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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Uwe Ochsenknecht "Wahlkampf? Politik? Da wird mir gleich wieder schlecht"
Seit 40 Jahren gilt
Vor ziemlich genau 40 Jahren nahm die Erfolgsgeschichte von Uwe Ochsenknecht ihren Anfang: Am 17. September 1981 startete "Das Boot" in den deutschen Kinos – und damit die Filmkarriere des heute 65-Jährigen. 60 Kinofilme, mehr als 50 Fernsehfilme und genauso viele TV-Serien stehen unter dem Namen Uwe Ochsenknecht inzwischen zu Buche.
Über eine dieser Fernsehreihen, seine ungebrochene Leidenschaft für den Film und über seine private Abneigung gegenüber Männerklischees spricht der Schauspieler im Interview mit t-online.
t-online: Als romantischer und zugleich zupackender Müllfahrer Werner Träsch gelingt es Ihnen in "Die Drei von der Müllabfuhr" Männerklischees aufzubrechen. War das auch ein Grund diese Rolle zu spielen, Herr Ochsenknecht?
Uwe Ochsenknecht: Diesen Aspekt habe ich gar nicht bemerkt, aber Sie haben vollkommen recht. In der Tat ist es so, dass Männer oft eindimensional dargestellt werden. Doch Klischees abzubilden, liegt mir nicht. Werner Träsch ist aus dem Leben gegriffen, das gefällt mir.
Schließlich sind emotionale Männer längst kein Tabuthema mehr.
Absolut, und warum auch? Ich habe schon Männer auf dem Motorrad weinen sehen.
Werden heute noch bestimmte Männerbilder in unserer Gesellschaft hochgehalten, die eigentlich schon vollkommen überholt sind?
Das ist leider nicht nur heute, sondern schon immer so. Männerbilder sind oft sehr albern und blöd. Dieses Klischee, Männer würden sich nur für Autorennen, Boxen, Fußball, Frauen und Alkohol interessieren, ist doch hirnrissig.
Was finden Sie noch doof, was als vermeintlich "typisch männlich" gilt?
Viele Männer tun nur so, als würden sie sich für diese vermeintlich männlichen Themen interessieren, weil sie sonst bei ihren Kumpels nicht als Mann akzeptiert werden würden. Diese Art der Anpassung finde ich noch alberner.
Welche Auswirkungen beobachten Sie, die diese Anpassung von Männern nach sich ziehen?
In Männerrunden in der Kneipe herrscht oft noch dieses völlig überholte Männerbild: Wenn eine hübsche Frau den Raum betritt, drehen sich alle Köpfe nach ihr um und es wird über Äußerlichkeiten geredet. Als wären die 15 Jahre alt und hätten noch nie eine attraktive Frau gesehen! Und dazu noch diese blöden Bemerkungen. Furchtbar.
Manch männlicher Zeitgenosse hängt noch an einem Rollenbild, wonach er Konflikte mit Muskelkraft oder Gewalt regeln müsse. Sollten Männer generell mehr ihre Gefühle zeigen, um dieser archaischen Sicht entgegenzutreten?
Zurück in die Steinzeit! Man ist ja nicht nur Mann, man ist ja auch Mensch. Jeder Mann hat weiche Seiten und auch Männer haben Gefühle. Die darf man auch durchaus zeigen und das tut dann gut. Wenn ich von etwas berührt bin, zeige ich das auch. Wenn mir Tränen in die Augen kommen, ist es doch ein schönes Gefühl. Es ist wichtig, dass Männer das auch stressfrei und ohne Druck ausleben dürfen. Gute Frauen finden das oft männlicher, wenn ein Mann auch mal Gefühle zeigt, als wenn er ständig mit der Keule über der Schulter, wie in der Steinzeit, auf Macho macht.
War Ihnen das auch wichtig bei der Erziehung Ihrer Kinder? Sie haben drei Söhne und eine Tochter.
Bei mir durfte meine Tochter mit den gleichen Sachen spielen wie meine Söhne. Einer meiner Söhne hat sogar ein Faible für Pink entwickelt und trug jahrelang einen pinken Rucksack. Na und? Ich finde Pink auch eine tolle Farbe. Das sind Kleinigkeiten, aber auf die sollte man achten. Mit dem Vorleben falscher Verhaltensweisen kann man die Psyche sensibler Kinder schnell durcheinanderbringen.
