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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Familienleben in Corona-Krise Ulmen-Fernandes: "Ein Tag, an dem alles in sich zusammengebrochen ist"
Collien Ulmen-Fernandes lebt mit ihrem Mann Christian Ulmen und der gemeinsamen Tochter in Potsdam. Wie sie den Familienalltag in der Corona-Krise erlebt, erzählt die Moderatorin im Interview mit t-online.de.
Experten warnen in der Corona-Krise immer wieder eindringlich: Familien haben es durch die Mehrfachbelastungen im Haushalt besonders schwer. Sie müssen sich neu organisieren, Arbeit, Kindererziehung und Homeschooling an einem Ort stattfinden lassen. Diesen Kraftakt hat auch Collien Ulmen-Fernandes tagtäglich zu bewältigen.
Die 38 Jahre alte Fernsehmoderatorin wohnt mit ihrem Mann Christian Ulmen und der gemeinsamen, achtjährigen Tochter in Potsdam. Wie die Familie sich während der Coronavirus-Pandemie zuhause schlägt und mit welchen Widrigkeiten sie zu kämpfen hat, erzählt Ulmen-Fernandes im Interview mit t-online.de. Außerdem geht es um das ZDFneo-Format "Familien allein zuhaus" (Samstag, 19.30 Uhr), in dem die Moderatorin drei Familien in ihrem Alltag begleitet und Expertinnen aus den Bereichen Psychologie und Pädagogik um Rat bittet.
Am 11. März stufte die WHO Corona als Pandemie ein, die Bundesregierung beschloss ein Kontaktverbot ab dem 22. März. Wie haben Sie den Beginn der Krise erlebt?
Es gab einen Tag, an dem alles in sich zusammengebrochen ist. An diesem Tag wäre ich eigentlich nach München geflogen, von dort nach Hamburg, dann nach Frankfurt über Köln nach Norwegen und Mallorca. Ich hatte schon für eine sehr lange Zeit die Koffer gepackt und es sollte für Dreharbeiten einmal quer durch Europa gehen, doch nach und nach wurde ein Puzzleteil nach dem anderen entfernt und irgendwann brach alles zusammen.
Also sind Sie gar nicht erst in den Flieger gestiegen?
Doch, ich landete in München, als längst verkündet wurde, es müssten jetzt bitte zwei Meter Mindestabstand gehalten werden. Ich wurde aber in einen vollgepackten Flughafenbus gesteckt, wo wir aufgrund eines technischen Defekts eine Dreiviertelstunde auf engstem Raum nebeneinander standen. Dann wurde mein Flug gestrichen und ich landete in einem vollbesetzten Flugzeug auf einem Mittelplatz und um mich herum husteten alle. Das war eine sehr beängstigende Situation. Ich habe mich gefragt, wie ich so Sicherheitsabstand halten soll, festgeschnallt auf einem Mittelplatz – dementsprechend aufwühlend fühlte sich das Ganze an.
Doch Sie sind heil wieder zuhause angekommen und haben kürzlich den achten Geburtstag Ihrer Tochter gefeiert. Wie feiert man einen Kindergeburtstag in Zeiten eines Lockdowns?
Wir haben einen Geburtstagstisch mit Geschenken und Kuchen vorbereitet, so wie jedes Jahr. Meine Tochter hat die Geschenke ausgepackt, die Sachen mit in ihr Zimmer genommen und ist dann direkt in eine Konferenzschaltung mit ihren Freundinnen gegangen.
Ein Skype-Meeting mit den Schulfreundinnen?
Ja, das macht sie mittlerweile sehr oft und sehr selbstständig – meist mit drei, vier Freundinnen zusammen. Ich komme manchmal ins Zimmer und merke erst später, dass ich den Hintergrund einer Kinder-Konferenzschaltung bilde. (lacht)
Das heißt, die digitalen Möglichkeiten sind eine gute Hilfe für Ihre Tochter, um die Sehnsucht nach ihren Freundinnen zu stillen?
Ja auf jeden Fall. Bloß manchmal bemerkt man diese Video-Meetings nicht. Da stehe ich zum Beispiel im Wohnzimmer und diskutiere mit meinem Mann und merke dann: 'Hey, wir sind gerade live im Wohnzimmer der Nachbarn!' Das ist der Nebeneffekt, wenn das eigene Kind immer selbstständiger wird.
Ihre achtjährige Tochter hat also mit der Isolation noch keine Probleme?
Meine Tochter hält bislang sehr gut durch. Nur das Homeschooling funktioniert eher so mittelgut. Oft ist es schwer, sie zu Hausaufgaben und Lernübungen zu motivieren. Außerdem höre ich häufig den Satz: 'Mama, du erklärst das aber nicht so gut wie meine Lehrerin!'
Was empfehlen denn die Experten, mit denen Sie im Rahmen Ihrer neuen Sendung "Familien allein zu Haus" gesprochen haben?
Unser neurobiologischer Experte sagte mir, Eltern sollten auch ihre Schwächen eingestehen und zugeben, wenn sie etwas nicht so gut erklären können, wie die Lehrer. Eltern können das ja gar nicht so gut können, wie die dafür geschulten Lehrkräfte – eigene Defizite zuzugeben, sei gar nicht schlimm, sondern für die Kinder eher hilfreich.
