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Hannelore Elsners letzten Tage: "Sie ist erschöpft, was soll sonst sein?"


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"Sie ist erschöpft, was soll sonst sein?"
Tagebucheinträge über die letzten Momente mit Hannelore Elsner


Aktualisiert am 21.04.2020Lesedauer: 6 Min.
"Lang lebe die Königin": Hannelore Elsner und Marlene Morreis spielen Mutter und Tochter.Vergrößern des Bildes
"Lang lebe die Königin": Hannelore Elsner und Marlene Morreis spielen Mutter und Tochter. (Quelle: BR/ARD Degeto/ORF/Neue Schönhauser Filmproduktion GmbH/Bernd Schuller,)

Marlene Morreis hat bis kurz vor dem Tod Hannelore Elsners mit ihr einen emotionalen Mutter-Tochter-Film gedreht. t-online.de lässt sie mit Tagebucheinträgen exklusiv an den letzten Momenten mit einer der großartigsten Schauspielerinnen unserer Zeit teilhaben.

Das Eindrucksvollste, was ein Mensch hinterlassen kann, wenn er stirbt, sind starke Erinnerungen in den Köpfen derjenigen, die noch ein wenig bleiben dürfen. Hannelore Elsner ist das gelungen und sogar noch mehr. Durch ihre Filme bleibt ein Stück von ihr im Hier und Jetzt. Kurz vor ihrem Tod drehte sie den Film "Lang lebe die Königin". Unterschwellig sarkastisch und auch ein wenig makaber – wie das Schicksal manchmal eben ist – stirbt die Figur der Schauspielerin in dem Film. Das Drehbuch wurde so für ihre Kollegen plötzlich stellenweise zur erschreckenden Realität.

Elsners Filmtochter Marlene Morreis hat während der Dreharbeiten Tagebuch geführt. Sie wusste nicht, wie krank ihre 76-jährige Drehpartnerin schon da war. Angemerkt hat man der stolzen Mimin nämlich nichts. Morreis schrieb in ihrem Tagebuch ehrfürchtig über die erfahrenere Künstlerin, erzählt aber auch von lustigen Begegnungen.

"Hannelore ist gestorben"

Manchmal schrieb Morreis nur wenige Fragmente. Oft ging es um einen alten Mustang, den sie für den Film fuhr. "Das Standgas ist sehr niedrig eingestellt, an jeder zweiten Ampel stirbt er ab", kritzelte die Schauspielerin an einem Tag in ihr Buch. "Ich rutsche ab und lande mit dem Handrücken voll auf Hannelores Nase", schrieb sie an einem anderen Tag und dann steht da plötzlich: "Hannelore ist gestorben."

t-online.de liegt das Tagebuch von Marlene Morreis exklusiv vor. Sie spielt die Rolle der Nina. Ihre Mutter ist Rose, gespielt von Hannelore Eslner. Unkommentiert wollen wir Ihnen hier einige Einträge präsentieren. Wenn Sie sich das ganze Buch durchlesen möchten, klicken Sie sich gern durch unsere Fotoshow.