Ihr Vater hat Sie noch ganz anders erzogen, teilweise mit der bloßen Hand, wie Sie es damals in Ihrer Biographie "Was bisher geschah" beschrieben.
Das stimmt, aber das war eine andere Zeit.
Würden Ihre Kinder Sie als fürsorglichen Vater bezeichnen?
Ich hoffe sehr, dass ich ein fürsorglicher Vater bin. Aber das müssen meine Kinder beurteilen. Als Vater versucht man immer alles richtig zu machen, aber man ist nicht perfekt. Auch da ist man Mensch und macht Fehler. Ich denke, wenn man psychisch gesund ist, dann macht man schon von Natur aus sehr viel richtig bei der Kindererziehung. Aber von Perfektion kann nie die Rede sein, da darf man sich auch keine Illusionen machen.
Uwe Ochsenknecht hat vier Kinder. Wilson Gonzalez Ochsenknecht, Cheyenne Savannah Ochsenknecht und Jimi Blue Ochsenknecht stammen aus der Beziehung mit Natascha Ochsenknecht. Das Model und der Filmstar waren von 1993 bis 2012 verheiratet. Seine beiden Söhne sind auch als Schauspieler aktiv, seine Tochter ist Model und wurde vor Kurzem erstmals Mama. Aus einer früheren Beziehung mit der Künstlerin Rosana della Porta stammt sein Sohn Rocco Stark, der ebenfalls im Filmgeschäft tätig ist.
Sie sind dieses Jahr 65 Jahre alt geworden. Denken Sie eigentlich manchmal darüber nach, noch einmal etwas völlig anderes zu machen – auch beruflich. Oder ist dieser Zug längst abgefahren?
Dieses Gefühl kenne ich überhaupt nicht. Wenn man das Gefühl hat, der Zug ist abgefahren, dann kann man gleich in die Kiste steigen. Wenn ich etwas Neues anfangen möchte und das macht Sinn und es geht noch von der physischen Verfassung her, dann mache ich das auch. Und dennoch: Ein Berufswechsel kommt allein deshalb nicht für mich infrage, weil mir der Job so viel Spaß macht wie am ersten Tag. Außerdem habe ich noch jede Menge zu tun und kann mich über zu wenig Angebote nicht beschweren.
In "Die Drei von der Müllabfuhr" fällt der Satz: "Ohne Ausbildung bist du heute verloren." Hat sich das tatsächlich verändert oder war es ohne Ausbildung schon immer schwer?
Ich finde es nach wie vor nicht schwer ohne Ausbildung. Es kommt doch nur darauf an, was man machen möchte. Die Gesellschaft tut sich immer schwerer, auf ihr Bauchgefühl zu hören. Das verschwindet immer mehr. Wir verlernen das oder haben es sogar schon verlernt. Man lässt immer nur den Kopf regieren, die Vernunft. Ich finde, wir müssen uns wieder mehr erlauben, das zu machen, was uns Spaß macht. So habe ich das auch gehandhabt.
Ihr Vater hingegen nicht, der sattelte als erfolgloser Opernsänger um und wurde Feinmechaniker bei Daimler-Benz.
Ja, und der war damit nicht glücklich. Mein Vater hat sich jeden Morgen in die beschissene Fabrik gequält und mir dann gepredigt, dass man sich im Leben nie zu einer Arbeit quälen sollte. Das habe ich mir zu Herzen genommen, weil ich auch erlebt habe, wie es meinem Vater mit seiner unliebsamen Arbeit erging. Bei mir ist es die Schauspielerei geworden, aber es hätte auch etwas anderes werden können. Ich habe einfach das gemacht, was mir Spaß macht – ohne Ausbildung.
Ein Modell, das Schule machen sollte?
Na klar! Junge Menschen, ob mit oder ohne Ausbildung, sollen das machen wofür sie brennen. Wenn einem die Ausbildung fehlt, dann holt man sie eben nach. Selbst für ältere Menschen halte ich das für einen besseren Weg, weil sie dann etwas lernen, für das sie die nötige Motivation aufbringen. Ich kann nur appellieren, den Mut zu haben, das zu machen, was das eigene Interesse weckt. Es wird einem doch heute leicht gemacht, ein Start-up zu gründen. Investoren, Crowdfunding: So etwas gab es früher alles nicht. Mehr Grundvertrauen, das wünsche ich mir von den neuen Generationen.
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Haben Sie den Eindruck, dass viele Menschen oft nur ihrer Arbeit nachgehen, um Geld zu verdienen, aber dabei den Spaß aus den Augen verlieren?