In der Sendung sprechen Sie mit Psychologen, Pädagogen und anderen Experten: Was raten diese, um den Kindern in der Corona-Krise eine Kompensation für das fehlende soziale Umfeld zu ermöglichen?
Unsere psychologische Expertin sagte, dass es verdammt wichtig sei, eine Struktur zu erstellen. Gerade für die Kinder ist ein Tagesplan Gold wert. Dort sollte eingetragen werden, wer von wann bis wann Homeoffice macht, wer wann die Spülmaschine ausräumt und wann die spaßigen Erlebnisse stattfinden können. Dann heißt es zum Beispiel: Von 19 bis 20 Uhr spielen wir Gesellschaftsspiele. Kinder brauchen etwas, worauf sie sich freuen können.
Haben Sie das schon ausprobiert bei sich zu Hause?
Oft werden Dinge nicht eingehalten – das ist auch bei uns ein bekanntes Problem. Ich habe vor der Corona-Krise noch fleißig Gesellschaftsspiele eingekauft und dann hieß es tagelang immer nur: 'Ja, morgen spielen wir mal etwas zusammen!' Letztendlich haben wir das vor uns hergeschoben, weil wir mit der Arbeit hinterher hingen und haben bis heute nicht ein einziges Mal zusammen gespielt.
Auch wir werden uns klare Zeiten nehmen müssen und diese in einen Plan eintragen, damit wir uns daran halten. Freizeit muss Freizeit sein und kann nicht bedeuten, dass wieder jemand ins Homeoffice wechselt – diesen Ratschlag unserer Expertin fand ich auch für mich persönlich und meine Familie sehr hilfreich.
Gab es viele Dinge, die Sie sich für den Lockdown vorgenommen haben, letztlich aber nicht einhalten konnten?
Oh ja, zuhauf – von dem misslungenen Projekt 'Gesellschaftsspiele' sprach ich ja schon. Außerdem habe ich vor der Verhängung der Kontaktsperren eine Eismaschine gekauft und mir eine App heruntergeladen voller Eiskreationen. Fazit nach ein paar Wochen Lockdown: Wir haben nicht eine Portion Eis hergestellt. Den Tipp, feste Zeiten festzulegen, werde ich mir zu Herzen nehmen. Menschen brauchen in strukturlosen Zeiten Struktur – dafür sind Termine mit der Familie und ein Tagesplan gute Hilfestellungen.
Kita-Kinder sind womöglich noch stärker betroffen: Betreuungseinrichtungen für die Kleinen werden aller Voraussicht nach erst ab August wieder offen sein. Auch für Ihr Kind könnte das gelten, da auch Schüler aus den ersten Schulklassen länger zuhause bleiben sollen. Wie sollen Familien das dauerhaft bewältigen?
Das ist eine sehr herausfordernde Situation. Wir sind mit einer romantischen Verklärung in den Lockdown gestartet. Da hieß es dann: Endlich Familienzeit, das haben wir uns schon so lange gewünscht. Und kaum war die Zeit da, fühlte sie sich überhaupt nicht entspannt an. Zwangsentschleunigung fühlt sich nie gut an. Eine Expertin verglich das mit der Situation, in der man im Stau feststeckt. Da hat man plötzlich jede Menge Zeit, aber in den seltensten Fällen fühlt sich das gut an. Man hat diesen Zustand nicht selbst gewählt und man weiß nicht, wie lange das andauern wird – das sind die Faktoren, die dazu führen, dass es sich nicht entspannt, sondern angespannt anfühlt.
Im Lockdown wird also das gleiche Stresslevel erreicht wie beim Stau.
Ja, absolut. Für mich fühlte sich die Situation am Anfang furchtbar an, denn ich hatte mir so viel vorgenommen, aber nichts davon konnte ich realisieren. Ich war geistig so okkupiert, dass ich überhaupt nicht fähig war, meinen Schrank auszumisten. Das Ungewisse an der Situation, ist etwas, dass gerade viele Familien belastet.
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Wie so oft gilt: Die Krise trifft vor allem die Schwachen. Familienhaushalte ohne Garten oder Balkon und mit geringen finanziellen Möglichkeiten können vielleicht gar nicht so positiv mit der Situation umgehen und gemeinsam neue Gesellschaftsspiele spielen.
Ich glaube, dass die Zeit des gemeinsamen Spielens keine Frage des Geldes ist. Ich hing mit meinem Mann und meiner Tochter mal an einem Flughafen fest: da hatten wir nichts außer Stift und Papier. Also haben wir Stadt-Land-Fluss gespielt und uns selbst ein Mühle-Spiel erstellt. Neun grüne Schnipsel, neun rote Schnipsel ausschneiden, Felder aufzeichnen und mit dem selbstgebastelten Spiel loslegen.
