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Missbrauchsvorwürfe bei "The Voice of Holland": "Herrschte bewusst Stillschweigen"


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"Es herrschte Stillschweigen"
Missbrauchsvorwürfe bei "The Voice of Holland" ziehen weite Kreise


Aktualisiert am 19.01.2022Lesedauer: 5 Min.
Linda de Mol und Jeroen Rietbergen: Sie waren seit 2007 ein Paar.Vergrößern des Bildes
Linda de Mol und Jeroen Rietbergen: Sie waren seit 2007 ein Paar. (Quelle: imago images / Hollandse Hoogte)

Ein Teil der niederländischen Unterhaltungsbranche wird durch Missbrauchsvorwürfe erschüttert. Immer mehr Details zu mutmaßlichen Vorfällen bei "The Voice of Holland" werden bekannt, immer mehr Betroffene melden sich zu Wort.

Die Ausstrahlung von "The Voice of Holland" ist bis auf Weiteres pausiert, wie RTL Nederland am Samstag erklärte. Der Grund dafür sind Vorwürfe von Kandidatinnen der Castingshow, nach denen Mitwirkende des Formates sich ihnen gegenüber sexuell übergriffig verhalten und ihre Macht missbraucht haben. In verschiedenen niederländischen Zeitungen und TV-Formaten berichten Kandidatinnen nun, dass "Sexwitze" bei "The Voice" an der Tagesordnung gewesen und sie begrapscht worden seien.

Der Skandal innerhalb des Formates wurde von Reportern der Sendung "BOOS" des niederländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgedeckt, nachdem sich mehrere mutmaßliche Opfer an diese gewandt hatten. Eine Reportage darüber soll am Donnerstag ausgestrahlt werden. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der von drei Kandidatinnen beschuldigte Bandleader Jeroen Rietbergen, der bis zum Bekanntwerden der Anschuldigungen 14 Jahre lang mit der Moderatorin Linda de Mol liiert gewesen war.

Rietbergen trat später als Bandleader bei "The Voice of Holland" zurück. Er erklärte laut der belgischen Tageszeitung "HLN" in einem Statement, er habe "mit einigen Frauen, die an der Sendung beteiligt waren, sexuellen Kontakt" gehabt und "mit ihnen auch sexuell ausgerichtete WhatsApp-Nachrichten ausgetauscht". Ihm sei es aber nicht um das Ausnutzen seiner Macht gegangen. "Ich habe die Kontakte damals als wechselseitig und gleichberechtigt angesehen", betonte der 50-Jährige. Nun wisse er jedoch, dass "seine eigene Wahrnehmung nicht ganz so wichtig ist, sondern vielmehr die Wahrnehmung der betroffenen Frauen". Rietbergen erklärte: "Die Dinge, die ich getan habe, hätte ich niemals tun dürfen."

"Ich bin in einem schrecklichen Albtraum"

Rietbergen zufolge gehe es um Geschehnisse, die mehrere Jahre zurückliegen. Er habe schon damals erkannt, dass er Fehler gemacht habe und eine Therapie begonnen, durch die er sein Verhalten nachhaltig verändert habe, so der Musiker.

Dennoch: Am Montag meldete sich Linda de Mol über ihren Medienauftritt "Linda.nl" zu Wort und gab die Trennung von Rietbergen bekannt. "Seit ein paar Tagen bin ich in einem schrecklichen Albtraum", schrieb die ehemalige "Traumhochzeit"-Moderatorin. Sie wisse nicht, was wahr und was falsch sei, erklärte sie und betonte: "Jeroen wohnt nicht mehr bei mir."

Durch die Beziehung mit de Mol war Rietbergen quasi der Schwager von John de Mol, TV-Produzent, Medienmagnat und Schöpfer von "The Voice". Mit Familie de Mol wird der Skandal demnach auf verschiedene Arten in Verbindung gebracht.

Rietbergen ist "ein unglaubliches Arschloch"

John de Mols Sohn Johnny de Mol hat sich am Montag laut der niederländischen Zeitung "AD" in seiner Talkshow "HLF8" zu den Schlagzeilen über "The Voice of Holland" geäußert. Der 43-Jährige sagte, er betrachte die Situation "als Mensch, als Programmmacher und als Familienmitglied". Mit seinem Vater, der sich noch nicht öffentlich geäußert hat, habe auch er noch nicht über die Vorwürfe gesprochen. Über seine Tante Linda de Mol sagte Johnny de Mol, dass sie aufgrund der Entwicklungen "sehr verwirrt" sei. Rietbergen bezeichnete er als "ein unglaubliches Arschloch", betonte aber auch, ihn zu lieben. "Er schämt sich für sich selbst."

