mein Ehemann vor über zehn Jahren in der Causa Foht eine Rolle gespielt hat." Die Causa Foht – da ist sie wieder. Präsent wie seit mehr als zehn Jahren nicht. Dabei verwundert der Zeitpunkt der MDR-Verkündung nur auf den ersten Blick. Bei genauerem Hinsehen ergibt sich ein anderes Bild.
Udo-Foht-Prozess bis Februar 2023 angesetzt
Denn am heutigen Donnerstag beginnt in Leipzig der Strafprozess gegen den früheren Unterhaltungschef des MDR. Udo Foht wird vor dem Landgericht Leipzig persönlich erscheinen müssen. Es sei denn, er ist krankheitsbedingt verhindert. Eine Formalie, die in diesem Fall durchaus eine Erwähnung wert ist. Denn schon 2018 sollte sich Foht wegen der schweren Vorwürfe verantworten, meldete sich aber krank und ließ den Prozess platzen.
Nun scheint es kein Zurück mehr zu geben. Nach allem, was vom Landgericht zu erfahren ist, wird der Prozess wie geplant durchgezogen. Bis zum 3. Februar 2023 sind 19 Verhandlungstage angesetzt. An diesem Donnerstag steht das Auftaktprogramm an: Die Anklageschrift wird verlesen und Udo Foht hat die Gelegenheit, sich zu äußern. Zeugen wird es keine geben.
Allein die Verlesung der Anklageschrift dürfte allerdings zeitintensiv werden. Auf neun Seiten geht es um Betrug, Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung. Einer der Vorwürfe: Hat Foht Schlagerstars, Veranstalter, TV-Produktionen und den MDR um Millionen betrogen?
Udo Foht war zu seiner Zeit beim MDR ein mächtiger Mann. Bis zum Herbst 2011 dirigierte er die Unterhaltungsshows des Senders, machte Sänger zu Stars und formte Karrieren – vor allem im Schlager. Er gilt als Entdecker von Florian Silbereisen, ermöglichte auch Helene Fischer ihre ersten Primetime-Auftritte. Vor Gericht wird ihm nun vorgeworfen, genau diese Machtposition im MDR missbraucht zu haben. Insgesamt soll sich Udo Foht im Tatzeitraum ab Februar 2008 an 13 Fällen des Betrugs, zwei Fällen der Untreue sowie Bestechlichkeit und fünf Fällen der Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben.
Bis zur Urteilsverkündung gilt die Unschuldsvermutung. Doch welche Details wird der Prozess ans Tageslicht bringen?
Beim MDR ist man bemüht, die Schatten der Ära Foht gar nicht erst wieder aufziehen zu lassen: Die Vorgänge seien alle "deutlich über zehn Jahre zurückliegend", erklärt ein Sendersprecher auf Nachfrage von t-online. Man sehe sich als "einer von mehreren Geschädigten" und betont: "Der MDR selbst hat die Vorgänge umfassend und zügig aufgeklärt und in Folge auch mit der Staatsanwaltschaft kooperiert."
Intendantin Karolin Wille in der Foht-Ära beim MDR
Doch zahlt der MDR dem Ex-Unterhaltungschef weiterhin Geld? Der Sender geht auf diese Frage nicht ein, antwortet lediglich: "Der MDR hat arbeitsrechtliche Konsequenzen rasch gezogen und er hat Schadenersatzansprüche durchgesetzt." Wie hoch diese Schadenersatzansprüche zu beziffern sind? Auf Nachfrage gibt es auch darauf keine Antwort. Dafür verweist der Sender auf die Veränderungen, die man in Folge des Foht-Skandals durchgesetzt habe: "Der MDR hat in der Folge ein modernes und umfassendes Compliance Management System aufgesetzt. Das heißt, ein System, das sicherstellt, dass Regeln auch gelebt und eingehalten werden."
Regeln, die besagen, dass Personen aus der oberen Führungsebene vorsorglich zurücktreten sollten, bevor ein nahender Prozess unschöne Erinnerungen wecken könnte? Ines Hoge-Lorenz ist jedenfalls nicht die einzige leitende Angestellte des Senders, die mit dem Fall Foht in Verbindung steht.
Auch die heutige Intendantin des MDR, Karola Wille, war zu Zeiten Udo Fohts beim MDR in Verantwortung. Ob ihre damalige Rolle beim Sender angesichts des nahenden Prozesses nun ein Problem für den MDR darstelle, wollte t-online wissen. Doch auch darauf gab es bis zum heutigen Donnerstag keine Antwort vom MDR. Fakt ist: Während Foht als Unterhaltungschef firmierte, war Karola Wille als juristische Direktorin für den MDR tätig – und seit 2003 bereits stellvertretende Intendantin.
Foht, Weidling und das große Ganze
Doch zum Fall Foht ist von Wille nichts zu hören. Auch beim Rücktritt ihrer Landesrundfunkdirektorin äußert sie sich zurückhaltend. "Kommunikation war Ines Hoge-Lorenz immer eine Herzensangelegenheit", heißt es von ihr an einer Stelle in dem Statement vom vergangenen Freitag. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Komik, dass Hoge-Lorenz nun ausgerechnet ihre fehlende Kommunikation zum Verhängnis wurde. Ihr Ehemann war Inhaber einer kleinen Produktionsfirma und verantwortete eine MDR-Dokureihe mit dem Titel "Wir sind überall". Ein TV-Format, das über Umwege auch mit schmutzigem Geld von Udo Foht mitfinanziert worden sein soll.
Im Fokus dieser finanziellen Umwege: Ein ehemaliger "Riverboat"-Moderator, Carsten Weidling. Auch dieser MDR-Mann wurde angeklagt. Allerdings ist es bis heute nicht zu einem Prozess gekommen. Im Fall Foht soll er als Zeuge aussagen, das Landgericht Leipzig hat ihn vorgeladen. Problem nur: Weidling ist nach Argentinien ausgewandert. Andere aktuelle und ehemalige MDR-Leute hingegen weilen in Deutschland. Doch wer aus dem Hause des Mitteldeutschen Rundfunks auspacken wird oder aussagen muss – unklar. "Zu Details im bevorstehenden Prozess äußern wir uns grundsätzlich nicht", heißt es dazu vom Sender auf Nachfrage.
- Eigene Recherchen
- Anfrage beim Landgericht Leipzig
- Anfrage beim MDR