Ein Großteil der Berufstätigen freut sich jedenfalls nur darauf, bald in Rente zu gehen. Das ist doch Wahnsinn. Die Menschen arbeiten 50 Jahre ihres Lebens und warten nur darauf, endlich Rente zu bekommen. Wie grausam, wenn man nur dafür arbeitet. Schön wäre es doch, wenn man so viel Spaß in seinem Job hat, dass man über die Rente gar nicht groß nachdenken muss. Ich erinnere mich an Sätze von jungen Leuten, die mir gesagt haben: "Ach, ich habe ja nicht mehr lange, nur noch zehn Jahre." Das ist ja schrecklich. Und es ist klar, dass es so viele Volkskrankheiten gibt, denn das macht doch körperlich krank, wenn man nur wegen des Geldes arbeitet.
In Corona-Zeiten wird viel über Digitalisierung und Homeoffice gesprochen. Erleben Sie Veränderungen auch in Ihrem Berufsfeld?
Nein, das kann ich nicht sagen. Es wird derzeit so viel gedreht wie schon lange nicht mehr. Und zum Glück gibt es bei uns noch keine Roboter, die die Arbeit am Set übernehmen oder solche Experimente wie bei "The Irishman", in denen Robert De Niro, Al Pacino und Joe Pesci am Computer verjüngt werden. Nein, da bin ich froh drum, dass das Arbeiten im Team, der Austausch bei den Dreharbeiten, all das im Film immer wichtig sein wird. Wenn alles am Reißbrett passiert, wie in manch anderen Branchen, wäre das nicht gut.
Wonach wählen Sie Ihre Engagements aus? Welche Aspekte waren bei "Die Drei von der Müllabfuhr" entscheidend?
Diese "schöne heile Welt"-Filme finde ich langweilig, so etwas mache ich nicht. Ich schätze "Die Drei von der Müllabfuhr" dafür, dass es aus dem Leben gegriffen ist. Geschichten über einfache Leute in Kombination mit kritischen, gesellschaftsrelevanten Zwischentönen. Es wird zum Beispiel noch erwähnt im Film, dass es in Berlin inzwischen 2.000 jugendliche Obdachlose gibt. Das ist schon Wahnsinn.
Ein anderes Thema, was in der ARD-Reihe zur Sprache kommt, ist der Mietwucher in der Hauptstadt. Ein brandaktuelles Thema, nachdem nun der Mietendeckel als verfassungswidrig eingestuft wurde. Aus welcher Position betrachten Sie das, sind Sie Eigentümer und froh über das Urteil oder Mieter und ärgern sich?
Ich wohne zur Miete in Berlin und finde das schon schlimm, wie hier die Preise explodiert sind. Aber ein bisschen Hoffnung ist noch da: Das Bundesverfassungsgericht hat nur gesagt, dass das Land Berlin nicht die nötige Zuständigkeit hat. Jetzt schauen wir mal, wie es weitergeht.
Daher hat die SPD die Mietsituation in Deutschland gleich zum Wahlkampfthema erklärt und liebäugelt damit, eine Art bundesweiten Mietendeckel zu fordern. Auch Teile der Grünen formulieren das recht offen.
Hören Sie mir auf. Wahlkampf, Politik, da wird mir gleich wieder schlecht. Im Wahlkampf wird viel erzählt und am Ende passiert wieder nichts, das kennen wir ja nun alle.
Dann etwas Verbindliches wie die Müllabfuhr zum Abschluss: Mit Ihrer Rolle sorgen Sie durchaus dafür, dass der Berufsstand mehr Aufmerksamkeit bekommt. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Ich möchte, dass die Menschen ein bisschen mehr Dankbarkeit zeigen für diese Menschen, die tagtäglich unseren Müll entsorgen. Ich finde das nicht selbstverständlich und danke den Müllmännern immer, wenn sie bei mir im Haus die Tonnen leeren. Aber so geht mir das auch bei anderen Berufen, die gerne belächelt werden. Wenn ich auf dem Flughafen einer Putzkraft auf der Toilette über den Weg laufe, grüße ich auch freundlich und bedanke mich. Diese Menschen freuen sich darüber wahnsinnig. Sie sind dankbar, wenn sie spüren, dass man ihnen auch Anerkennung entgegenbringt.
- Interview mit Uwe Ochsenknecht
- ARD: "Die Drei von der Müllabfuhr"