Neben Rietbergen gibt es Vorwürfe gegen den niederländischen Rapper Ali B. Der 40-Jährige ist seit 2013 Coach bei "The Voice of Holland". Der Musiker wurde angezeigt, wie sein Anwalt der niederländischen Onlinezeitung "nu.nl" zufolge bestätigte. Ali B hat dazu auf Instagram erklärt, dass er "zu 100 Prozent von meiner Unschuld überzeugt" sei und beteuert: "Es ist eine Anschuldigung für etwas, das angeblich vor langer Zeit geschehen ist, aber es ist nicht wahr." Doch der Schaden sei angerichtet. Ali B schrieb: "Ich habe noch keinen Anruf von der Polizei erhalten, aber ich werde bei allem kooperieren. Ich finde diesen Zustand sehr ungerecht."

"Ich nehme an, mein Vater wusste davon"

RTL Nederland sowie die Produktionsfirmen ITV und Talpa haben nun eine unabhängige Untersuchung beauftragt. Dem Sender seien die Vorwürfe zuvor nicht bekannt gewesen, ließ RTL in einem Statement erklären. Erst durch eine E-Mail von Redakteuren des Magazins "BOOS" habe man am Mittwoch, dem 12. Januar, von "sexuell übergriffigem Verhalten und Machtmissbrauch" bei "The Voice of Holland" erfahren. Die Vorfälle lägen etwa fünf bis sechs Jahre zurück, sagte Johnny de Mol am Montag. Er erklärte: "Die Führungskräfte wussten davon. Ich nehme an, er hat es auch getan." Damit meinte er seinen Vater John de Mol. Mit einem Statement von ihm rechne er erst am Donnerstag.

Doch worum genau drehen sich die Vorwürfe? Am Montagabend hat sich die ehemalige "The Voice"-Kandidatin Nienke Wijnhoven in der niederländischen TV-Show "Beau" geäußert. "Jeroen Rietbergen ist ein sehr charmanter Mann. Man denkt, dass man eine Bindung aufbaut, aber in dem Moment, in dem es grenzüberschreitend wird, lächelt man es weg, und das war's", erzählte die 23-Jährige, die in der Castingshow 2018 auf dem dritten Platz landete.

Zudem berichtete Wijnhoven, dass Rietbergen ihr Studios habe zeigen wollen. Als sie zu zweit waren, habe er sie angefasst. "In dem Moment, in dem er dich berührt, geht alles durch dich hindurch. Du bekommst Angst, aber du sagst nichts, weil du denkst: 'Was soll's.' Ich dachte, ich hätte die falschen Signale ausgesendet." Über Coach Ali B erzählte Wijnhoven, er habe ihre jüngere Schwester auf einer Aftershowparty beleidigt.

"Ein Mann hat kein Recht, so etwas zu einem Mädchen zu sagen"

Von Vorfällen mit Rietbergen berichtete in der Sendung auch Kirsten Berkx, die 2017 Achtplatzierte bei "The Voice" wurde. Sie sei Rietbergen auf dem Flur begegnet, dabei habe er sie auf ihre "geile Hose" angesprochen. Berkx merkte nun an: "Ein Mann hat kein Recht, so etwas zu einem Mädchen zu sagen, egal wie alt es ist und welchen Status es hat. Wenn man eine Arbeitsbeziehung hat, dann sollte man so etwas nicht sagen." Sie habe ihn in dem Moment aber "nur angeschaut und dumm gelacht".

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Laut der niederländischen Tageszeitung "de Volkskrant" sagte Berkx zudem: "Niemand wagte es, etwas zu seinen Äußerungen zu sagen, denn Rietbergen ist ein mächtiger Mann. Er ist der verdammte Schwager von John de Mol, dem Chef von allem."

"Dann kann ich dir weiter auf den Arsch schauen"

Eine Ex-Kandidatin, die lieber anonym bleiben möchte, hat laut "de Volkskrant" von einer Probe berichtet, bei der ihr Rietbergen gesagt habe, wo sie sich genau hinstellen solle. Mit der Begründung: "Dann kann ich dir weiter auf den Arsch schauen." Die Kandidatin erzählte: "Ich hielt ihn für einen echten Perversen. Er war 40, ich war 18." Sie habe sich jedoch auf gewisse Weise geschmeichelt gefühlt. Aus Angst, nicht in die nächste Runde der Castingshow zu kommen, habe sie geschwiegen, so die Teilnehmerin. Auch sexistische Witze und Sprüche seien oft gemacht worden – nicht nur von Rietbergen. Sätze wie: "Da bekomme ich einen Steifen" seien häufig gefallen.

Sollten die angekündigten unabhängigen Ermittlungen zu den Vorwürfen abgeschlossen sein, dürften die Macher ein Comeback von "The Voice of Holland" anpeilen. Nicht mehr als Coach dabei sein wird dann die Sängerin Anouk, wie sie laut der niederländischen Onlinezeitung "nu.nl" auf Instagram bekannt gab.

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