Sie haben persönlich ein Kind zuhause. Familien mit mehreren Kindern würden sich bestimmt nach ein wenig Ruhe sehnen. Andererseits haben Einzelkinder keine Spielpartner im Kindesalter zuhause. Was ist denn anstrengender? Sie haben für Ihre Sendung ja mit ganz unterschiedlichen Familienmodellen Kontakt gehabt.
Das stellt man sich so vor, dass man mit einem Kind mehr Ruhe hat, aber oft ist es umgekehrt. Die Familie mit einem Kleinkind, die wir in der Sendung begleiten, hat am stärksten mit dem Thema Lautstärkepegel zu kämpfen. Die Familie mit drei Kindern, die alle schon ein bisschen älter sind, hat tendenziell ein bisschen mehr Ruhe. Der Lärmpegel steigt also nicht automatisch mit der Anzahl der Kinder.
Aber Sie haben ja beispielsweise kein Kleinkind mehr…
Das stimmt, aber dafür habe ich Christian UImen. Das kann in einer Quarantäne-Situation auch sehr anstrengend sein. (lacht)
Ihr Mann hat ja noch ein weiteres Kind. Wie läuft das eigentlich mit dem Hin-und-Herwechseln zwischen den Haushalten?
Mein 15-jähriger Stiefsohn, Christians Sohn aus erster Ehe, wechselt von einem Quarantäne-Haushalt zum anderen. Bei uns geht das ganz gut, denn wir leben alle in der gleichen Stadt. Ich habe aber auch mit anderen Leuten darüber geredet, die räumlich weiter voneinander entfernt sind und bei denen das nicht so einfach ist. Dort entscheiden die Kinder sich dann für die Zeit des Lockdowns oft, bei ihrer Mutter zuhause zu bleiben und nicht ständig den Haushalt zu wechseln. Auch das ist eine besondere Herausforderung, weil das Kind dann den Vater für eine lange Zeit nicht sieht.
Kinder haben in der Krise kaum eine Stimme. Die Regierung diktiert die Regeln, die Erziehungsberechtigten treffen die Entscheidungen. Was Kinder wollen und denken in dieser Zeit, ist wenig bis gar nicht bekannt – jedenfalls nicht in der öffentlichen Diskussion. Ein weiteres Problem: Eine viel beachtete Studie geht nun davon aus, dass Kinder "möglicherweise keine bedeutende Übertragungsquelle dieses neuartigen Virus sind". Sollte sich das am Ende bewahrheiten, wären Kinder ohne nennenswerten Einfluss auf die Krise die großen Leidtragenden der Pandemie.
Es gibt ja viele Leidtragende: ob das Restaurantbesitzer sind, die Menschen, die in den Krankenhäusern arbeiten oder das Pflegepersonal, das einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt ist. Da wir noch so wenig über das Virus wissen, kann ich verstehen, dass man Vorsicht statt Nachsicht walten lässt. Wir wissen ja nicht sicher, ob Kinder das Virus verbreiten oder nicht. In dieser für uns alle neuen Situation verstehe ich die Prämisse, erstmal abzuwarten und die Entwicklung zu beobachten. Als Vorsichtsmaßnahme die Schulen und Kitas zu schließen, finde ich vollkommen richtig.
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Zum Abschluss noch ein Blick in Ihren Instagram-Account. Sie haben sich in der häuslichen Quarantäne offenbar selbst die Haare geschnitten, wie auf einem Posting zu sehen ist. Wie kam es denn dazu?
Ich wollte sehr lange schon mal wieder zum Friseur gehen und habe das vor mir hergeschoben. Dann kam die Zeit, als zwar die Friseure noch geöffnet hatten, ich mich aber davor scheute, in einen vollbesetzten Friseursalon zu gehen und irgendwann war es dann zu spät, weil eh alles geschlossen hatte. Aber meine Haare waren viel zu lang. Also habe ich kurzerhand meine Nagelschere genommen und mir selbst die Haare geschnitten. Währenddessen habe ich festgestellt, dass mir dafür jegliches Talent fehlt – dementsprechend verwüstet sieht meine Frisur gerade aus. Ich stecke meine Haare bei Moderationen nun häufig ins Jackett, damit man nicht sieht, wie ich mich selbst verschandelt habe.
Werden Sie das machen, sobald der Spuk vorbei ist: Beim Friseur wieder alles in Ordnung bringen lassen?
Jetzt ist es zu spät. Die Haare sind so kurz und so abgeschnitten, dass man da nichts mehr retten kann. Extensions wären jetzt die einzige Lösung, aber die kommen für mich derzeit nicht infrage.
Hat Christian Ulmen auch schon zur Schere gegriffen oder haben Sie das übernommen?
Also mein Mann hat ja gar keine Frisur. (lacht) Insofern war Christian mir gegenüber klar im Vorteil.
Collien Ulmen-Fernandes hat für das ZDFneo-Format "Familien allein zu Haus" das völlig veränderte Alltagsleben von Familien in der Corona-Krise beleuchtet. Zu sehen ist die Sendung am Samstag, den 25. April 2020. Ab 10.00 Uhr steht das Ergebnis in der ZDFmediathek zum Abruf bereit und um 19.30 Uhr strahlt es ZDFneo im linearen Fernsehen aus.