  • 1. Drehtag: 12. März 2019
    Ich bin mit meiner Figur Nina noch in der Findungsphase. Wir drehen ein Skype-Gespräch. Nachts sind wir auf dem Golfplatz mit meinem Filmchef und Lover Hardy. Noch fühlt sich alles sehr komisch an.
  • 2. Drehtag: 13. März 2019
    Heute starte ich mit mehr Zuversicht in den Tag. Ich fahre zum ersten Mal mit dem Ford Mustang. Das Standgas ist sehr niedrig eingestellt, an jeder zweiten Ampel stirbt er ab. Er ist genauso bockig wie Nina.
  • 4. Drehtag: 15 März 2019
    Uff. Heute ist der erste der sehr emotionalen Drehtage. Wir filmen die Szenen im Hotelzimmer, nachdem Rose, meine Mutter, gestorben ist. Wir haben eine respektvolle, ruhige Arbeitsatmosphäre am Set, was für solche Szenen wahnsinnig wichtig ist. Ich merke langsam, wie toll sich dieses Projekt entwickelt.
  • 5. Drehtag: 18. März 2019
    Es ist der erste Drehtag mit Hannelore. Wir haben uns erst kurz zuvor bei der Leseprobe kennengelernt. Der Mustang ist aus der Werkstatt zurück! Wir drehen eine Autofahrt heim vom Krankenhaus. Anschließend die Szenen im Krematorium. Es ist eine surreale und sehr beklemmende Situation, wir sind in einem echten Bestattungsunternehmen. Wir gehen mit sehr viel Respekt an die Sache. Ich frage Hannelore aus Neugier, wie es ist, im Film zu sterben? "Ach, ich bin schon so oft vor der Kamera gestorben. Das ist für mich nichts Ungewöhnliches. Es ist ja besser, im Film zu sterben als im echten Leben", sagt sie lachend.
  • 6. Drehtag: 19. März 2019
    Wir drehen im Studio vor einer Green-Screen-Leinwand. Mit Hannelore und Günther Maria Halmer, der Roses Lebensgefährten Werner spielt. Nina moderiert eine Sendung für den Teleshoppingkanal 50+ und präsentiert den Hula-Chair mit rotierender Sitzfläche, der die Hüften in Schwung bringt. Den Hula-Stuhl gibt es wirklich. Wir haben alle sehr viel Spaß miteinander!
  • 12. Drehtag: 27. März 2019
    Heute schwere Kost: Ich drehe mit Hannelore und später auch noch mit Günther Maria Halmer im Krankenhaus. Der Mustang hat einen freien Tag und wird klinisch betreut.
  • 13. Drehtag: 28. März 2019
    In der ersten Szene des Tages hole ich Hannelore aus dem Krankenhaus ab. Wir steigen ins Auto und Rose mokiert sich darüber, dass ich immer noch diesen alten Mustang fahre. Eigentlich endet die Szene damit. Weil unser Regisseur Richard Huber aber nicht "Cut" ruft, spielen wir weiter, und ich lasse langsam das Verdeck hochfahren. Am Auto gibt es links und rechts Verankerungen, die umgelegt werden müssen, um das Wagendach zu sichern. Ich lege den Hebel auf meiner Seite um, greife dann rüber zur Beifahrerseite, um den zweiten Hebel nach vorn zu drücken, ich rutsche ab und lande mit dem Handrücken voll auf Hannelores Nase. Wir spielen einfach weiter, ich entschuldige mich bei Mama, die mit mir schimpft. Endlich kommt die Erlösung, der Take ist vorbei. Ich habe das allerschlechteste Gewissen der Welt und entschuldige mich 1.000 Mal bei Hannelore. Sie nimmt es wie ein Profi, ist mir nicht böse, es ist ja auch nichts passiert. Ich sehe mir das Replay an. Leider gewinnt diese heitere Szene durch meinen Ausrutscher noch an Humor.
  • 16. Drehtag: 2. April 2019
    Hannelore meldet sich für den Tag krank. Wir haben aber noch genügend Szenen zwischen Günther Maria Halmer und mir, die wir vorziehen können. Morgen, so der Plan, können wir die Szenen von heute nachholen. Dann ist Hannelore bestimmt wieder da, hoffen wir. Sie ist erschöpft, was soll denn sonst sein?
  • 17. Drehtag: 3. April 2019
    Eigentlich hätte ich heute meinen einzigen freien Tag. Wir wollen aber Szenen von gestern mit Hannelore nachdrehen. Am Morgen heißt es noch, sie kommt mit ein wenig Verspätung, aber die Ankunft Hannelores schiebt sich immer weiter nach hinten. Schließlich wissen wir, heute wird es nichts mehr, wir machen morgen weiter. Trotzdem schaffen wir wegen anderer Szenen unser Tagespensum. Langsam machen sich alle ein wenig Sorgen um Hannelore.
  • 18. Drehtag: 4. April 2019
    Wir fahren mit optimistischer Stimmung zurück zur Basis, Hannelore soll am Mittag kommen. Leider passiert das nicht, wir müssen den Dreh abbrechen. Hannelore fühlt sich immer noch nicht wieder fit genug. Nur fünf Szenen fehlen noch, alle mit Hannelore Elsner. Die restlichen vier Drehtage liegen auf Eis. Am Abend trifft sich das gesamte Team. Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. Wir brauchen Hannelore, um den Film zu Ende bringen zu können. Alle sind geschockt. So ein Drehabbruch passiert ja nicht alle Tage, zudem weiß keiner, was mit Hannelore ist, wie es ihr geht. Die Ungewissheit ist schwer zu ertragen. Die Beleuchtercrew erzählt mir, wie seltsam leise es in ihrem Lkw auf der Rückfahrt vom Motiv war. Irgendwie ist das alles sehr unwirklich und ziemlich doof.
  • 19. Drehtag: 10. April 2019
    Hannelore ist für zwei Wochen krankgeschrieben. In diesem Moment ist uns klar, dass sich das Team auflösen wird. Alle hatten ja Anschlussjobs irgendwo in Deutschland. Der Film bleibt komplett liegen.
  • 21. April 2019, Hannelores Todestag
    Hannelore ist gestorben. Ich erfahre es von Freunden. Ungläubig lese ich im Internet nach, ob die Nachricht stimmt. Die Realität hat unseren Film eingeholt. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Hannelore und ich haben zum ersten Mal zusammen gedreht. Wir mochten uns und hatten gegenseitigen Respekt vor unserer Arbeit. Wir hatten viel Spaß am Set, wann immer der Inhalt der Szenen es zuließ, und wir freuten uns auf die verbleibende Zeit. Ich telefoniere mit unserem Regisseur Richard Huber. Ich muss mit irgendjemandem sprechen, der verstehen kann, wie sich das alles gerade anfühlt. Entsetzen ist vielleicht das richtige Wort. Es ist schwer, das mit einem Gefühl zu beschreiben. Und abgesehen von der Traurigkeit über Hannelores Tod ist da auch eine Traurigkeit über die ungewisse Zukunft dieses Films, der ihr persönlich so wichtig war. Sie wollte ihn unbedingt zu Ende bringen.

Was Marlene Morreis noch in ihrem Tagebuch verewigt hat, können Sie in der langen Version hier nachlesen.

Der Film "Lang lebe die Königin" konnte letztendlich doch noch fertiggestellt werden. Hannelore Elsner war es möglich, einmal mehr zu zeigen, was in ihr steckte. Die fehlenden Szenen mit ihr wurden von Kolleginnen übernommen. Die Schauspielerinnen Iris Berben, Hannelore Hoger, Eva Mattes, Gisela Schneeberger und Judy Winter sind als Hommage eingesprungen. Das Ergebnis sehen Sie am 29. April ab 20.15 Uhr im Ersten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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