Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Lucy ist Dschungelkönigin Das sollte Deutschland eine Lehre sein
Deutschland atmet auf: Lucy Diakovska ist Dschungelkönigin 2024. Damit sind die schlimmsten Befürchtungen verhindert worden. Dieser Sieg kommt zur rechten Zeit.
Eine Kolumne von Steven Sowa
Es ließen sich nun zahlreiche Vergleiche aus dem Tierreich ziehen. Sie war eine Arbeitsbiene, fleißig am Aufräumen, emsig durch das Camp tigernd, immer auf der Suche nach einer Aufgabe: Lucy Diakovska, die neue Dschungelkönigin. Sie war ein Duracellhäschen in den Prüfungen, spulte ein schier unmenschliches Tempo ab, immer Vollgas, voller Fokus. Lucy ließ nie locker. Manchmal sprang die 47-Jährige auch wie ein kleines Kapuzineräffchen durch das Dschungelcamp, flott, wendig, agil.
Sie brachte uns Zuschauer mit ihren Stummfilmeinlagen, von RTL immer wieder geschickt zusammengeschnitten, zum Schmunzeln. Uns ging das Herz auf, wenn sie die Sonnenterrasse am Badeteich wischte, durchs Camp fegte oder auf ihre unnachahmliche Art zur Dschungeltoilette sprintete.
- Nacktszene im Finale: Wirbel um diese Kamerafahrt von RTL
Ihre Mitstreiter um Felix von Jascheroff oder Twenty4Tim spürten noch etwas anderes: eine Wärme und Menschlichkeit, die in dieser Jubiläumsstaffel von "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" Seltenheitswert hatte. Immer wieder suchten die anderen Kandidaten Rat oder Trost bei ihr. Lucy nahm sie in den Arm, hörte zu und war manchmal einfach nur da. Still, aber aufmerksam. Mit ihrer roten Mähne eine Löwenmama, mit ihrer Schulter zum Ausheulen ein Kuschelbär.
Es war dieses Gesamtpaket, welches sie zur verdienten Siegerin des 17. Dschungelcamps machte – und doch war da noch etwas anderes, etwas gänzlich Unsichtbares. Ihr Weg zum Erfolg, ihr ganz persönlicher, kurvenreicher Werdegang sollte uns allen eine Lehre sein, vor allem in diesen Zeiten.
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Ihr war jedes Gewese, jedes Schauspiel und Geläster zuwider. Die laute, manchmal gespielt wirkende Art von Tim: Hatte sie nicht nötig. Das Drama im Dating-Dreieck zwischen Mike, Kim und Leyla: Kindergarten für eine Frau mit ihrer Erfahrung. Und wer hätte sonst Konkurrenz für Lucy Diakovska sein sollen? Ein dauermotzender GZSZ-Star? Ein 72-jähriger Campgreis, der kaum selbstständig geradeaus laufen konnte? Nein. Argumente gab es nur für Fabio, den Ex-Beamten und Staubsaugervertreter – doch er musste im Halbfinale vor der bulgarischen Power des roten Blitzes klein beigeben.
"Dior, Armani, sechsstellige Beträge gingen da raus"
Nach Ross Antony im Jahr 2008 und Marc Terenzi 2017 erhält nun mit Lucy Diakovska der dritte Star aus den goldenen Zeiten der Popmusik die Dschungelkrone. Ähnlich wie ihre Vorgänger hat auch die ehemalige "No Angels"-Sängerin diese rauschende Ära des Erfolgs längst hinter sich. Sie habe "immer alles ausgegeben", gestand sie an Tag fünf des Dschungels. "Ich war einfach jeden zweiten Tag einkaufen. Dior, Armani, sechsstellige Beträge gingen da raus. Dazu Autos gekauft und ein tolles Haus angemietet."
Ja, Lucy Diakovska, das 1,60 Meter kleine Energiebündel aus dem 90.000-Einwohner-Städtchen Plewen im Norden Bulgariens, hat ihr Vermögen verprasst. Und doch war der Glanz des Popstar-Daseins ihr nicht zu Kopf gestiegen. Wer mit gerade mal 500 D-Mark und kaum Deutschkenntnissen nach dem Abitur in die weite Welt – in dem Fall Hamburg – auswandert und eine Karriere aufbaut, lernt Bodenhaftung und Demut. Lucy hat genau das im Dschungelcamp verkörpert.
Trotz ihrer offenen und ehrlichen Art, ihrer Geradlinigkeit, hat sie nichts Stromlinienförmiges an sich. Sie ist nicht glatt, nicht weichgespült, aber dafür mit allen Wassern gewaschen, wie sie mit unbändiger, wasserfallartiger Kraft in der Prüfung "Creek der Sterne" unter Beweis stellte. Ein Raubein mit Herz, das heute ein Vier-Sterne-Hotel in einem bulgarischen Naturpark leitet. Anpacken, managen, machen: Das kann sie.
"Ich verspreche euch, ich werde euch nicht enttäuschen"
Dass eine Persönlichkeit wie sie zur Majestät des Dschungels gewählt wird, ist ein Triumph des Guten. Lucy Diakovska erzählte von ihrem schwierigen Coming-out, von den Anfeindungen in ihrer Heimat Bulgarien, wo sie als bekannteste homosexuelle Frau des Landes gilt. Sie berichtete vom tragischen Tod ihrer Mutter. Auf den Tag genau vier Jahre später wird sie Dschungelkönigin, ruft in den Himmel Australiens mehrmals laut "Mami" und weint. "Ich verspreche euch, ich werde euch nicht enttäuschen", stammelt sie und wir haben keinen Grund, an ihr zu zweifeln.
Ein Import- wie Exportschlager, der im australischen Dschungel deutsche Tugenden wie Zuverlässigkeit und Durchhaltevermögen lehrte, sich das Herz dabei nie in die Hose rutschen ließ, es stattdessen in die Hand nahm und sich in die Herzen der Zuschauer spielte. Ein Dschungelmärchen, das zeigt, wie absurd die Hirngespinste manch rechter Demagogen in diesem Land sind, die allen Ernstes alles Nicht-Deutsche in die Wüste jagen wollen. Lucy, dein Sieg kommt genau zur rechten Zeit.
- RTL: "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" vom 4. Februar 2024