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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sein letztes Interview Willi Herren kurz vor seinem Tod: "Es kann morgen vorbei sein"
Willi Herren ist tot. Nur wenige Tage bevor der Realitystar starb, sprach er im Interview mit t-online über seine Psyche, Zukunftspläne und die Show, die seine letzte werden sollte.
"Der Willi ist gleich so weit", erklärt mir der Manager von Willi Herren am Telefon. "Er hat gerade jemanden getroffen, den er schon ewig nicht mehr gesehen hat, wir sind im Park." Ich höre Vogelgezwitscher und ein lautes Lachen im Hintergrund. Klar: Das ist Willi Herren. Ein echter kölsche Jung. Immer einen flotten Spruch auf den rheinländischen Lippen. Immer ein breites Grinsen im Gesicht. So kennt TV-Deutschland den Realitystar. So präsentiert er sich auch mir, t-online-Redakteurin Janna Halbroth, in unserem Interview. Wir haben es erst vor wenigen Tagen geführt, bis jetzt wurde es noch nicht veröffentlicht.
Das Lachen kommt näher, Herren schnappt sich das Smartphone. "Hallo 'Bild'-Zeitung", ruft er scherzhaft und gut gelaunt in den Hörer. "Hallo Michael Wendler", erwidere ich. Herren lacht. Er findet meinen Konter offensichtlich gut. Das Lachen habe ich noch immer im Ohr.
Von unserem Gespräch will ich dennoch berichten. Es wäre sicher in seinem Sinne.
Willi Herren hat viele Höhen und noch mehr Tiefen erlebt. Eines wollte er aber immer ganz besonders: unterhalten. So, wie in unserem Gespräch.
"Mir macht das schon zu schaffen"
Wie er die Corona-Krise durchstehe, will ich wissen. Wie ist es für einen Willi Herren ohne die große Bühne? "Ich bin ein geselliger Mensch", erzählt er mir und ergänzt nachdenklich. "Mir macht das schon zu schaffen. Ich war jetzt 16 Jahre on Tour und von heute auf morgen bin ich es nicht mehr." Besonders die Wochenenden seien schwierig. Herren: "Mir fehlt die Bühne und mir fehlen die Leute. Ich will Menschen unterhalten. Ich liebe und lebe, was ich normalerweise tue. Ich glaube, ich rede im Namen aller Künstler, wenn ich sage: Das ist dramatisch. Es wird immer langweiliger. Man entfernt sich von allem. Ich habe da richtig mit zu kämpfen."
Seit dem vergangenen Jahr seien ihm 350 Auftritte durch die Lappen gegangen. "Das ist fatal. Die Auftrittslage ist desolat. Ich habe so viele Kollegen, die Insolvenz angemeldet und ihre Läden auf Mallorca geschlossen haben." Deswegen überlegte sich Herren einen Plan B. Er eröffnete gerade erst einen Foodtruck, in dem kölsche Reibekuchen verkauft werden sollten. Nach dem Rezept seiner Uroma. Finanziell würde der Foodtruck die ausbleibenden Gagen der Mallorca-Auftritte nicht kompensieren. Das weiß Herren. Doch es geht ihm nicht nur ums Geld.
"Es kann von heute auf morgen vorbei sein"
Herren sagt mir: "Ich bin sehr bescheiden geworden. Corona hat mich zum Umdenken gebracht. Ich wollte etwas Beständiges haben. Es kann von heute auf morgen vorbei sein. Corona hat mir bewusst gemacht, was Geld bedeutet. Lange Zeit wusste ich das nicht. Ich gehe nun ganz anders mit meinem Geld um. Ich bin jetzt mit weniger zufrieden, das reicht mir. Großes Geld und große Auftritte sind gerade einfach zu weit weg." Jetzt sind sie für Herren unerreichbar.
Nicht nur der Reibekuchenverkauf trieb den ehemaligen "Lindenstraße"-Schauspieler um. Das Realityfernsehen war für ihn Kerngeschäft. "Ich bin froh, dass ich solche Sendungen wie 'Promis unter Palmen' machen kann. Ich liebe Reality. Das Geld ist auch ein Ansporn, aber ich habe da auch richtig Bock drauf", schwärmt er.
Voller Enthusiasmus berichtet er mir von "Promis unter Palmen": "Ich bin ja realityformaterfahren, aber das war das Krasseste, was ich je in meiner TV-Laufbahn erlebt habe." Auf der einen Seite habe er Spaß und sehr emotionale, "schöne Momente" erlebt und sagt: "Mir sind einige Male Tränchen in die Augen gekommen. Wir haben gelacht, gestritten und gefeiert." Auf der anderen Seite habe es "Intrigen, Hetze, Lügen" gegeben. Herren: "Ich habe eine Seite an mir kennengelernt, die ich selbst noch nicht kannte. Ich habe gelernt, dass ich nicht zu allem meinen Senf dazugeben muss, sondern einfach auch mal die Fresse halten sollte."
Doch die Dreharbeiten müssen Herren stark mitgenommen haben. Er erzählt: "Erst waren wir zwei Wochen in Quarantäne, jeder für sich in einem Hotelzimmer. Wir haben niemanden gesehen. Dann waren wir von heute auf morgen in dem Format zusammen, ohne das verarbeiten zu können. Das war kein Spaziergang für mich. Ich habe mit der Zeit meinen Humor, meine Spritzigkeit und meine Spontaneität verloren. Ich konnte irgendwann nicht mehr." Und hinterher? "Ich war fertig. Ich war leer. Als ich wieder in Deutschland gelandet bin, musste ich das erst mal verarbeiten. Mein Nervenkostüm war so im Arsch. Ich konnte nicht mehr klar denken."
"Ich war so, wie ich bin"
Willi Herren ist ein Vollprofi, der vorbereitet in ein Realityformat geht. Jemand, der seine Mitspieler kennt. Der weiß, was er sagt und was er besser nicht sagen sollte. Seine oberste Regel: Authentizität. Auch in Bezug auf "Promis unter Palmen" versichert er mir: "Ich war so, wie ich bin." Bei jedem Format seien ihm die Auswirkungen bewusst, verrät er mir. "Ich habe auch schon die Erfahrung gemacht, dass man mit einem falschen Satz zerrissen werden kann." Aber Willi Herren ist auch jemand, der, wie man so schön kitschig sagt, sein Herz am rechten Fleck hat.
Als es in der Auftaktfolge zum Skandal rund um Marcus Prinz von Anhalt kommt, der mit homophoben Äußerungen eine Tabulinie überschreitet, ist es allein Willi Herren, der aufspringt und von Anhalt in die Schranken weist. "So etwas sagst du nicht!", schreit er wie eine Löwenmutter, deren Jungen man zu nahe kommt, während alle anderen Showteilnehmer beschämt wegsehen.
"Ich habe eine Menge durch"
Herren sagt: "Ich habe sehr viel Respekt und Ehrfurcht vor der Ausstrahlung." Klar. Den abschließenden Schnitt eines solchen Formats fürchten viele Realitystars und -sternchen. Er entscheidet oft darüber, wie es weitergeht mit der Karriere. Ist man der Held oder der Bösewicht? Ist man gar derjenige, der anschließend nicht mehr stattfinden darf in dieser Welt?
"Natürlich wäre es traurig, wenn ich keine Showangebote mehr bekäme, aber es wäre auch okay. Ich habe eine Menge durch", resümiert Willi Herren in unserem Gespräch. Er ahnt vermutlich nicht, dass es seine letzte Show ist. Willi Herren wird nicht mehr erfahren, wie er aus ihr hervorgeht. Niemand wird das. Sat.1 hat die Ausstrahlung gestoppt, aus Pietätsgründen. Weil Willi Herren nicht mehr da ist.
Nach einem langen Telefonat verabschiede ich mich, bedanke mich bei meinem Gesprächspartner. Ich sage ihm, dass ich mich auf das nächste Mal freue. Ich soll mich melden, wenn ich Fragen habe, bietet er mir an. "Mach et jut", trällert er in den Hörer. Mach du es auch gut, Willi Herren.
- Interview mit Willi Herren